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Schwere Fälle

Wie berate ich meine Kunden beim Abnehmen?

Dorothee Gänshirt | Wie können wir unsere Kunden am besten unterstützen, wenn es darum geht, Gesundheitsverhalten zu ändern, z. B. abzunehmen? Wir wissen aus Erfahrung, dass das simple Aussprechen einer Empfehlung bei komplexen Verhaltensänderungen nur selten zum Erfolg führt. Wenn Patienten sich nicht gerade unmittelbar durch eine tödliche Erkrankung bedroht sehen, ist die Bereitschaft zur Veränderung in der Regel gering. Vielmehr fühlen sich Menschen mit Übergewicht oder Adipositas oft noch relativ fit und sehen somit ihre Gesundheit nicht unmittelbar bedroht. Erkrankungen, die in fernerer Zukunft auftreten könnten, sind für viele Menschen kein ausreichender Grund, Verhalten zu ändern. Deshalb kann in diesem Fall die Aussicht schlanker, attraktiver und beweglicher zu werden eine sehr viel bessere Motivation zum Abnehmen sein.

Grundsätzlich unterscheiden sich Menschen sehr stark, wenn es um ihre Bereitschaft zur Veränderung geht. Wir wissen, dass Verhaltensänderungen wie Abnehmen nicht von heute auf morgen stattfinden. Man muss eine solche Veränderung vielmehr als einen langen Prozess verstehen, in dem die Bereitschaft zum Handeln nach und nach zunimmt. So gibt es Menschen, die keinerlei Überlegungen anstellen abzunehmen, weil sie keinen Vorteil für sich erkennen können. Andere, die bereits einen Schritt weiter sind, denken gelegentlich darüber nach, abzunehmen, sind aber noch nicht so weit, dass sie sich entschieden haben, zu handeln. Am aktivsten sind die Menschen, die sich entschlossen haben abzunehmen, einen Weg suchen dies umzusetzen oder sich sogar bereits einen Plan gemacht haben. Sie haben es also bei der Beratung zum Abnehmen mit ganz verschiedenen Menschen zu tun und Sie müssen sich in der Beratung darauf einstellen.

Erfolg setzt Bereitschaft und Vertrauen voraus

Neben der Bereitschaft zur Veränderung gibt es ein weiteres entscheidendes Erfolgskriterium: das Vertrauen darin, dass man die Veränderung auch schaffen kann. Beide – die Bereitschaft und das Vertrauen – spielen eine wichtige Rolle für den Erfolg. So gibt es z. B. Menschen, die wissen, dass Abnehmen für sie nicht schwierig ist, weil sie es bereits ein paar Mal geschafft haben; sie sehen allerdings keinen Benefit darin, schlank zu sein und setzten es aus diesem Grund nicht um. Andere wiederum haben zwar eine sehr hohe Bereitschaft abzunehmen, sind aber durch zahlreiche gescheiterte Diäten so verunsichert, dass sie sich nicht zutrauen, Erfolg zu haben.

Bevor wir darauf eingehen, wie Sie Ihre Patienten in diesen Phasen konkret unterstützen können, soll hier noch das Thema patientenzentrierte Kommunikation angesprochen werden. Denn hierin liegt ein Schlüssel zum Erfolg, wenn es um Beratung zur Verhaltensänderung geht. Was ist damit gemeint?

Patientenzentriert heißt zuhören und nachfragen

Ein patientenzentriertes Gespräch beinhaltet sehr viel mehr als nur nett zu sein und den Patienten ernst zu nehmen. Eine entscheidende Grundlage für diese Art der Kommunikation ist, dass Sie die Autonomie der Patienten und ihre Freiheit, Verhalten zu ändern oder beizubehalten, respektieren. Das klingt leichter als es ist, denn Gesundheitsdienstleister sind es gewohnt, Patienten Entscheidungen abzunehmen und ihnen gute Ratschläge zu erteilen. Häufig geschieht dies auf sehr direktive Weise und ohne auch nur im Ansatz zu berücksichtigen, dass jeder Mensch seinen eigenen sozialen, kulturellen und persönlichen Hintergrund hat. Wir können und dürfen jedoch nicht beurteilen, was für andere im Augenblick wichtig und richtig ist. Gerade wenn es um so komplexe Prozesse wie Verhaltensänderungen geht, ist es der Patient selbst, der entscheidet, ob und wann er zu einer Veränderung bereit ist und wie er diese umsetzen möchte. Sie können dazu jedoch einen sehr wichtigen Beitrag leisten, indem Sie Ihre Patienten in jeder Phase unterstützen, wenn diese danach fragen.

In einem patientenzentrierten Gespräch ist es gefragt, sorgfältig zuzuhören und sich durch Rückfragen zu vergewissern, dass man das Gesagte richtig verstanden hat. Diese Technik des aktiven Zuhörens ist entscheidend, wenn Sie erfahren möchten, was Patienten im Augenblick wirklich möchten, wo persönliche Hindernisse liegen und wie Sie ihnen eventuell weiterhelfen können. Eine der wichtigsten Komponenten des patientenzentrierten Gespräches ist also das Zuhören. Wenige Menschen sind von Natur aus gute Zuhörer. Die meisten müssen sich diese Eigenschaft notgedrungen angewöhnen. Machen Sie einmal einen ersten Schritt, indem Sie sich vornehmen, anders zu kommunizieren als bisher; machen Sie sich bewusst, wie Sie mit den Patienten reden und hören Sie ihnen sorgfältig zu. Ein wichtiger Indikator dafür, dass Sie es richtig machen, ist, dass die Patienten sehr viel mehr sprechen als Sie selbst. Mit der Zeit bekommen Sie ein Gefühl dafür, wie Sie sich im Gespräch mehr in den Hintergrund stellen und Ihren Patienten dabei helfen, ihren Weg zu Veränderung selbst zu suchen und zu finden. Eine derartige Gesprächsführung ist notwendig, wenn es um die Hilfe zu Veränderungen im Gesundheitsverhalten geht.

Ein kurzes Beispiel kann Ihnen den Unterschied zwischen einem weniger optimalen und einem patientenzentrierten Gespräch aufzeigen:


Gespräch 1


Patientin: "Ihre Kollegin hat mir in der letzten Woche diese Suppen zum Abnehmen verkauft und ich komme überhaupt nicht damit zurecht. Ich habe es nicht einmal geschafft eine Mahlzeit dadurch zu ersetzen. Ich bin total frustriert."

Apotheker: "Haben Sie es einmal mit den Drinks versucht? Probieren Sie mal den Vanilledrink. Ich selbst finde die viel besser."

Patientin: "Ich weiß nicht ..."

Apotheker: "Also wir haben hier gute Erfahrungen gemacht, die Drinks machen auch satter als die Suppen. Versuchen Sie es doch einmal!"

Patientin: "Wenn Sie meinen ..."


Gespräch 2


Patientin: "Ihre Kollegin hat mir in der letzten Woche diese Suppen zum Abnehmen verkauft und ich komme überhaupt nicht damit zurecht. Ich habe es nicht einmal geschafft eine Mahlzeit dadurch zu ersetzen. Ich bin total frustriert."

Apotheker: "Sie hören sich ja sehr niedergeschlagen an. Was genau ist denn passiert?"

Patientin: "Ihre Kollegin hat mir geraten die Abendmahlzeiten durch eine Suppe zu ersetzen aber ich habe es nicht hingekriegt."

Apotheker: "Können Sie sagen, woran das gelegen hat?"

Patientin: "Ja, wir essen immer abends mit der ganzen Familie zusammen und das ist unser einziges gemeinsames Essen am Tag. Es fällt mir sehr schwer, dann nur bei einer Suppe dabeizusitzen."

Apotheker: "Das verstehe ich. Wie wäre es, wenn Sie stattdessen das Mittagessen durch eine Suppe ersetzen? Können Sie sich vorstellen, dass das für Sie funktioniert?"

Patientin: "Ja das wäre gar kein Problem für mich. Ich dachte, es müsse das Abendessen sein."

Apotheker: "Nein, wichtig ist, wie viele Kalorien Sie insgesamt am Tag essen – also das Mittagessen zu ersetzen ist genauso gut."

Patientin: "Wunderbar das probiere ich gerne. Vielen Dank. Und können Sie mir noch einmal eine Packung mit den Suppen mitgeben?"


Sie sehen, das zweite Gespräch war nur unwesentlich länger als das erste, aber die Kundin verlässt zufrieden Ihre Apotheke und Sie haben ihr wirklich weitergeholfen.

Daher erstaunt es auch nicht, dass man nachgewiesen hat, dass patientenzentrierte Gespräche die Compliance bei allen gesundheitsbezogenen Verhaltensweisen signifikant erhöhen und im besonderen Maße das Vertrauen und die Zufriedenheit der Patienten fördern. Es lohnt sich somit, auf diese Weise zu kommunizieren. Es ist ein sicherer Weg zu einer besseren Gesundheit, mehr Kundenzufriedenheit und Kundenbindung.

Fingerspitzengefühl ist wichtig

Kommen wir nun zu Ihren konkreten Beratungsgesprächen über das Abnehmen.

Wenn es um den Einstieg in ein Gespräch über das Abnehmen geht, Sie aber nicht wissen, ob ein Patient überhaupt schon darüber nachgedacht hat, sollten Sie vorsichtig und respektvoll beginnen, etwa mit:

"Bei der Kontrolle ihres Diabetes haben viele Patienten gute Erfahrungen damit gemacht, indem sie ein paar Kilo abgenommen haben. Wie geht es Ihnen bei dieser Idee?"

Wenn der Patient jetzt kategorisch ablehnt, dann bohren Sie auf keinen Fall nach und drängen Sie nicht. Dadurch können Sie den Widerstand nur verstärken und Sie erreichen das Gegenteil von dem, was Sie beabsichtigen. Der Patient wird in diesem Fall auch einen inneren Widerstand gegen Sie persönlich entwickeln und die Chance, dass er Sie in Zukunft noch einmal anspricht – selbst wenn er bereit ist abzunehmen – sinkt.

Wenn eine andere Patientin allerdings zögert und sagt:

"Ja ich habe auch schon mal darüber nachgedacht", dann können Sie das Gespräch vorsichtig fortsetzen z. B. indem Sie fragen:

"Wenn ich Sie richtig verstehe, dann haben Sie das Gefühl, dass es Ihrer Gesundheit nützen könnte, wenn Sie ein paar Kilo verlieren?"

Gerade bei Menschen, die sich ganz am Anfang des Prozesses einer Veränderung befinden – also solche, die sich noch nicht entschlossen haben abzunehmen – ist es ganz wichtig, dass Sie in dem Gespräch nicht den Widerstand erhöhen. Lassen Sie immer erkennen, dass Patienten selbst entscheiden können, wie sie vorgehen:

"Wir wissen, dass bei Menschen mit Diabetes ..., aber es ist Ihre Entscheidung, ob Sie etwas verändern möchten oder nicht."

In Fällen, in denen Patienten erkennen lassen, dass sie gar nicht bereit sind, darüber nachzudenken, können Sie eine Unterhaltung wie folgt beenden:

"Wenn Sie sich zu einer Veränderung entscheiden, denken Sie daran, ich bin hier und helfe Ihnen gerne, wenn Sie möchten."

Patientengruppen erkennen

Wie können Sie herausfinden, zu welcher Gruppe Patienten gehören, die Sie auf das Abnehmen ansprechen? Hier können Sie ganz direkt fragen, wie wichtig das Abnehmen ist:

"Auf einer Skala von 1 bis 10, wobei 1 ganz unwichtig und 10 sehr wichtig ist – wie wichtig ist es Ihnen abzunehmen?"

Anhand dieser Frage können Sie bereits eine Menge erfahren. Patienten, die eine nur eine geringe Bereitschaft haben abzunehmen– also z. B. 3 bis 4, sind nicht bereit, unmittelbar Maßnahmen zu ergreifen. Hier sollten Sie keine Ratschläge erteilen, wie diese Menschen abnehmen könnten und sie in keinerlei Weise drängen, mehr Bereitschaft zu entwickeln. Jede Art von Druck wird den Widerstand der Patienten nur noch erhöhen. Was Sie aber tun können, ist zu fragen:

"Was müsste passieren, damit aus der 3 bis 4 eine 6 bis 7 wird?"

Patienten, die eine sehr hohe Bereitschaft angeben abzunehmen (7 oder höher), haben eine realistische Chance auf Erfolg. Diese Patienten stehen in der Regel kurz vor einer Veränderung und Sie können sie ganz konkret beraten. Fragen Sie aber unbedingt vorher nach dem Selbstvertrauen.

"Wie hoch schätzen Sie die Wahrscheinlichkeit ein, dass Sie es schaffen könnten – auf einer Skala von 1 bis 10?"

Wenn hier die Angaben sehr gering sind – also etwa 3, dann sollten Sie hier ansetzen und fragen:

"Warum 3 und nicht 1 oder 2? Heißt das, Sie waren früher schon einmal mit einer Methode erfolgreich? Welche war das?"

Heben Sie also das Positive heraus und betonen Sie nicht die Misserfolge.

Wenn die Antwort ist:

"Solange ich zu Hause bin, kann ich mich leicht an meinen Diätplan halten, aber zusammen mit Freundinnen lasse ich mich leicht beeinflussen und sie unterstützen mich darin überhaupt nicht."

Fragen Sie dann z. B.:

"Was müsste Ihrer Meinung nach passieren, damit Sie dieses Mal Erfolg haben?"

und die Patientin antwortet:

"Ich muss mich am Anfang von meinen sogenannten Freundinnen unbedingt fernhalten, bis ich meinen Rhythmus neu gefunden habe und stark genug bin, zu widerstehen".

Auf das Wie kommt es an

Ein anderer Aspekt bei der Beratung zum Abnehmen betrifft das Wie. Es gibt zahlreiche erfolgreiche Strategien, um Gewicht zu verlieren: Weniger Fett essen, weniger gezuckerte Getränke trinken, weniger Kohlenhydrate essen, allgemeine Kalorienreduktion, Mahlzeiten ausfallen lassen, zusätzlich Gemüse und Obst essen, ungesunde durch gesunde Lebensmittel ersetzen, Ersatz von Mahlzeiten durch Formulaprodukte, mehr Bewegung usw.

Gewohnheiten und Vorlieben beim Essen sind sehr verschieden; sie sind sozial und kulturell geprägt und werden u. a. durch unsere Gene und unsere Psyche beeinflusst. Gerade das Aufrechterhalten des Gewichtes nach einer Abnahme ist am schwierigsten. Und hier zeigt sich wie wichtig es ist, dass Menschen während der Zeit des Abnehmens ihren eigenen individuellen Weg finden, ihr Essverhalten so zu ändern, dass sie weiterhin schlank bleiben ABER mit der Veränderung gut leben können – also zufrieden sind.

Hier gilt es, bei der Beratung herauszufinden, welcher Weg im individuellen Fall am besten geeignet ist. Wenn Sie etwas empfehlen möchten, sagen Sie nie:

"Ich finde am besten XX und würde Ihnen dazu raten."

Besser ist:

"Vielen Menschen hilft beim Abnehmen XX, wie sehen Sie das für sich? Kommt das für Sie infrage?"

Fragen Sie sich vorsichtig weiter vor und lassen Sie die Patienten selbst entscheiden, auf welche Weise sie vorgehen wollen. Ein hilfreicher Vorschlag kann auch sein, eine Zeit lang ein Ernährungstagebuch zu führen. Patienten führen sich auf diese Weise vor Augen, was sie tatsächlich essen oder trinken. Zum anderen können sie anhand der Aufzeichnungen individuell entscheiden, worauf sie in Zukunft verzichten möchten und was sie beibehalten wollen.

Zum Schluss noch einen Rat: wenn Sie im Verlauf eines Beratungsgespräches merken sollten, dass Patienten sich zurückziehen und der Widerstand gegen die Veränderung wächst, dann kann das daran liegen, dass Sie zu sehr gedrängt haben. Sie haben wahrscheinlich die tatsächliche Bereitschaft des Patienten höher eingeschätzt als sie war. Das passiert sehr häufig und Sie sollten davor auf der Hut sein. Lernen Sie zu erspüren, ob Sie noch auf dem richtigen Pfad sind. Mit zunehmender Übung werden Sie mehr und mehr Sicherheit bei dieser Art der Beratung gewinnen und Ihre Kunden werden es Ihnen danken.

Wenn Sie sich intensiver über die Gesundheitsberatung von Patienten informieren möchten, können Sie auf dem Portal der Europäischen Stiftung für Gesundheit unter www.euhcf.org mehr über unsere Ausbildungen erfahren.

Autorin

Prof. Dr. Dorothee Gänshirt

Präsidentin der Europäischen Stiftung für Gesundheit (European Health Care Foundation), Alpenstraße 9, CH-6300 Zug, E-Mail: dgaenshirt@euhcf.orgProfessorin für Gesundheitskommunikation, Sigmund Freud Universität. Wien, Österreich

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