Die Seite 3

Denkfehler

Peter Ditzel

Es ging hoch her in den letzten Wochen in den Kommentarforen von DAZ.online. Dort, wo viele sich mal trauen, ihre Meinung loszuwerden über ABDA & Co. Der Auslöser: 25 Cent Honorarerhöhung – mehr will die Bundesregierung den Apothekerinnen und Apothekern nicht zugestehen. Und das nach acht Jahren ohne jede Honorarerhöhung bei steigenden Belastungen. Die Apothekerinnen und Apotheker verstehen die Welt nicht mehr. Fühlen sich verkauft, verraten und über den Tisch gezogen. Das löste einen Sturm der Entrüstung aus, der sich in den Foren niederschlug. Für das mickrige Honorarangebot machen sie ihre Berufsvertretung mitverantwortlich und sie schauen neidvoll auf die Vertreter der Ärzteschaft, die in den letzten Jahren immer wieder spektakuläre Honorarverbesserungen für ihr Klientel herausgeholt haben. Was machen Montgomery und Köhler anders als Wolf und Becker? Sind die Apothekervertreter vielleicht zu nachgiebig? Haben sie kein Drohpotenzial? Oder geben sie zu schnell nach und auf?

Und die Reaktion der ABDA auf das Honorarangebot aus dem Wirtschafts- und Gesundheitsministerium? „Das finden wir nicht in Ordnung“, so der ABDA-Präsident – was ein wenig nach einer Entschuldigung bei den Ministerien klang dafür, dass die Apotheker schon nach acht Jahren um eine Honoraranpassung bitten. Statt der Politik auch mal mit deutlichen und knallharten Worten die Stirn zu bieten, forderte er die Apothekerinnen und Apotheker dazu auf, an die Wahlkreisabgeordneten heranzutreten und sie über einen Denk- und Rechenfehler bei der Berechnung des 25-Cent-Angebots aufzuklären. Mag ja ein netter Ansatz sein, wenn noch genug Zeit wäre. Aber in dieser Situation? Am 10. August sollen die Stellungnahmen zum Honorarangebot im Wirtschaftsministerium eingegangen sein. Wollte da unsere ABDA-Spitze die Arbeit auf die Mitglieder abwälzen?

Zum Denkfehler: In der Tat hat das Ministerium anders gerechnet als die ABDA. Wie das Ministerium rechnete und warum dies der falsche Weg ist, zeigt unser Beitrag „Honoraranpassung - Auf den Rechenweg kommt es an. Die Autoren belegen, wie kleinste Veränderungen bei der Berechnung zu einem akzeptableren Ergebnis führen können, und sie stellen eine alternative Methode zur Anpassung des Festzuschlags vor.

So richtig zum Aufschäumen brachte Nordrheins Kammerpräsident Lutz Engelen die Foren. Er meinte auf DAZ.online zur Apothekenhonorar-Erhöhung: „Ich glaube, dass da nicht mehr viel zu machen ist …“ (siehe DAZ.online-Tagesnews vom 2. August 2012: „Engelen: Statt Protest langfristige Aufklärung“). Mit Verlaub, mit dieser Aussage lassen sich keine Honorarverhandlungen gewinnen. Dazu fällt mir nur ein: Wer nicht kämpft, hat schon verloren. Er räumte auch ein, dass in den vergangenen Jahren im Bereich der ABDA-Öffentlichkeitsarbeit nicht alles zum Besten lief. Gab es da vielleicht auch den einen oder anderen Denkfehler? Da er selbst Vorsitzender des PR-Ausschusses der ABDA ist, dürfte er wissen, wovon er spricht. Wobei er mit dem Stichwort Öffentlichkeitsarbeit bei den Apothekerinnen und Apothekern in ein neues Wespennest stach. So bedauerte er im Gespräch mit DAZ.online eine jahrelange, sehr zögerliche, distinguierte Öffentlichkeitsarbeit: „Im Berufsstand wurde immer wieder gesagt, über Zahlen reden wir nicht öffentlich“, so Engelen. „Aber wer über Honorare reden will, der muss auch über Zahlen sprechen.“ Und er mahnte eine größere Medien- und TV-Präsenz der Apotheker an – ein Punkt, bei dem man ihm nur zustimmen kann. Aber, so fragt man sich, warum hat er dann in den letzten Jahren als ABDA-PR-Mann hier nichts unternommen? Auf der anderen Seite: Wenn 34 Mitgliedsorganisationen mitreden wollen, was die beste Öffentlichkeitsarbeit ist und jeder Landesfürst meint, das PR-Handwerk zu verstehen, dann kann da nichts dabei herauskommen. Vielleicht liegt auch hier ein Denkfehler? Am Rande dieser Diskussion: Ob Engelen auch den Maulkorb-Erlass der ABDA mittlerweile kritischer sieht, für den er sich unlängst so vehement einsetzte? Wenn man mit den Medien kommunizieren will, sollte man nämlich ab und an mal ein paar Gedanken öffentlich machen, damit mehr Kolleginnen und Kollegen mit- und nachdenken können. Das strafbewehrte Stillschweigegebot der ABDA-Mitgliederversammlung – vielleicht ein Denkfehler?

Weil wir gerade über Denkfehler nachdenken: Vielleicht sollte sich die ABDA auch darüber Gedanken machen, ob ihre heutige Struktur noch zeitgemäß ist. Wenn früher bei den meisten der Ausspruch „Wenn es die ABDA nicht gäbe, müsste man sie erfinden“ Konsens war, so dürften dem heute weit weniger als früher zustimmen. Das zeigen auch viele Leserkommentare auf DAZ.online, die Fragen enthalten, denen sich die ABDA in der Zukunft stellen muss. So kocht in den Foren immer wieder das Thema der mangelnden Transparenz auf bis hin zur Frage, ob nicht vielleicht hauptberufliche „Manager“ die Belange der Apotheker besser vertreten können als Ehrenamtliche, die das politische Geschäft nicht gelernt haben und dazu noch mit ihren eigenen Apotheken kämpfen müssen.

Manchmal braucht es Druck, Bedrohung und Notsituationen, um Denkfehler zu erkennen.


Peter Ditzel



DAZ 2012, Nr. 32, S. 3

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