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Gesundheitspolitik
Auseinzelung von Lucentis®: Erlaubt oder nicht?
Nach dem am 24. Februar 2011 ergangenen Urteil des 3. Zivilsenat des OLG Hamburg (Az. 3 U 12/09) unterliegen die vom beklagten Apotheker hergestellten Fertigspritzen, für die er über keine arzneimittelrechtliche Zulassung verfügt, der Zulassungspflicht nach Art. 3 Abs. 1 Verordnung (EG) 726/2004. Danach darf ein unter den Anhang dieser Verordnung fallendes Arzneimittel innerhalb der Gemeinschaft nur in den Verkehr gebracht werden, wenn eine EU-Zulassung gemäß dieser Verordnung erteilt worden ist. Zu diesen zentral zu genehmigenden Arzneimitteln zählen unter anderem solche, die mithilfe der Biotechnologie der rekombinierten DNS bzw. mithilfe von Verfahren auf der Basis von Hybridomen und monoklonalen Antikörpern hergestellt werden. Lucentis® , dessen Wirkstoff Ranibizumab das Fragment eines humanisierten monoklonalen Antikörpers ist, das mithilfe rekombinanter DNA-Technologie in Escherichia coli hergestellt wurde, unterfällt dem Gericht zufolge dem Anwendungsbereich der Verordnung. Zudem verfügt es über eine nach Maßgabe dieser Verordnung erteilte zentrale Zulassung.
Eine Entscheidung darüber, ob die hergestellten Fertigspritzen Rezeptur- oder Fertigarzneimittel darstellen, ist dem Urteil zufolge nicht nötig. Arzneimittel im Sinne der VO (EG) 726/2004 seien auch Rezepturarzneimittel. Einschränkungen der Zulassungspflicht – etwa entsprechend der Regelung des § 21 Abs. 2 AMG – enthalte die Verordnung nicht.
Das OLG Hamburg hat darüber hinaus kein Problem, das Abfüllen der Fertigspritzen aus den Lucentis® -Durchstechflaschen als Herstellung im Sinne der Nr. 1 des Anhangs der EG-Verordnung zu sehen – auch wenn keines der dort genannten Verfahren zur Anwendung komme. Die mit dem zentralisierten Verfahren beabsichtigte Wahrung der Qualität technologisch hochwertiger Arzneimittel erfordere hier ein weites Verständnis des Herstellungsbegriffs, argumentiert das Gericht. Nach dem in den Erwägungsgründen zum Ausdruck kommenden Schutzzweck der Verordnung sei ein Arzneimittel im Sinne des Anhangs der VO (EG) 726/2004 bereits dann als "mithilfe eines der folgenden biotechnologischen Verfahren hergestellt" zu beurteilen, wenn es einen auf diese Weise hergestellten Wirkstoff enthält. Als Herstellung im Sinne der Verordnung sei nicht ausschließlich der biotechnologische Herstellungsschritt selbst zu erachten, sondern auch weitere, für die Wirksamkeit und Sicherheit des Präparats ebenfalls bedeutsame Verarbeitungsschritte.
Das von einem Apotheker vorgenommene Abfüllen von Lucentis-Fertigspritzen als einem zentral zugelassenen Präparat unterliegt dem Urteil zufolge als "Herstellung" eines Arzneimittels im Sinne der VO 726/2004 ebenfalls dem Erfordernis zentraler Zulassung. Die im nationalen Recht (hier: § 21 Abs. 2 AMG) vorgesehenen Einschränkungen der Zulassungspflicht für Rezepturarzneimittel seien auf ein solches Arzneimittel wegen des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts nicht anwendbar. Mit dem Verstoß gegen die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben sah das OLG auch einen wettbewerblichen Unterlassungsanspruch gegeben.
Anderer Ansicht: Das OLG München
Im vergangenen Frühjahr hatte das OLG München dagegen anders argumentiert (Urteil vom 6. Mai 2010, Az: 29 U 4316/09). Hier hatten zwei Versandapotheker miteinander gestritten. Dem Kläger missfiel, dass sein Konkurrent für Patienten durch Teilung anwendungsfertige Lucentis® -Fertigspritzen herstellte. Denn eine Krankenkasse hatte ihre an AMD erkrankten Versicherten darauf hingewiesen, dass sie nur bereit sei, den Preis von brutto 682 Euro zu ersetzen, den der Beklagte für eine Fertigspritze verlangte. Der Kläger selbst sah sich aber nur in der Lage das Originalpräparat zu einem Apothekenabgabepreis von über 1523 Euro für 0,3 ml bzw. seit der Reduzierung der Füllmenge auf 0,23 ml für 1296,22 Euro zu verkaufen. Dadurch entstehe ihm ein Wettbewerbsnachteil. Der Kläger sah den Wettbewerbsverstoß darin begründet, dass der Beklagte nicht über eine Zulassung für die Herstellung von einem derartigen Fertigarzneimittel nach § 21 Abs. 1 AMG verfüge. Es handle sich bei der Auseinzelung in Fertigspritzen insbesondere nicht um die zulassungsfreie Herstellung eines Rezepturarzneimittels. Das OLG München folgte dem Klägervortrag nicht. § 21 Abs. 1 AMG sehe zwar vor, dass Fertigarzneimittel zulassungspflichtig sind. Lucentis® ist unstreitig ein Fertigarzneimittel, das über eine Zulassung verfügt. Bei den durch den Beklagten ausgeeinzelten Fertigspritzen, handele es sich dagegen nicht um ein Fertigarzneimittel im Sinne von § 4 Abs. 1 AMG, sondern um ein Rezepturarzneimittel, das der Beklagte herstellen dürfe. Insbesondere würden diese Rezepturarzneimittel für den Einzelfall hergestellt, es komme überdies bei deren Zubereitung kein industrielles Herstellungsverfahren zur Anwendung und sie würden auch nicht gewerblich hergestellt. Das Gesetz sieht unter letzterem Gesichtspunkt eine Privilegierung der Apotheker gegenüber dem pharmazeutischen Unternehmer vor. Auch das Vorliegen einer Herstellungserlaubnis nach § 13 Abs. 1 AMG – wie sie der Beklagte im vorliegenden Fall vorweisen konnte – mache die Herstellung nicht grundsätzlich zu einer industriellen und nehme der Apotheke diese Privilegierung damit nicht.
Angesichts der unterschiedlichen Argumentation der beiden Oberlandesgerichte wird erst die Revision Klarheit bringen, was Apotheken im Umgang mit Lucentis erlaubt ist und was nicht. Der Bundesverband Deutscher Ophthalmo Chirurgen (BDOC) sieht den Schlussstrich für das Auseinzeln zumindest noch nicht gezogen. Das Urteil des Hanseatischen OLG gelte nur zwischen den beiden Parteien des Rechtsstreits, betonte der Verband. Es handele sich weder um ein Grundsatzurteil – wie von Novartis behauptet – , "noch entfaltet es Wirkung für Ärzte, andere Apotheken oder gar andere Medikamente".
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