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Rechtsprechung aktuell
Deutsch-ungarisches Apotheken-Pick-up: Ja, aber …
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof zur Pflicht zur persönlichen Leitung in eigener Verantwortung
Der Fall der Kooperation der bayerischen mit der ungarischen Apotheke beschäftigt die Gerichte schon seit Jahren. In aller Kürze stellte sich das Modell folgendermaßen dar: Kunden der bayerischen Apotheke konnten über diese Medikamente bei der „Europa-Apotheke“ in Budapest bestellen. Abholen konnten sie die Arzneimittel wiederum in „ihrer“ Apotheke in Freilassing – mitsamt Rechnung aus Ungarn, aber mit Beratung und Prüfung der Arzneimittel in der Apotheke vor Ort. Die Medikamente hatte die Apothekerin selbst über Großhandlungen geordert und an die ungarische Apotheke liefern lassen. Von dort kamen sie dann wieder zurück an die deutschen Kunden, denen für den Bezug über Ungarn Preisvorteile gewährt wurden. Die Apothekerin zog ihren Vorteil daraus, dass sie selbst als Großhändlerin tätig war und von den unterschiedlichen Mehrwertsteuersätzen profitierte. Mittlerweile hat sie die Kooperation eingestellt – doch die Rechtsfragen sind noch immer von grundsätzlicher Relevanz.
Wettbewerbsrechtliches Verfahren bereits abgeschlossen
Es gab zunächst ein zivilrechtliches Verfahren, das im Januar 2012 vor dem Bundesgerichtshof seinen Abschluss fand. Schon in den Vorinstanzen war die Apothekerin wegen des Verstoßes gegen die Preisvorschriften im Zusammenhang mit der Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel zur Unterlassung verurteilt worden. Der BGH hatte aber noch über einen möglichen Verstoß gegen das arzneimittelrechtliche Verbringungsverbot gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 Arzneimittelgesetz (AMG) zu befinden. Einen solchen sahen die Karlsruher Richter als nicht gegeben an – und damit auch keinen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch (siehe DAZ 2012, Nr. 26, S. 24).
Nun war der verwaltungsrechtliche Zweig am Zuge – hier ging es insbesondere um Verstöße gegen das Apothekenrecht. Das Landratsamt hatte der Apothekerin ihr Geschäftsmodell untersagt – der entsprechende Bescheid zählte dabei verschiedene Tätigkeiten auf, die zu unterlassen seien. So wurde ihr untersagt,
- verschreibungspflichtige Arzneimittel entgegen den deutschen Preisvorschriften abzugeben (Nr. 1),
- aus Ungarn bezogene Arzneimittel in ihrer Apotheke mit Rechnung der ungarischen Apotheke abzugeben (Nr. 2),
- verschreibungspflichtige Arzneimittel in ihrer Apotheke mit einem verkaufsabweichenden Betrag zu quittieren (Nr. 3),
- in ihrer Apotheke verschreibungspflichtige Arzneimittel abzugeben, ohne auf der Verschreibung ihren Namen oder den Namen ihrer Apotheke und deren Anschrift anzugeben (Nr. 4).
Der Bescheid wurde überdies für sofort vollziehbar erklärt. Der Apothekerin wurde ein Zwangsgeld für jeden Fall der Zuwiderhandlung angedroht, ebenso wurden ihr die Kosten auferlegt.
Daraufhin zog die Pharmazeutin vor das Verwaltungsgericht München. Sie wehrte sich gegen die Untersagungsverfügungen – mit Ausnahme von Nr. 3, dem Quittierungsverbot. Die Verwaltungsrichter hoben den Bescheid des Landratsamtes aber nur insoweit auf, als dass der Klägerin die Abgabe von Arzneimitteln der ungarischen Apotheke mit Rechnung derselben in Bezug auf nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel untersagt wurde. Im Übrigen wiesen sie die Klage ab. Sowohl die Apothekerin als auch das Landratsamt legten Berufung ein.
VGH bestätigt: Preisvorteil für Kunden nicht zulässig
Der Bayerische VGH ging in dieser zweiten Instanz weiter und hielt diesen vom Verwaltungsgericht teilweise für unzulässig gehaltenen Bestandteil der Untersagungsverfügung für gänzlich rechtswidrig. Darüber hinaus hatte aber auch der VGH keine Einwände gegen die Untersagungsverfügung. So stellen die Richter etwa nicht infrage, dass der den Kunden angebotene Rabatt auf die verschreibungspflichtigen Arzneimittel aus Ungarn unzulässig ist. Dies sei nach dem Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe hinreichend geklärt. Zwar handele es sich hier nicht um einen Versandhandel aus dem Ausland, wie er dieser höchstrichterlichen Entscheidung zugrunde lag. Die Grundsätze der Entscheidung seien für den hier vorliegenden Fall, wo die Abgabe in der deutschen Apotheke erfolge, erst recht gültig.
Kein Verstoß gegen § 7 Apothekengesetz
Vor allem rankt sich das aktuelle Urteil darum, ob die Klägerin die aus Ungarn bezogenen Arzneimittel mit Rechnung der ungarischen Apotheke in ihrer Apotheke abgeben durfte. Das Landratsamt hatte hierin einen Verstoß gegen § 7 Apothekengesetz (ApoG) und § 2 Abs. 2 Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) gesehen – beide Normen befassen sich mit der Pflicht des Apothekeninhabers zur persönlichen Leitung seiner Apotheke in eigener Verantwortung. Diese Verpflichtung, so führt auch der VGH aus, sei für den Beruf des selbstständigen Apothekers typisch. Er zweifelt ihre Berechtigung nicht an. Dennoch: Einen Verstoß gegen dieses Prinzip kann er vorliegend nicht erkennen. Die Abgabe der Arzneimittel in der Apotheke der Klägerin erfolge gerade unter deren pharmazeutischer Verantwortung. Sie berate die Kunden und prüfe die Arzneimittel in verschiedener Hinsicht. Die Klägerin trage auch das wirtschaftliche Risiko. Insbesondere liege keine im Hinblick auf § 7 ApoG für unzulässig gehaltene Aufteilung der Verantwortlichkeit oder deren Verlagerung auf außenstehende Dienstleister vor. Hier verweist der VGH auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zum Apothekenterminal Visavia (DAZ 2010, Nr. 36, S. 58). Die Leipziger Richter hatten es als Verstoß gegen die Pflicht zur persönlichen Apothekenleitung in eigener Verantwortung gesehen, wenn das Apothekenterminal durch Personal eines Gewerblichen Dienstleisters bedient werde. Im gegebenen Fall handelt es sich aus Sicht des VGH jedoch nur um eine Beschaffungsmodalität der abgebenden Apotheke, die deren alleinige Verantwortung unberührt lasse. Im Übrigen seien Anhaltspunkte dafür, dass sich die Klägerin vertraglich an die ungarische Apotheke gebunden hätte, die zur eigenverantwortlichen Führung ihrer Apotheke im Widerspruch stünde, nicht ersichtlich. Ein substantiierter Vortrag hierzu fehlte dem Gericht jedenfalls.
Fraglich könnte aus Sicht des VGH nur sein, ob die Klägerin gegen Dokumentationspflichten des § 12 ApBetrO verstoßen habe. Diese Norm verpflichtet den Apotheker bei der Abgabe von Fertigarzneimitteln nicht nur zur stichprobenartigen Überprüfung der Arzneimittel, sondern auch zur Anfertigung eines Prüfprotokolls. Allerdings sagt der angegriffene Bescheid hierzu nichts – er hält die Abgabe ja schon insgesamt für rechtswidrig. Das Gericht gibt zu bedenken, dass dem Landratsamt eine Auflage, die entsprechenden Dokumentationen für die abgegebenen Arzneimittel zu erstellen und bereitzuhalten, als milderes Mittel gegenüber der kompletten Versagung zur Verfügung gestanden hätte.
Auch gegen das Verbringungsverbot (§ 73 AMG) verstößt die Klägerin dem Urteil zufolge nicht. Hier halten sich die Verwaltungsrichter in ihrer Begründung knapp und verweisen auf die ihrer Ansicht nach zutreffende Rechtsauffassung des BGH. Einen Verstoß gegen das Verbot apothekenfremder Geschäfte in den Betriebsräumen der Apotheke (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a ApBetrO n.F. bzw. § 4 Abs. 5 ApBetrO a.F.) sehen sie ebenfalls nicht vorliegen. Arzneimittel an Endverbraucher abzugeben stelle den Kernbereich der Tätigkeit des Apothekers dar und könne daher gar nicht apothekenfremd sein.
Zuletzt gehen die Richter noch auf eine erst im Juni 2012 – aber auf den vorliegenden Fall dennoch anzuwendende – eingeführte Regelung der Apothekenbetriebsordnung ein: Nach § 17 Abs. 6c Satz 1 ApBetrO dürfen Apotheken nunmehr von anderen Apotheken keine Arzneimittel beziehen. Nach Satz 2 Nr. 6 dieser Norm gilt dieses Verbot unter anderem nicht für Arzneimittel, die gemäß § 52a Abs. 7 AMG „im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs“ von Apotheken bezogen werden. Dieser Fall liege hier vor, so der VGH. Kriterien für die Abgrenzung zwischen apothekenüblicher Abgabe und dem (nicht apothekenüblichen) Großhandel seien vor allem die Art der gehandelten Arzneimittel (z.B. Klinikpackungen im Gegensatz zu üblichen Abgabemengen an Endverbraucher), die jeweiligen Empfänger und der Umfang der Handelstätigkeit. Unerheblich sei hingegen die geografische Distanz. „Insbesondere ist der eigenständige Import von Arzneimitteln zur Abgabe an Endverbraucher für sich kein apothekenüblicher Großhandel“, so das Gericht.
Apothekenname stellt Verantwortlichkeit klar
Was die Nr. 4 des Bescheides betrifft, bestätigte der VGH das Landratsamt und die Vorinstanz wiederum. Die Verpflichtung der Apothekerin, bei der Abgabe von Rx-Arzneimitteln auf dem Rezept ihren Namen und ihre Anschrift anzugeben, lasse sich ebenfalls aus der Grundpflicht des Apothekeninhabers zur persönlichen Leitung der Apotheke in eigener Verantwortung ableiten (§ 7 ApoG). Es stelle eine „Ausformung dieser Pflicht im besonderen Fall der Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel dar“. Würde hier nur die ungarische Apotheke angegeben, ließe dies auf eine geteilte Verantwortung schließen, so das Gericht.
Der Klägerin wurden angesichts ihrer nur teilweise erfolgreichen Berufung zwei Drittel der Verfahrenskosten auferlegt. Ihr Anwalt sieht die Entscheidung dennoch positiv: Der wichtigste Punkt sei in ihrem Sinne geklärt. Man darf nun gespannt sein, ob das Landratsamt das Urteil akzeptiert. Die Revision ist auf jeden Fall möglich. Im Hinblick auf die Fragen der Auslegung von § 7 ApoG und § 17 Abs. 6c ApBetrO in Bezug auf das Geschäftsmodell der Klägerin sieht der VGH grundsätzlichen Klärungsbedarf.
Das Urteil im Volltext finden Sie hier.
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