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Lucentis® darf man auseinzeln
Novartis sieht es gar nicht gern, wenn Apotheken oder Herstellerbetriebe Lucentis® auseinzeln und damit die Kosten für die Krankenkassen senken. Gegen einen Apotheker hat das Unternehmen bereits im Februar 2011 ein Urteil zu seinen Gunsten erwirkt: Das Hanseatische Oberlandesgericht (OLG) entschied, dass dieser einer zentraler Zulassung bedürfe, wenn er Fertigspritzen aus einem unter Verwendung biotechnologischer Verfahren hergestellten und zentral zugelassenen Präparat abfülle. Denn dann stelle er diese Arzneimittel her. Die im nationalen Recht vorgesehenen Einschränkungen der Zulassungspflicht für Rezepturarzneimittel seien auf ein solches Arzneimittel wegen des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts nicht anwendbar, heißt es in dem mittlerweile rechtskräftigen Urteil.
Der Rechtsstreit gegen den auf Rezepturarzneimittel spezialisierten Herstellerbetrieb Apozyt vor dem Landgericht Hamburg landete indessen vor dem EuGH. Apozyt entnimmt – unter sterilen Bedingungen – den Inhalt aus der Original-Durchstechflasche und macht hieraus mehrere sterile Spritzen, die dann zur Injektion durch einen Arzt ausgeliefert werden. Auch Apozyt besitzt keine eigene Zulassung für diese ausgeeinzelten Lucentis® -Dosen. Das Landgericht Hamburg sollte nun feststellen, ob dieses Vorgehen unlauter im Sinne des Wettbewerbsrechts ist. Das wäre es, wenn das Befüllen der Fertigspritzen durch Apozyt unter die Zulassungspflicht nach Art. 3 der Verordnung Nr. 726/2004 fallen würde. Das Gericht hatte die Entscheidung des Hanseatischen OLG im Hinterkopf und tendierte zu einer entsprechenden Entscheidung. Da diese Frage für den Pharmabereich jedoch von einiger Bedeutung sei, legte das Gericht die Frage, wie weit hier der Herstellungsbegriff auszulegen sei, dem EuGH zur Vorabentscheidung vor.
Nach dem letzte Woche ergangenen Urteil ist das Umfüllen eines Medikaments in eine kleinere Verabreichungsform nicht gesondert zulassungspflichtig, soweit das betreffende Mittel damit nicht verändert wird und dies nur auf Grundlage individueller Rezepte mit entsprechenden Verschreibungen geschieht. Ob das der Fall ist, hat allerdings das vorlegende Gericht – also das Landgericht Hamburg – zu prüfen. In seinem Urteil weist der EuGH darauf hin, dass das Landgericht offenbar davon ausgehe, dass die zusätzlich geforderten Bedingungen erfüllt sind.
Bedenken bei Novartis ...
Für Novartis hinterlässt das Urteil des EuGH Fragen hinsichtlich der Bedingungen, unter welchen ein zugelassenes Arzneimittel wie Ranibizumab ausgeeinzelt und in Verkehr gebracht werden darf. Das Unternehmen verweist auf die Patientensicherheit: In den zugelassenen Original-Durchstechflaschen sei aus Sicherheitsgründen mehr Wirkstofflösung enthalten als pro Behandlung erforderlich ist. Die Menge sei von den Zulassungsbehörden speziell untersucht und genehmigt worden, um sicherzustellen, dass die empfohlene Dosis jedes Mal unter Wahrung der Sterilität entnommen werden könne. Nun hofft der Konzern, dass das Landgericht diese Argumente bei seiner Entscheidungsfindung berücksichtigen wird.
... und bei Juristen
Und auch aus juristischer Sicht gibt es Bedenken: So bewertet Rechtsanwalt Cord Willhöft die EuGH-Entscheidung für pharmazeutische Unternehmen als "nicht unproblematisch". Zwar werde für Apotheken grundsätzlich weiterhin die Möglichkeit erhalten, patientenindividuelle Verblisterung selber oder durch externe Verblisterungsunternehmen zulassungsfrei vorzunehmen. Allerdings erlaube der EuGH damit auch ausdrücklich eine Abweichung von der Zulassung, was zu einer Entmachtung der behördlich bestätigten Sicherheit des Arzneimittels führen könne. "Es liegt in der Natur der Sache, dass beim späteren Abfüllen eines industriell gefertigten Arzneimittels qualitative Defizite durch beispielsweise Verunreinigungen auftreten können", erklärte er gegenüber der DAZ. Dies sei insbesondere vor dem Hintergrund der rechtlich nicht eindeutigen Haftungslage bei patientenindividuellen Neuverblisterungen als kritisch anzusehen.
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