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BMG: Erstattungsbetrag ist Basis für Apothekenzuschlag

Ministerium will Unklarheiten beseitigen und stellt sich dabei gegen den Gesetzgeber

BERLIN (ks). Erstattungsbetrag sticht Listenpreis: Die zwischen GKV-Spitzenverband und Arzneimittelherstellern ausgehandelten Erstattungsbeträge für Arzneimittel, die die frühe Nutzenbewertung durchlaufen haben, sollen Grundlage für die Berechnung der Handelszuschläge der Apotheken und der pharmazeutischen Großhändler sein. Diese Auffassung vertritt der Ministerialdirektor im Bundesgesundheitsministerium (BMG), Dr. Ulrich Orlowski, in einem Schreiben an den GKV-Spitzenverband. Ebenso sei der Erstattungsbetrag Basis für die Mehrwertsteuer.
Erstattungsbetrag sticht Listenpreis Grundlage für die Berechnung der Handelszuschläge der Apotheken und des Pharmagroßhandels sollen für Arzneimittel, die die frühe Nutzenbewertung durchlaufen haben, die zwischen GKV-Spitzenverband und Herstellern ausgehandelten Erstattungsbeträge sein. Foto: Imago

Bei der Industrie, aber auch bei Apothekern und Großhandel, ging man stets davon aus, dass der Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers (ApU) die Grundlage für weitere Zuschläge ist. Als Herstellerverbände und GKV-Spitzenverband ihre Rahmenvereinbarung zu den Erstattungsbeträgen fassten, zweifelte man ebenfalls nicht daran. Im Gesetz heißt es schließlich: „Der Erstattungsbetrag wird als Rabatt auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers vereinbart“ (§ 130b Abs. 1 Satz 2 SGB V). Auch in der Begründung des Gesetzentwurfes hieß es deutlich, dass der Listenpreis unverändert bleiben solle. Daraus schlossen auch alle Verbände, dass der Listenpreis bzw. ApU als solcher bestehen bleibt und der Erstattungsbetrag als Rabatt auf diesen zu verstehen ist.

Nachdem der erste Erstattungsbetrag für ein Arzneimittel, das die frühe Nutzenbewertung durchlaufen hat, ausgehandelt war, tauchten jedoch Probleme auf. Zunächst bei der Berechnung der Mehrwertsteuer, dann auch bei den Zuschlägen der Handelsstufen. Nun wurde ins Spiel gebracht, dass der Erstattungsbetrag – quasi als neuer ApU – Basis für deren Berechnung sein sollte. Die Umsetzung des ersten Erstattungsbetrags – betroffen ist Ticagrelor (Brilique®) – wurde daraufhin ausgesetzt. Der GKV-Spitzenverband wandte sich zur Klärung der Frage an das Ministerium.

Erstattungsbetrag ist kein Rabatt

Orlowski führt in seiner jetzt erfolgten Antwort zunächst aus, dass der Erstattungsbetrag keinesfalls lediglich als Rabatt zu verstehen sei. Er sei vielmehr der Betrag, den der GKV-Spitzenverband mit dem pharmazeutischen Hersteller vereinbart habe und zu dem das Präparat zulasten der GKV abgegeben werde. Für Arzneimittel, für die ein solcher Erstattungsbetrag vereinbart ist, gelte dieser einheitlich und unabhängig von der Person, an die das Arzneimittel abgegeben wird, so Orlowski. Er sei daher der maßgebliche Abgabepreis, der für die Ermittlung der Handelszuschläge nach der Arzneimittelpreisverordnung für Großhändler und Apotheken heranzuziehen sei. Dies gelte auch für die gesetzlichen Herstellerabschläge, soweit diese nicht abgelöst würden.

Dementsprechend seien die Erstattungsbeträge auch die Berechnungsbasis für die Zuzahlung von Versicherten. Denn nach § 61 Satz 1 SGB V i. V. m. § 31 Abs. 3 Satz 1 SGB V leisteten Versicherte die Zuzahlung auf den „Abgabepreis“ für das Arzneimittel, jedoch nicht mehr als die Kosten des Mittels.

Nicht zuletzt werde auch die Mehrwertsteuer bereits ab der Großhandels-Stufe auf Basis des Erstattungsbetrags berechnet. Die Mehrwertsteuer sei nach dem Entgelt zu berechnen, das tatsächlich bei Rechnungslegung vereinbart wurde – und dies sei der Erstattungsbetrag.

Was für die GKV gilt, gilt auch für die PKV

Abschließend konstatiert Orlowski, er gehe davon aus, „dass aufgrund dieser Klarstellung die Vorgaben für die Programmierung und die Rechnungstellung zwischen den Handelsstufen zeitnah konkretisiert und ausgeführt werden können“. Er weist dabei ergänzend auf die Möglichkeit der Fehlerkorrektur (§ 131 Abs. 4 Satz 5 ff. SGB V) hin. Zudem bittet er um einen mit allen Beteiligten abgestimmten Bericht über die weitere Umsetzung bis zum 15. November 2012. Auch wenn der Ministerialrat dies in seinem Schreiben nicht erwähnt: Was für die GKV-Preise gilt, gilt auch für die PKV. Sie sollte nach dem Willen des Gesetzgebers vom Erstattungsbetrag ebenso profitieren wie die GKV. Dies gilt ebenfalls für Selbstzahler.

ABDA: andere Rechtsauffassung

Die Apotheken bekommen die Auswirkungen der frühen Nutzenbewertung damit unmittelbar zu spüren: Für die Berechnung ihres prozentualen Festzuschlages ist nicht etwa der Listenpreis, sondern der geringere Erstattungsbetrag maßgeblich. Seitens der ABDA hieß es zu Wochenbeginn, das Schreiben des BMG werde geprüft. Allerdings habe man eine andere Rechtsauffassung. „Es bestand schließlich nie die Absicht des Gesetzgebers, die Apotheken durch die frühe Nutzenbewertung zu belasten“, erinnert man bei der ABDA.

Hersteller: Widerspruch zum gesetzgeberischen Willen

Der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) gibt sich mit der Antwort aus dem BMG ebenfalls nicht zufrieden: Diese Auslegung widerspreche klar dem Wortlaut des § 130b Abs. 1 Satz 2 SGB V und dem gesetzgeberischen Willen. Sie habe überdies „gravierende Auswirkungen“ für die Arzneimittelhersteller in Deutschland. Denn es manifestiere sich die Befürchtung, dass nun „nicht nur faktisch, sondern tatsächlich ein reduzierter Listenpreis eingeführt wird, auf den dann erst recht aus dem Ausland referenziert werden kann“. Deshalb hatten die Herstellerverbände im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zur „16. AMG-Novelle“ die vertrauliche Abwicklung des Erstattungsbetrages gefordert. Dazu hatte sich die Politik allerdings nicht durchringen können. Nun werden sich die Herstellerverbände abermals besprechen, wie sie weiter vorgehen sollten.

Das Bundesgesundheitsministerium, das sollte man nicht vergessen, ist ein Organ der Exekutive. Die Auslegung von Gesetzen ist hierzulande noch immer Aufgabe der Rechtsprechung.


Zum Weiterlesen


„Der Erstattungsbetrag – ein Trauerspiel“

von Prof. Dr. Hilko Meyer

DAZ 2012, Nr. 31, S. 64 ff



DAZ 2012, Nr. 34, S. 26

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