DAZ aktuell

DAV verteidigt eGK ohne Diagnosen

Experten kritisieren Kompromiss zum AMTS-Datensatz für Apotheker – DAV: Diagnosen nicht nötig

STUTTGART (wes) | Laut einem Bericht der Apotheker Zeitung (AZ) von diesem Montag („Keine Diagnosen ...“, AZ 2015, Nr. 25, S. 1) werden die auf der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) gespeicherten Daten zu den Diagnosen für die Apotheker nicht sichtbar sein. Der Deutsche Apothekerverband (DAV) bestätigte der DAZ, dass er mit der Bundesärztekammer und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) einen Kompromiss geschlossen hat, dass ein Diagnosefeld im sogenannten AMTS-Datensatz nicht vorgesehen ist. Während der GKV-Spitzenverband und AMTS-Experten dies kritisieren, verteidigt der DAV den Kompromiss.

„Es ist richtig, dass im Datensatz für die AMTS-Anwendung im Rahmen der eGK laut Lastenheft die Angabe einer ärztlichen Diagnose nach ICD10-Codierung derzeit nicht vorgesehen ist“, bestätigte ein DAV-Sprecher gegenüber der DAZ. „Abgesehen davon, dass Diagnose-Angaben nach ICD10 fehleranfällig und für die Medikation eines Patienten nur begrenzt aufschlussreich sind, könnte deren Angabe in der AMTS-Anwendung auch eine Situation herstellen, in der die diagnostische und therapeutische Arbeit unter die oft rein ökonomisch motivierte Kontrolle der Krankenkassen zu geraten drohen“, verteidigt der DAV das Ergebnis. Auch die Therapiefreiheit könnte zum Nachteil der Patienten eingeschränkt werden.

Für die Apothekerschaft sei ohnehin entscheidender, dass im Medikationsplan der Grund für die Gabe eines bestimmten Arzneimittels angegeben wird, so der DAV. Doch auch diese Daten sind laut den DAZ vorliegenden Informationen im AMTS-Datensatz der eGK nicht vorgesehen. Dort sollen zu jedem verordneten Arzneimittel und jedem Arzneimittel der Selbstmedikation folgende Daten gespeichert werden:

Name des Arzneimittels, Wirkstoff(e) des Arzneimittels, Darreichungsform, Einzeldosisstärke (= Wirkstärke), Dosierung gemäß und auf dem Medikationsplan. Außerdem sollen zum Patienten die Angaben Alter, Geschlecht, ärztlich bewertete Arzneimittelaller­gien und Arzneimittelunverträglich­keiten sowie Schwangerschaft und ­Stillen gespeichert werden.

Für die Erfassung der Begründung der Medikation will sich der DAV „im Rahmen der Verhandlungen, die mit GKV und Ärzteorganisationen zu Regeln für die Erstellung und Aktualisierung des Medikationsplanes zu führen sein werden, natürlich einsetzen.“

Harsche Kritik am Kompromiss

Der GKV-Spitzenverband dagegen ist der Meinung, dass ohne Kenntnis der Diagnose AMTS-Maßnahmen „nur unzureichend durchführbar“ seien und hält es für wichtig, diese in den AMTS-Datensatz aufzunehmen.

Auch der als Vorreiter des Medikationsmanagements in Deutschland bekannte Apotheker und DAZ-Autor Olaf Rose hält die systematische Kenntnis der Diagnosen für extrem hilfreich. „Eine Vielzahl arzneimittelbezogener Probleme fußen auf den Ansatzpunkten: Medikation ohne Diagnose, Diagnose ohne Medikation oder aber auf der Identifizierung von Wirkstoffen, die für die Diagnose nicht zugelassen sind oder für die es bessere Alternativen gibt“, kritisiert er den Kompromiss. Und gibt zu bedenken, dass die Unkenntnis der Diagnose neben der Qualität der Medikationsanalyse auch mögliche Honoraransprüche der Apothekerschaft reduziert, da nur die „niedrigen“ Stufen 1 und 2a einer Medikationsanalyse ohne Kenntnis der Diagnosen möglich sind. Rose betont aber auch, dass das Medikationsmanagement immer interprofessionell ist und Ärzte und Apotheker dabei zusammenarbeiten müssen. „Ohne Teamarbeit geht es nicht – ohne eine Erstattung durch die Krankenkassen aber auch nicht“, gibt Rose zu bedenken.

„Scheitern mit Ansage“

Deutlicher in seiner Wortwahl ist Dr. Reinhard Herzog, der für seine Betrachtungen der betriebswirtschaftlichen Aspekte der Apothekenführung bekannt ist. Der Verzicht auf die Nennung von Diagnosen reihe sich nahtlos ein „in das Theaterstück ‚Scheitern mit Ansage – Apotheken-AMTS zwischen Tragödie, Comedy und Dilettantismus‘“, sagte er auf DAZ-Nachfrage. Ein Medikationsmanagement ohne Diagnosen, Labordaten und diverse Vitalparameter sei so sinnhaft wie eine Nebelfahrt ohne Licht und Tacho: „Da hilft dann auch kräftiges Gasgeben nichts, allenfalls landet man schneller im Graben“, so Herzog.

Bereits die richtige Dosierung „etlicher Allerweltswirkstoffe“ hänge von der Indikation ab, zu ihrer Beurteilung sei also die Kenntnis der Diagnosen Voraussetzung. Eine Optimierung der Arzneitherapie, insbesondere das Jonglieren mit einer Vielzahl von Wirkstoffen, könne nur auf Grundlage der diagnostischen Befundlage erfolgen.

Auch Herzog betont die negativen Auswirkungen des Kompromisses auf die zukünftige Entwicklung der Honorierung. Denn genau diese therapeutische Optimierung – die ohne Kenntnis der Diagnosen nicht möglich sei – „ist dann wirklich gute Honorare wert.“

Seine Einschätzung: „Ohne Einblick in die Befundlage werden die Apotheker weiter am therapeutischen Katzentisch sitzen und die Rolle des Logistikers und ausgestreckten Zeigefingers bei der Umsetzung der Arztverordnungen ausfüllen dürfen.“ Eine Honorierung für diese Rolle dürfe man allenfalls „im Peanuts-Bereich“ erwarten. |

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