Recht

Der Erstattungsbetrag – ein Trauerspiel

Warum die Vertragspartner gefordert sind und nicht das BMG

Ein Meinungsbeitrag von Prof. Dr. Hilko Meyer, Frankfurt | Der Gemeinsame Bundesausschuss und der GKV-Spitzenverband hatten alles so geschickt eingefädelt: Nach dem Motto „Seht alle her, es tut überhaupt nicht weh!“ wurde Ticagrelor (Brilique®), der erste freiwillige Kandidat für die frühe Nutzenbewertung und den Erstattungsbetrag, demonstrativ mit Samthandschuhen angefasst. Doch jetzt ist das Pilotverfahren ins Stocken geraten, weil die mit der Industrie getroffenen Vereinbarungen für die Handelsstufen nicht umsetzbar sind. Dahinter könnte mehr stecken, als ein technisches Problem.

Durch das „Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der gesetzlichen Krankenversicherung“ (Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz - AMNOG) vom 22. Dezember 2010 [BGBl. I 2262 ] hat es der deutsche Gesetzgeber geschafft, der Vielzahl bereits bestehender Preis- und Erstattungsregelungen für verschreibungspflichtige Arzneimittel eine weitere abweichende Variante hinzuzufügen, die – entgegen dem Namen des Gesetzes – erstmals auch für die private Krankenversicherung und andere Kostenträger gilt. Obwohl das Gesetz bereits am 1. Januar 2011 in Kraft getreten ist, wurde die Zeit bis heute offenbar nicht genutzt, Klarheit über die Umsetzung des Erstattungsbetrags herzustellen. Deshalb wurde für alle Beteiligten offenbar die Zeit knapp, als der GKV-Spitzenverband und das betreffende pharmazeutische Unternehmen nach fünf Verhandlungsrunden am 31. Mai 2012 die erste Einigung über einen Erstattungsbetrag bekannt gab [Pressemitteilung, 31. Mai 2012]. Bereits am 15. Dezember 2011 hatte der Gemeinsame Bundesausschuss dem Arzneimittel einen beträchtlichen Zusatznutzen bei einer bestimmten Indikation attestiert [BAnz. v. 19. Januar 2012, S. 254].

Ungeklärte Rechtsfragen oder Umsetzungsdefizit?

Bis zur Klärung der offenen Umsetzungsfragen soll nun einstweilen die rückwirkend zum 1. Januar 2012 vereinbarte direkte Abrechnung des Rabatts weitergeführt werden. Nach einem Gespräch mit den Verbänden der pharmazeutischen Unternehmen, des Großhandels, der Apotheken und der privaten Krankenkassen zur abrechnungstechnischen Umsetzung des Erstattungsbetrags begründete der GKV-Spitzenverband in einem Schreiben an das Bundesministerium für Gesundheit diese Verschiebung der regulären Abrechnung mit ungeklärten Rechtsfragen, die einer verbindlichen Festlegung durch das Ministerium bedürften. Die Verbände der Handelskette hätten übereinstimmend erklärt, ihre Mitglieder seien organisatorisch noch nicht auf die Abrechnung des Erstattungsbetrags eingerichtet, sodass der Erstattungsbetrag objektiv noch nicht über die Handelsstufen abgerechnet werden könne.

Hilferuf an das Ministerium

Dieses Umsetzungsdefizit sei maßgeblich auf zwei Kernfragen zurückzuführen, die nicht zwischen den Partnern der Handelskette durch Konsensbildung auf Verbandsebene selbst beantwortet werden könnten, sondern durch das Ministerium ressortübergreifend geklärt werden müssten. Als Kernfragen werden folgende Punkte genannt:

  • Frage 1: Führt der Erstattungsbetrag, nach § 130b Abs. 1 Satz 2 SGB V definiert als Rabatt auf den einheitlichen Abgabepreis nach § 78 Abs. 3 AMG, zu einer neuen Preisbasis für die Anwendung der Aufschlagsätze des Großhandels und der Apotheken? An welche der genannten Bezugsgrößen knüpfen die gesetzlichen Herstellerabschläge nach § 130a SGB V an, soweit diese nicht durch den Erstattungsbetrag abgelöst werden? Ist der einheitliche Abgabepreis (ApU, Listenpreis) oder der um den Erstattungsbetrag geminderte Listenpreis (Erstattungspreis) maßgeblich?

  • Frage 2: Wie wirkt sich der als Rabatt zu gewährende Erstattungsbetrag, den die jeweiligen Partner der Handelskette für die von ihnen belieferten Arzneimittel bei der Abgabe/Abrechnung zu gewähren haben, auf die umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage für ihre "Lieferung" nach § 10 Abs. 1 UStG aus?

Diese Fragen sind verwunderlich, denn weder der Wortlaut des Gesetzes, noch die bisherige Rechtsprechung zur umsatzsteuerrechtlichen Bewertung der Herstellerrabatte sind so interpretationsbedürftig, dass damit eine Verzögerung erklärt werden könnte. Eher drängt sich der Eindruck auf, dass die bisher bekannt gewordenen Vereinbarungen zwischen GKV und Industrie sich so weit von der geltenden Rechtslage entfernt haben, dass jetzt mithilfe des Ministeriums eine Lösung gefunden werden soll. Dabei sollte jedoch nicht vergessen werden, dass die verbindliche Auslegung von Gesetzen letztlich Sache der Gerichte sein wird.

Eigenwillige Terminologie …

Einen ersten Anhaltspunkt für ein eigenwilliges Verständnis der durch das AMNOG eingeführten Regelungen liefert die Terminologie, die von den Vertragsparteien der Rahmenvereinbarung nach § 130b Abs. 9 SGB V zwischen dem GKV-Spitzenverband und den Verbänden der pharmazeutischen Unternehmer vom 19. März 2012 gewählt wurde [www.gkv-spitzenverband.de/media/dokumente/krankenversicherung_1/arzneimittel/rahmenvertraege/pharmazeutische_unternehmer/Arzneimittel_Rahmenvereinbarung__130b_Abs9_SGB_V.pdf]. Diese Rahmenvereinbarung bildet die Grundlage für die Verhandlungen über den Erstattungsbetrag und enthält in ihrer Anlage 1 Definitionen und Rechenbeispiele für die Abrechnung. Dort heißt es: „Erstattungsbetrag = Rabatt“, ohne dass dies im eigentlichen Vertragstext erläutert ist. Dagegen wird der Betrag, den die Kostenträger zu erstatten haben, als „Abrechnungspreis der Apotheken“ bezeichnet. Diese Terminologie wird vom GKV-Spitzenverband in seinem Schreiben an das Ministerium in abgewandelter Form aufgegriffen. Dort wird behauptet, der Erstattungsbetrag werde „nach § 130b Abs. 1 Satz 2 SGB V definiert als Rabatt auf den einheitlichen Abgabepreis nach § 78 Abs. 3 AMG“. Der von den Krankenkassen zu erstattende Betrag wird vom GKV-Spitzenverband als „Erstattungspreis“ bezeichnet.

… im Widerspruch zum Gesetzeswortlaut

Diese Terminologie steht in Widerspruch zum Wortlaut des Gesetzes und zum Wortsinn des Begriffs „Erstattungsbetrag“. § 130b Abs. 1 Satz 2 SGB V enthält keine Legaldefinition des Begriffs „Erstattungsbetrag“, sondern bestimmt zusammen mit dem komplementären § 78 Abs. 3a AMG die Art und Weise, wie dieser Betrag in die Systematik der arzneimittel(preis)rechtlichen Vorschriften einzuordnen ist. Eine Definition des Erstattungsbetrags im Sinne des SGB V hat der Gesetzgeber nicht für nötig gehalten, weil sich seine Bedeutung aus dem Wortsinn ergibt: es ist der Betrag, den die Kostenträger zu erstatten haben, nachdem er gemäß § 130b Abs. 1 Satz 1 SGB V mit dem pharmazeutischen Unternehmen vereinbart wurde. Satz 2 beantwortet die sich logisch anschließende Frage, in welchem Verhältnis dieser sozialrechtlich geregelte Erstattungsbetrag zum arzneimittelrechtlich vorgeschriebenen einheitlichen Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers (ApU) im Sinne des § 78 Abs. 3 AMG steht. Dieser gesetzlich definierte ApU bildet die Preisbasis für die vorgeschriebenen Preisaufschläge nach §§ 2 und 3 der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) und bestimmt damit den einheitlichen Apothekenabgabepreis gem. § 78 Abs. 2 Satz 2 AMG. § 130b Abs. 1 Sätze 2 – 5 SGB V und § 78 Abs. 3a AMG beantworten diese Frage damit, dass der vereinbarte Erstattungsbetrag – trotz seiner universellen Geltung für GKV, PKV, Kostenträger und Privatzahler – nicht als ein neuer oder abweichender Preis an die Stelle des einheitlichen Apothekenverkaufspreises tritt, sondern als ein zu erstattender Betrag über einen Rabatt auf den Listenpreis realisiert wird. Der Erstattungsbetrag wird "als" Rabatt auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers vereinbart [§ 130b Abs. 1 Satz 2 SGB V] und führt daher nicht zu einem gesenkten Listenpreis [BT-Drucks. 17/2413, S. 31], sondern „gilt“ rechtlich „als“ Rabatt auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers (§ 78 Abs. 3a AMG).

Erstattungsbetrag in Erstattungspreis umgedeutet

Hintergrund für diese Regelung ist offenkundig ein politischer Kompromiss zwischen zwei Anliegen. Auf der einen Seite wird damit – wie beim gesamten Thema „Herstellerrabatte“ – Rücksicht auf Befürchtungen der Industrie genommen, dass gesenkte Listenpreise in Deutschland über Referenzsysteme in vielen anderen Staaten automatisch zu weiteren weltweiten Preissenkungen führen. Auf der anderen Seite steht die Intention, das neue Verfahren der frühen Nutzenbewertung als Grundlage für zentrale Verhandlungen über ein nahezu universell geltendes Entgelt von den bisherigen Preisreglementierungen abzuheben. Im Resultat wird mit § 130b SGB V jedoch faktisch das bisherige Prinzip der Rabatte gem. § 130a SGB V fortgeführt und lediglich um einen neuen „Innovatorrabatt“ ergänzt. Die nun in der Rahmenvereinbarung gewählte Terminologie verwischt demgegenüber die vom Gesetzgeber vorgesehene begriffliche Trennung von Preis- (AMG, AMPreisV) und Erstattungsfragen (SGB V) wieder, denn der eigentliche Erstattungsbetrag, also der von den Kostenträgern zu erstattende Betrag, wird hier in einen „Abrechnungspreis“ bzw. „ Erstattungspreis“ uminterpretiert.

Die erste vom GKV-Bundesverband aufgeworfene Frage beruht allein auf dieser terminologischen Umdeutung. Aus dem Wortlaut des § 130b Abs. 1 SGB V in Verbindung mit § 78 Abs. 3a AMG ergibt sich eindeutig, dass der mit der GKV vereinbarte Erstattungsbetrag nicht an die Stelle des vom pharmazeutischen Unternehmer bestimmten und für die Preisberechnung nach §§ 2 und 3 AMPreisV maßgeblichen ApU tritt. „Dieser Listenpreis“, so der ausdrückliche Wortlaut der amtlichen Begründung, „bleibt unverändert.“ [BGBl. I 2262]. Damit lautet die Antwort auf die erste Frage:

  • Antwort auf Frage 1: Selbstverständlich bleibt der einheitliche Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers nach § 78 Abs. 3 AMG die Preisbasis für die Anwendung der Aufschlagsätze des Großhandels und der Apotheken gem. §§ 2 und 2 Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV). Dies gilt auch für die Abschläge nach § 130a SGB V, denn nach § 130b Abs. 1 Satz 7 i.V.m. § 130a Abs. 8 Satz 5 SGB V berührt eine Vereinbarung über einen Erstattungsbetrag ausdrücklich nicht die Abschläge nach § 130a Abs. 3a und 3b SGB V; Abschläge nach den Absätzen 1, 1a und 2 können abgelöst werden, sofern dies ausdrücklich vereinbart ist. Auch im Hinblick auf den Apothekenabschlag nach § 130 SGB V hat die Berücksichtigung der Erstattungsbeträge nicht über eine Änderung der zugrunde gelegten Preise nach Maßgabe der Arzneimittelpreisverordnung zu erfolgen, sondern ist gem. § 130 Abs. 1 S. 2 und 3 in die Verhandlungen über die Anpassung des Abschlags einzubeziehen.

Wenn nun damit argumentiert wird, der „Listenpreis“ gem. Arzneimittelpreisverordnung werde auf diese Weise zu einem fiktiven „Mondpreis“ und müsse aus Gründen der Transparenz durch einen tatsächlichen „Erstattungspreis“ ersetzt werden, so ist dies der untaugliche Versuch, eine eindeutige Entscheidung des Gesetzgebers in ihr Gegenteil zu verkehren. Wie immer man auch gesundheitspolitisch zu dieser Entscheidung stehen mag – es war die ausdrückliche Intention des Gesetzgebers, den arzneimittelrechtlich geregelten Preis und den sozialrechtlich bestimmten Erstattungsbetrag getrennt zu halten, um die weltweiten Interessen der Arzneimittelhersteller zu berücksichtigen. Außerdem ist festzuhalten, dass der gewährte Rabatt im Falle des § 130b SGB V allein dazu bestimmt ist, an die Kostenträger durchgereicht zu werden. Schon deshalb ist ein Vergleich mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur überzogenen Rabattgewährung an Apotheken nicht einschlägig, denn diese Rabatte waren wettbewerbsrechtlich deshalb angreifbar, weil sie nicht an die Apothekenkunden weitergegeben wurden. Im Übrigen ist die Bezugnahme auf das Wettbewerbsrecht nicht geeignet, eine ausdrückliche gesetzliche Regelung, die gerade auf die Differenzierung der Ebenen Preis und Erstattung ausgerichtet ist, nachträglich unter Umgehung des Gesetzgebers auszuhebeln. Auch im Hinblick auf die zweite Frage zur umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage ergibt sich die Unklarheit nicht aus dem Gesetzestext, sondern aus dessen missverstandener Umsetzung. Nach der bereits zitierten Anlage 1 zum Rahmenvertrag gem. § 130b Abs. 9 SGB V bleibt der vom pharmazeutischen Unternehmer zu gewährende Rabatt unabhängig davon, ob von Netto- oder Bruttobeträgen die Rede ist, in seiner Höhe unverändert. Das steht im Gegensatz zur Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu den Abschlägen der pharmazeutischen Unternehmen nach § 130a SGB V und beruht offenkundig auf einem weiteren Missverständnis über den Inhalt des § 130b Abs. 1 Satz 2 SGB V. Wenn es dort heißt, dass der Erstattungsbetrag „als Rabatt auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers“ vereinbart wird, so ist damit allein der Gegenstand der Vereinbarung zwischen GKV-Spitzenverband vorgegeben und nicht die steuerrechtliche Frage beantwortet, ob dieser Rabatt steuerrechtlich als Brutto- oder Nettobetrag abgewickelt wird. Unabhängig davon, ob der Rabatt von den Vertragspartnern als Prozentsatz auf den ApU ohne Umsatzsteuer – wie im Falle des gesetzlichen Abschlags nach § 130a Abs. 1 SGB V – oder auf den ApU mit Umsatzsteuer bezogen wird, ist die Entgeltminderung umsatzsteuerrechtlich als Bruttobetrag in Entgelt und Umsatzsteuer aufzuteilen [BFHE 226, 166]. Dies ist bereits bei den Verhandlungen zu berücksichtigen und gilt nicht nur für den pharmazeutischen Unternehmer, sondern für alle Handelsstufen.

Im Falle des vom BFH entschiedenen Rechtsstreits führte dies aufgrund der Besonderheit des § 130a Abs. 1 SGB V dazu, dass der Hersteller entgegen seiner Auffassung nur den um den Umsatzsteueranteil verminderten Abschlag als Entgeltminderung geltend machen durfte, obwohl er den gesamten Betrag an die Apothekenrechenzentren gezahlt hatte. Im Unterschied dazu handelt es sich jedoch beim Rabatt nach § 130b SGB V nicht um einen ex post über die Apotheken an die Krankenkassen zu gewährenden Abschlag, sondern einen ex ante vom pharmazeutischen Unternehmer an seine Abnehmer zu leistenden Rabatt, der in gleicher Höhe durchgereicht und schließlich von den Apotheken an ihre Kunden weitergegeben wird. Da die gesetzlichen Krankenkassen, aber auch die Privatpatienten und ihre Kostenträger, stets mit dem Bruttobetrag zu rechnen haben, ist die für die resultierenden Einsparungen entscheidende Höhe des Erstattungsbetrags und des daraus als Differenz zum einheitlichen Apothekenabgabepreis zu errechnenden Rabatts der aus Entgelt und Umsatzsteuer zusammengesetzte Bruttobetrag. Dies gilt für alle Handelsstufen, da der Rabatt durchzureichen und schließlich nach § 130b Abs. 1 Satz 5 SGB V von den Apotheken an die Kostenträger zu gewähren ist.

  • Antwort auf Frage 2: Der Rabatt, den die jeweiligen Partner der Handelskette für die von ihnen belieferten Arzneimittel bei der Abgabe/ Abrechnung zu gewähren haben, wirkt sich demnach auf die umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage für ihre „Lieferungen“ nach § 10 Abs. 1 UStG so aus, dass sich die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer jeweils um den Rabatt vermindert. Der in der Anlage 1 zur Rahmenvereinbarung dargestellte Rechenweg, bei dem ein Nettobetrag von 10 Euro Herstellerrabatt sich schließlich in einen Bruttobetrag von 10 Euro Einsparungen der GKV verwandelt, ist daher dringend korrekturbedürftig.

Erstattungsbetrag gilt auch für Selbstzahler

Dass § 130b Abs. 1 SGB V im Sinne einer Durchreichung eines aus Entgelt und Umsatzsteuer zusammengesetzten Rabatts zu verstehen ist, entspricht im Übrigen auch der Intention des Gesetzgebers im Hinblick auf diejenigen Patienten, die die Arzneimittel nicht im Wege der Sachleistung von den gesetzlichen Krankenkassen erhalten, sondern sie selbst erwerben und anschließend ganz oder mit Selbstbehalt teilweise erstattet bekommen. Im Unterschied zu den Abschlägen nach § 130a Abs. 1, 1a, 2, 3, 3a und 3b SGB V, die nach § 1 des Gesetzes über Rabatte für Arzneimittel vom 22. Dezember 2010 [eingeführt durch das AMNOG, BGBl. I S. 2262, 2275] seit den 1. Januar 2011 auch zugunsten der Unternehmen der privaten Krankenversicherung und der Kostenträger nach beamtenrechtlichen Vorschriften gelten, sollen im Falle des § 130b SGB V auch die Privatpatienten selbst unmittelbar von dem verminderten Erstattungsbetrag profitieren. Forderungen im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum Zweiten Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes, auch die Gewährung des Rabatts nach § 130b SGB V auf die Kostenträger zu beschränken und den Eigenanteil der Selbstzahler unrabattiert zu lassen, folgte der Gesetzgeber nicht [vgl. BT-Drucks. 17/9341 und 17/10156]. Zwar fehlt noch die Zustimmung des Bundesrats, der in seiner Stellungnahme zu diesem Gesetz gefordert hatte, eine Offenlegung von Rabatten auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers zu vermeiden [BR-Drucks. 31/12 (B), S. 72]. Doch müsste sich für einen Einspruch die Mehrheit der Bundesländer für die Anrufung des Vermittlungsausschusses einigen. Angesichts der allgemein gehaltenen Forderung, auf die die Bundesregierung lediglich mit einem Prüfauftrag reagiert hatte [BT-Drucks. 17/9341, S. 206], ist die Wahrscheinlichkeit dafür gering. Sollte es demnach bei der vom Bundestag beschlossenen Fassung bleiben, darf der Apotheker jedem Selbstzahler bei den Arzneimitteln nach § 130b SGB V künftig nur noch den Erstattungsbetrag in Rechnung stellen.

Appell an Vertragspartner

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Parteien des Rahmenvertrags sowie der bereits verhandelten Einzelvereinbarungen über Erstattungsbeträge auch ohne zusätzliche Festlegungen in der Lage sein sollten, für das Ausräumen der Unklarheiten zu sorgen und die Umsetzung der Erstattungsbeträge durch die Handelsstufen nicht weiter zu verzögern. Dazu müssten zum einen die widersprüchlichen Detailregelungen in der Anlage 1 zum Rahmenvertrag bereinigt werden. Zum anderen müssen die Verhandlungspartner der jeweiligen Erstattungsvereinbarung – soweit sie es denn nicht bereits getan haben – den vereinbarten Erstattungsbetrag nach Maßgabe der steuerrechtlichen Vorschriften in einen Rabatt umrechnen und bekannt geben. Das müsste doch zu schaffen sein.


Autor

Professor Dr. Hilko J. Meyer, Fachhochschule Frankfurt/Main, Zentrum für Gesundheitswirtschaft und -recht (ZGWR), Nibelungenplatz 1, 60138 Frankfurt/Main



DAZ 2012, Nr. 31, S. 64

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