Foto: DAZ/Schelbert

Management

Mystery Shopping

Die Mitarbeiter mit Kundenaugen sehen

Viele Apotheken leben von Stammkunden und Weiterempfehlungen. Hierzu leistet jeder einzelne Mitarbeiter im täglichen Kundenkontakt seinen Beitrag. Um die Kundenzufriedenheit aktiv beeinflussen zu können, sollte regelmäßig ein Kundenfeedback eingeholt werden. Eine Möglichkeit hierfür ist das Mystery Shopping, bei dem neben dem Gesamteindruck der Apotheke auch die Wirkung der Mitarbeiter im Fokus steht.

Apotheken, die sich für Mystery Shopping entscheiden, haben oft das Potenzial normaler Kunden­befragungen ausgeschöpft und wollen einen neuen Ansatz erproben. Zudem können die Ergebnisse einer Mystery-Shopping-Analyse ebenfalls in das QMS integriert werden: Die Apotheke ist verpflichtet, sich in regelmäßigen ­Abständen ein Kundenfeedback einzuholen, was auch in Form von Mystery-Shopping-Studien stattfinden kann. Einige Apotheken wiederholen das Mystery Shopping jährlich, manche im Rhythmus von zwei Jahren, wieder ­andere lassen sich monatlich von Testkunden besuchen.

Faustregel: Ein Einsatz pro Mitarbeiter

Zunächst besprechen die beauftragte Agentur und der Apothekenleiter die Szenarien für die Testeinsätze und bestimmen die typische Zielgruppe der jeweiligen Apotheke, anschließend wird der Durchführungszeitraum festgelegt. Je nach Anzahl der Tests kann dieser variieren. Bei einer normalen Mystery Shopping Analyse gilt als Faustregel, dass die Zahl der Einsätze der Zahl der Mitarbeiter entspricht. Damit nicht alle Mystery Shopper den gleichen Mitarbeiter testen, arbeitet die ausführende Agentur in der Regel mit einem Schichtplan der Mitarbeiter. Eine Garantie zur Verhinderung von Doppeltests gibt es natürlich nicht. Die Durchführungszeit der Tests liegt in der Regel bei vier bis sechs Wochen. Es ist sinnvoll, die Tests nicht alle innerhalb einer Woche durchzuführen, weil hier möglicherweise nicht jeder Mitarbeiter angetroffen wird. Auch ist es aussagefähiger, die Kundenzufriedenheit über einen breiteren Zeitraum zu erheben.

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Keine Angst vor möglichen Testkunden Mystery Shopping dient nicht der Kontrolle der Mitarbeiter, es kann vielmehr Verbesserungsmöglichkeiten im Kundenservice und Gesamtmanagement aufzeigen.

Ankündigen oder nicht?

Nun stellt sich jeder Apothekeninhaber die Frage: Sollte ich mein Team im Vorfeld informieren? Bei dieser Frage gibt es kein richtig oder falsch, denn jeder Weg hat Vor- und Nachteile. Werden die Mitarbeiter informiert, so kann es sein, dass sie sich nun besonders viel Mühe bei jedem Kunden geben, was jedoch das Bild für die spätere Analyse verzerren könnte. Außerdem wird der Inhaber feststellen, dass beinahe jeder zweite Neukunde nun für einen Testkunden gehalten wird. Dies hat zwar den Vorteil, dass jedem neuen Kunden mit ausgesuchter Freundlichkeit entgegengetreten wird, ­jedoch könnte diese Variante auch Unruhe in das Team bringen. ­Keiner der Mitarbeiter kennt in der Regel Mystery Shopping, was viel Luft für Spekulationen lässt. Ein anderer Weg ist die Ankündigung des Mystery Shoppings, nachdem der Großteil der Einsätze bereits durchgeführt wurde. Die Mitarbeiter werden durch die Mystery Shopper so im normalen Alltagsgeschäft besucht. Jedoch gibt es auch hier einen gewissen Raum für Spekulationen. Wer war der Testkunde? Wann war er da?

Wichtig ist, dass die Ergebnisse und auch die Vorgehensweise den Mitarbeitern schnell und zeitnah vorgestellt werden. Fragen, die die Mitarbeiter besonders interessieren, sind: Wer waren die Testkunden, mit welchem Anliegen sind sie gekommen? Was wird im Fragebogen bewertet? Warum machen wir ein Mystery Shopping? Und was passiert nun?

Die Entscheidung, wann die Mitarbeiter informiert werden, trifft der Inhaber selbst, da er sein Team am besten kennt. Meistens wird es so gehandhabt, dass beim ersten Mystery Shopping dem Team die Untersuchung nicht angekündigt wird. Beim zweiten und den folgenden Malen werden die Mitarbeiter hingegen vorab informiert, da sie nun genau wissen, was auf sie zukommt und daher weniger Unsicherheiten und Spekulationen bezüglich der Methode bestehen.

Was Mystery Shopping ist und wie es funktioniert

Beim Mystery Shopping besuchen Testkunden nach einem vorgegebenen Szenario eine Apotheke. Dabei verhalten sich die eingesetzten Testkunden stets wie ganz normale Kunden und wohnen im Umfeld der Apotheke. Möglicherweise waren die Mystery Shopper auch bereits Kunden der zu testenden Apotheke oder kennen diese vom Hörensagen, weswegen sie einen typischen Durchschnittskunden der Apotheke repräsentieren.

Vorab wird der Testkunde professionell durch eine Agentur auf seinen Einsatz vorbereitet. Bei diesem sogenannten Briefing bekommt er detaillierte Hinweise auf den Ablauf des gesamten Einsatzes sowie einen Fragebogen, der nach dem Apothekenbesuch ausgefüllt wird. Zum abgesprochenen Zeitpunkt besucht der Mystery Shopper die Apotheke mit einem vorab im Rahmen des Briefings abgestimmten Anliegen, mit dem die Kompetenz und Servicequalität des jeweiligen Mitarbeiters getestet werden. Die gewählten Anliegen zeichnen sich durch eine hohe Beratungsintensität aus, wobei es nicht um die Abgabe verschreibungspflichtiger Medikamente geht. Die Anliegen sollten sich, der Authentizität halber, nach der Saison richten, d. h. im Sommer beispielsweise das Thema Reiseapotheke, in der kälteren Jahreszeit vermehrt Themen wie Erkältung und trockene Haut. Jedoch besteht auch die Möglichkeit sensiblere Anliegen zu wählen, bei denen Diskretion und Vertrauensaufbau zwischen Kunde und Mitarbeiter gefragt sind, wie bei Hämor­rhoiden oder Vaginalpilz.

Im Unterschied zum sogenannten Pseudo Customer verfügt der Testkunde über keine fachliche Kompetenz. So ist er nicht dazu befähigt, die fachliche Richtigkeit der Beratung zu beurteilen. Vielmehr bewertet er die Apotheke, wie ein normaler Kunde es auch machen würde, nach seinem Bauchgefühl: Habe ich den Eindruck, hier gut beraten worden zu sein? Würde ich diese Apotheke erneut aufsuchen?

Perspektivwechsel: die weißen Kittel ausziehen

Der Inhaber kann bereits während der laufenden Analyse die Ergebnisse der einzelnen Tests erhalten sowie schließlich am Ende eine Gesamtauswertung. Diese beinhaltet den Durchschnitt der erzielten Leistungen und zeigt so sehr genau auf, wo kurz- und langfristig Verbesserungspotenziale für die Apotheke bestehen.

Die Ergebnisse sollten dann gemeinsam im Team im Rahmen ­eines Workshops ausgewertet werden. Wichtig ist es, die Ergebnisse zu anonymisieren, da das Team sich auf den Kunden und dessen Perspektive und nicht auf die Leistungen Einzelner konzentrieren soll. Im Auswertungsworkshop werden die Mitarbeiter auf einen Besuch der eigenen Apotheke aus Kundensicht mitgenommen. Man könnte sagen, dass die weißen Kittel ausgezogen werden. Die Mitarbeiter stehen nicht mehr hinter dem HV-Tisch, sondern davor. Dieser Perspektivwechsel kann das Verständnis für den Kunden ungemein steigern. So finden sich durch den Standpunktwechsel schnell Verbesserungshinweise und Vorschläge für das innere und äußere Erscheinungsbild der Apotheke. Werden dann die Beratungsgespräche diskutiert, sehen die Mitarbeiter, welchen Einfluss die richtige Bedarfsermittlung, ein einfaches Lächeln sowie das Mitgeben von Zugaben oder einer Kundenzeitschrift haben können.

Manche Ergebnisse überraschen das Team nicht, da angesprochene Probleme meist schon länger im Bewusstsein der Mitarbeiter sind und der Wunsch nach allgemeinen Standards vorhanden ist. Mystery Shopping kann dabei sowohl dem Team als auch dem Inhaber den Anstoß für Änderungen geben. Mögliche Konsequenzen sind auch

  • Individuelle Verkaufsschulungen: Die Tests zeigen, wo im Verkauf Potenzial besteht, Schulungen können so passgenau für das gesamte Team ausgearbeitet und mit einem professionellen Trainer realisiert werden.
  • Organisatorische Änderungen: Manchmal wird schnell deutlich, dass Abläufe im Backoffice der Apotheke nicht klar geregelt sind. Neue Strukturen oder Abläufe können sowohl zur Kundenzufriedenheit als auch zur Mit­arbeiterzufriedenheit beitragen.

Am Ende der Auswertung erhält jeder Mitarbeiter die Chance, den eigenen Mystery-Shopping-Bericht einzusehen. Damit keine Missverständnisse auftreten, ist es wichtig, im Vorfeld darüber zu informieren, wie ein solcher Bericht zu lesen und zu interpretieren ist. Jeder Mitarbeiter sollte dann in Ruhe seinen Bericht zu Hause lesen können.

Nach dem Auswertungsworkshop sollte der Apothekeninhaber den Mitarbeitern Zeit geben, um den Input und die Ergebnisse der Er­hebung zu verarbeiten. In Einzelgesprächen kann mit jedem Mit­arbeiter der Dialog gesucht werden, um individuelle Ergebnisse zu besprechen.

Loben nicht vergessen!

Besonders erwähnenswert scheint an dieser Stelle, dass bei Mystery-Shopping-Studien häufig ein gutes oder gar sehr gutes Ergebnis erreicht wird. Der Inhaber sollte dies nutzen, um seinem Team ein entsprechendes Feedback zu geben und auch ein Lob auszusprechen. Dies kann sich zusätzlich positiv auf die Motivation des gesamten Teams auswirken.

Gerade bei einem gut aufgestellten und dienstleistungsorientierten Team ist ein Mystery Shopping aus Apothekersicht sinnvoll. Sofern diese Punkte nicht erfüllt sind und außerdem keine allgemeinen Servicestandards bestehen, können die Ergebnisse eines Mystery Shoppings eher demotivierend wirken und damit die Stimmung im Team trüben.

Prinzipiell schärft Mystery Shopping den Fokus für folgende Fragen: Wer ist mein Kunde? Was will dieser eigentlich? Mit welcher Erwartungshaltung kommt er in unsere Apotheke? Können wir dieser Erwartungshaltung gerecht werden?

Anbieter für Mystery-Shopping-Analysen sind leicht über eine Onlinesuche zu finden. Dabei sollte man darauf achten, dass der Anbieter spezielle Erfahrungen auf dem Apothekensektor hat. So kann man die eigenen Ergebnisse zusätzlich mit dem Durchschnitt anderer Apotheken vergleichen lassen. Dies hilft ungemein, um die eigene Leistung auch objektiv bewerten zu können. |


Julia Kaufmann ist Mitinhaberin der Agentur Kaufmann & Kirner – mystery shopping and more in Rostock; info@kaufmann-kirner.de

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