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Wirtschaft
„Wir haben mit uns gerungen“
Boehringers OTC- und Animal-Health-Chef Hasenmaier zum geplanten Deal mit Sanofi
AZ: Herr Dr. Hasenmaier, Boehringer wird eher mit Thomapyrin, Buscopan oder Dulcolax in Verbindung gebracht als mit Tierarzneimitteln. Gibt Boehringer mit dem Tausch des OTC-Geschäfts gegen die Tier-Sparte von Sanofi nicht einen Teil seiner Identität auf?
Dr. Joachim Hasenmaier: Ich kann diesen Eindruck verstehen. Es ist ein offenes Geheimnis, dass wir auch um das OTC-Geschäft von Merck USA mitgeboten haben, wir haben versucht, unser US-Generikageschäft Roxane gegen ein OTC-Geschäft einzutauschen. Wir haben im OTC-Bereich alles versucht, aber es hat sich nichts ergeben.
Im OTC-Bereich haben wir die Situation, dass Bayer Merck USA gekauft hat und GSK mit Novartis zusammengegangen ist. Im Tierbereich ist die Industrie noch viel konsolidierter. Wir standen vor der Frage: Behalten wir zwei Unternehmensteile im Mittelfeld ihrer Industrie, die um den Anschluss an die Spitze kämpfen, oder kreieren wir einen globalen Champion?
Die Entscheidung war nicht einfach. Ich kann Ihnen versichern, selbst nachdem wir uns einig waren, dass dieser Deal rational absolut sinnvoll ist, war es emotional sehr schwer.
AZ: Hätten Sie im OTC-Bereich zukaufen können, wäre diese Entscheidung anders ausgegangen?
Hasenmaier: Ja, dann hätten wir die OTC-Sparte natürlich langfristig weitergeführt, überhaupt keine Frage.
AZ: Wie viele Mitarbeiter sind denn von den Plänen betroffen?
Hasenmaier: Es sind ungefähr 300 Mitarbeiter in Marketing und Vertrieb in Deutschland betroffen. Sanofi ist im deutschen Markt bisher eher schwach vertreten. Wir gehen fest davon aus, dass Sanofi ein großes Interesse hat, unsere Mitarbeiter zu übernehmen, nicht nur die Marken.
AZ: Sind Produktionsstandorte betroffen?
Hasenmaier: Es geht nur um einen einzigen Produktionsstandort in Japan, den wir dort vor Jahren im Rahmen einer Firmenübernahme erworben haben. Sonst gehen keine Fabriken über.
AZ: Wie sieht denn der weitere Zeitplan aus?
Hasenmaier: Im Moment führen wir exklusive Verhandlungen. Klares Ziel beider Parteien ist, bis Mitte des Jahres einen Vertrag zu unterschreiben. Das Closing, also der offizielle Übergang, soll dann bis Ende des Jahres stattfinden. Aber bei so großen Transaktionen wird bis zum Schluss verhandelt, und man kann sich erst sicher sein, wenn der Vertrag wirklich unterschrieben ist.
AZ: Mit dem Tausch entsteht der zweitgrößte Tierarzneimittelhersteller der Welt. Sind Sie dann in Schlagweite zur Nummer Eins?
Hasenmaier: Die Nummer Eins ist 20 Prozent größer. Wir haben das Ziel, deutlich über Markt zu wachsen. Wenn uns das kontinuierlich gelingt, werden wir irgendwann dahin kommen, ja.
Das Schöne ist, dass Merial und Boehringer Animal Health extrem komplementär sind. Wir ergänzen uns bei den Kernsegmenten des Tiergesundheitsmarktes, bei Impfstoffen, bei Antiparasitika und Pharmazeutika. Wir sind eher eine Großtier-Firma, Merial ist eher eine Kleintier-Firma.
Wir schaffen zwei globale Champions mit starken europäischen Wurzeln, wir haben die Chance ganz vorne zu sein und die Industrie zu prägen.
Ich habe unser CHC-Geschäft geliebt, und ich habe lange dafür gekämpft. Es ist ein Marken-Geschäft, und ein Marken-Geschäft ist hoch attraktiv für ein Familienunternehmen, denn Marken sind langlebig. Aber in der Tiergesundheit sind größere Innovationssprünge möglich als bei OTC, wo die Innovationen oft eher inkrementell vonstatten gehen. Wir glauben, dass die Tiergesundheit auch deshalb besser zu Boehringer passt.
AZ: Boehringer konzentriert sich auf die forschungsgetriebenen Bereiche Original-Rx-Präparate, Tiergesundheit und Biopharmazeutika. Ist das eine strategische Entscheidung gewesen?
Hasenmaier: Eindeutig! Unsere Firmenphilosophie ist „Value through innovation“, das ist unsere DNA. Wir glauben, dass wir in den Geschäftsfeldern, für die wir uns jetzt entschieden haben, diese Vision am besten leben können.
In dem Moment, wo wir nicht mehr innovativ sind, haben wir als Familienunternehmen keine Chance mehr. Wir können uns nicht aus Problemen herauskaufen. So tiefe Taschen haben wir nicht. Also wissen wir genau: Unsere Zukunft basiert auf Innovation, und da haben wir uns jetzt gut aufgestellt.
Wir haben mit dieser Entscheidung gerungen, aber es war genau diese Vision, wegen der wir uns am Ende für die Tiermedizin entschieden haben. Wir sehen den Deal als eine riesige Chance für beide Firmen, in ihrem Bereich ganz vorne mitzuspielen. Ich bin überzeugt, es ist der richtige Schritt – für Boehringer und für Sanofi. |
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