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„Apothekertag wird Einigkeit ausstrahlen!“
DAZ-Interview mit ABDA-Präsident Friedemann Schmidt
DAZ: Am 1. Oktober beginnt der Deutsche Apothekertag. Der letztjährige Apothekertag stand ganz im Zeichen des Perspektivpapiers. Welche Themen werden den diesjährigen prägen?
Friedemann Schmidt: Unser Schwerpunkt für den Apothekertag ist die Digitalisierung im Gesundheitswesen, also das E-Health-Thema. Denn dieses Thema wird den Beruf und die Berufspraxis verändern. Es wird deshalb der Schwerpunkt im – wenn man das so sagen kann – fachlichen Teil des Apothekertags sein. Die Diskussion und Antragsberatung und auch der politische Teil werden sicher sehr stark von den wirtschaftlichen Fragen dominiert werden.
Wir müssen die Politik jetzt mit der Frage konfrontieren, wie sie es zukünftig halten will mit dem Apothekensystem und der Vergütung. Die meisten Delegierten werden erwarten, dass wir dazu etwas sagen – und das werden wir auch machen. Und natürlich werden wir berichten, wie wir mit der Umsetzung des Perspektivpapiers vorangekommen sind in den einzelnen Handlungsfeldern, in die wir das Papier gegliedert haben. Das ist die Aufgabe des Geschäftsberichts, der ja immer auch ein Rechenschaftsbericht ist.
Insgesamt wird es weniger ein Apothekertag der Selbstvergewisserung werden, wie es die Apothekertage des letzten und auch des vorletzten Jahres waren. Wir sind jetzt in einer Phase, wo wir eine klare Botschaft nach außen aussenden wollen. Wir haben unsere Entscheidungen getroffen, haben sie in die Gesellschaft hineingespielt und sind jetzt eigentlich interessiert an einer Antwort: Wie nehmt ihr – Politik und gesellschaftliche Kräfte – das wahr?
Ich hoffe und bin zuversichtlich, dass dieser Apothekertag eine große Einigkeit ausstrahlen wird. Das ist auch wichtig, denn im nächsten Jahr startet schon der Bundestagswahlkampf. Und egal, wie die Wahl dann ausgeht, wir haben einen Kernbestand an politischen Forderungen, und wir erwarten von jeder politischen Konstellation, sich dazu zu bekennen. Dazu gehört das Bekenntnis zur inhabergeführten Apotheke, zur Fortentwicklung des Arzneimittelversorgungssystems, zur Verantwortlichkeit des Apothekers. Das wird sicherlich auch im Rahmen dieses Apothekertags zum Ausdruck gebracht.
DAZ: Zum Thema E-Health gibt es einen Antrag des geschäftsführenden ABDA-Vorstands, der sich nicht mit dem Medikationsplan und dem E-Health-Gesetz beschäftigt, sondern mit einem „IT-Netz der Apotheken“. Was verbirgt sich hinter diesem Begriff?
Schmidt: Wenn man die Chancen der Digitalisierung ernst nimmt, steht am Ende eine Vernetzung – die digitale Welt ist eine vernetzte. Die Apotheken heute befinden sich dagegen eher in einer Insel-Situation: Eine Apotheke hat, wenn sie es nicht will, mit den Apotheken in ihrer Nachbarschaft fast keine Berührungspunkte – außer dass man sich im Dienst abwechselt. Der Nutzen der Digitalisierung liegt aber gerade im Austausch von Informationen und Leistungen in einem Netzwerk. Zu dieser Netzstruktur gehören nicht nur Apotheken, sondern auch alle anderen, die zum therapeutischen Team gehören, wie wir das im Perspektivpapier genannt haben.
Wir wollen die technischen Voraussetzungen beschreiben, die man bräuchte, um dieses therapeutische Team zu bilden. Zunächst wollen wir die Apotheken untereinander verbinden, um einen sicheren Informationsaustausch zu ermöglichen. Das kann man dann ausbauen zu einem Kanal zwischen Apotheke und Großhandel, Apotheke und Arztpraxis, Apotheke und Kostenträger sowie Apotheke und Krankenhausapotheke. Wir wollen ein flächendeckendes sicheres Informationsnetz schaffen, um unserer Verantwortung für die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung auch in Zukunft gerecht zu werden.
DAZ: Ein Intranet für Apotheken?
Schmidt: Ja, das könnte man so sagen. Ein sicheres Netz, in dem man auch sensible Daten hin- und herschicken kann. Wir werden dazu die über die Telematikinfrastruktur der gematik zur Verfügung stehenden Technologien in unsere Überlegungen einbeziehen. Wir wollen keine Kabel ziehen und keine weiteren Kästchen in die Apotheken stellen. Das ist etwas, was die gematik machen wird.
Man wird in diesem Netz dann auch schnellere Informationswege etablieren können. Heute kommunizieren wir ja noch vielfach auf Papier: Rückrufe kommen als Fax, Verbandsinformationen – auch dringende – ebenfalls. Das kann man sich alles besser vorstellen.
DAZ: Gibt es einen Zeithorizont?
Schmidt: Wir wollen schon schnell sein, das ist ein hoch priorisiertes Projekt bei uns – das zeigt auch der Antrag. Wir bauen ja bereits eine Abteilung dafür auf. Allerdings ist es gar nicht so einfach, dafür gute Leute zu finden. Solche Spezialisten sind sehr gefragt.
Wir sind uns sicher, dass wir trotzdem schnell sein werden. Die Einführung in die Apotheken wird schneller gehen als beispielsweise beim KV-Safenet der Ärzte. Dort sind immer noch nicht alle Praxen dabei, es gibt viel größere Vorbehalte als bei den Apothekern, die großes Interesse an EDV-Lösungen haben und teilweise sehr technikaffin sind.
DAZ: Auch zum Honorar gibt es einen Antrag des ABDA-Vorstands. Die altbekannte Forderung, das Honorar jährlich zu überprüfen, wird mit der Forderung nach einer neuen Rechenmethodik verknüpft. Und dann kommt eine interessante Formulierung: „Auch die Forderung nach … wird erhoben“ – gefolgt von den Forderungen nach Anhebung der Dokumentationsgebühren, Fix-Zuschlag für die Rezeptur-Abgabe und Anpassung des Notdienst-Zuschlags. Es gibt bereits Interpretationen, aus dieser Formulierung ergebe sich eine Rangfolge der Forderungen …
Schmidt: Es ist eine Kernaufgabe der Berufsvertretung, für eine stetige Verbesserung der wirtschaftlichen Situation zu kämpfen. Das gehört zum Grundgesetz des Verbandes, das kann man auch nicht aussetzen oder per Beschluss beenden.
Die Entscheidung, wie man das macht, ist dann eine taktische. Die strategisch wichtigsten Ziele sind nicht immer automatisch auch die, die man zeitlich prioritär behandeln muss. Momentan scheinen bei Politik und Kassen die Aspekte Rezeptur, BtM- und Notdienstgebühr die höchste Akzeptanz zu finden. Wenn man mit Politikern spricht, dann geben sie zu, dass hier schon lange nichts gemacht wurde. Es gibt ein Problembewusstsein und damit ein Fenster der Gelegenheit. Diese Forderungen muss man deshalb jetzt verfolgen.
Strategisch und auf lange Sicht betrachtet ist natürlich die Lösung des Grundproblems viel wichtiger: Wie kann der Beruf an der wirtschaftlichen Gesamtentwicklung partizipieren? Wie bekommen wir eine regelmäßige Überprüfung und Anpassung des Fixzuschlags nach vernünftigen Regeln hin? Aber es macht ja keinen Sinn, die anderen Forderungen, für deren Realisierung es jetzt Chancen gibt, hintenan zu stellen, wenn wir für die Anpassung des Fixums im Moment keine politische Unterstützung bekommen.
DAZ: Also fordern Sie die Honorierung neuer Dienstleistungen und Angebote?
Schmidt: Die immer wieder geäußerte Unterstellung, dahinter stecke ein System, weil wir andere Pläne mit der Honorierung hätten, diese Unterstellung ist absoluter Blödsinn! Es gibt ein klares Commitment, dass Apotheken mit der Abgabe der Arzneimittel ihr Geld verdienen können müssen. Wir wollen weitere Elemente dazu entwickeln. Aber wir wenden uns nicht davon ab, dass die Arzneimittelpackung und ihre Abgabe die Basis für alles bleibt. Es kann sein, dass wir damit irgendwann an eine Grenze stoßen, weil die Politik das anders sieht – aber bis dahin bleibt das unser Modell!
DAZ: Bei ARMIN geht es langsam voran, aber nun preschen andere Akteure vor, einzelne Krankenkassen schließen Verträge, teilweise mit Apotheken-Kooperationen. Stört Sie das?
Schmidt: Das ist unvermeidbar. Wenn sich Kollegen dazu entscheiden, eine Sache auszuprobieren, deren Richtung stimmt, dann ist das positiv. Dass das jetzt zu einer Ausfaserung des Begriffes Medikationsanalyse führen könnte, das müssen wir hinnehmen. Wir unterliegen nicht der Illusion zu sagen: Wir setzen den Standard und alle folgen ihm. Wichtig ist, dass allen klar ist, dass es eine honorierte Leistung ist. Das zeigt die Wertschätzung dieser Leistung seitens dessen, der sie bezahlt. Die Honorierung bewegt sich bisher in einer Größenordnung, die wir bei ARMIN auch erreichen werden. Insofern wünsche ich allen viel Glück, die das jetzt machen.
DAZ: Die Retax-Verhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband sind gescheitert, nun wird die Schiedsstelle angerufen. Was ist passiert?
Schmidt: Es ist einmal mehr ein Signal dafür, dass die Zusammenarbeit mit den Krankenkassen momentan schwierig ist. Die Verhandlungen waren sehr schwierig. Das ist ja etwas, was nicht nur wir feststellen, sondern auch die anderen Heilberufe. DAV und GKV haben gemeinsam entschieden, die Verhandlungen als gescheitert zu erklären – beide sehen, dass weitere Verhandlungen keinen Wert mehr haben. Jetzt werden wir uns intensiv auf das Schiedsamt vorbereiten.
DAZ: Herr Schmidt, vielen Dank für das Gespräch. |
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