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Wirtschaft
Honoraranpassung – Auf den Rechenweg kommt es an
Daher muss nun zu allererst über den Rechenweg diskutiert werden. Wenn der einmal festgeschrieben ist, entscheidet dies auch über die Honoraranpassungen in der Zukunft.
Verfahren des Ministeriums
Ausgangspunkt für die Betrachtung ist der Rechenweg des Wirtschaftsministeriums. Dies geht von einem Gesamtkostenanstieg für eine Apotheke von 2004 bis 2011 in Höhe von 38.184 Euro aus. Obwohl die ermittelten Werte für Außenstehende nicht transparent sind und die zugrunde gelegte Methode nicht einem „Goldstandard“ der Statistik entspricht, soll die Größenordnung des tatsächlichen, in den Apothekenbilanzen ausgewiesenen Kostenanstiegs hier nicht bestritten werden. Weiterhin geht das Ministerium von einem Rohertragszuwachs im gleichen Zeitraum in Höhe von 26.684 Euro aus. Dieser Betrag erkläre sich insbesondere aus der gestiegenen Packungszahl und den gestiegenen Umsätzen (Daten zum Anstieg der Packungszahl siehe weiter unten im Zusammenhang mit der Aufteilung des Kostenanstiegs).
Im nächsten Schritt zieht das Wirtschaftsministerium vom Kostenanstieg den Rohertragszuwachs ab. Von der Differenz werden 75% als Anpassungsbedarf anerkannt, weil der Anteil der verschreibungspflichtigen Packungen am Gesamtumsatz mit 75% angesetzt wird. Somit betrage der Anpassungsbedarf 8625 Euro pro Apotheke. Dividiert durch die Zahl der durchschnittlich abgegebenen Packungen pro Apotheke (35.032) wird ein Anpassungsbedarf von 25 Cent pro Packung ermittelt.
Hintergründe zum Kostenzuwachs
Diese Methode und jedes andere Verfahren, das vom tatsächlichen Kostenanstieg ausgeht, führt jedoch zu einer systematischen Fehlbewertung. Denn dabei wirken zeitweilige Sparmaßnahmen langfristig zulasten der Apotheken. Wegen der schwierigen wirtschaftlichen Situation der Apotheken, insbesondere nach Einführung der Rabattverträge und noch weiter verschärft durch das AMNOG, haben Apotheker Neu- und Ersatzinvestitionen sowie Modernisierungen vielfach zurückgestellt. Die Mehrarbeit, die durch die erhöhte Packungszahl und den größeren Beratungsaufwand infolge der Rabattverträge nötig wurde, haben vielfach die Apothekenleiter selbst geleistet – weit über eine 40-Stunden-Woche hinaus. Dies ist in den Bilanzen nicht kostenwirksam geworden. Diese Besonderheit nur kalkulatorisch wirksamer Kosten bei Apotheken als inhabergeführte Einzelunternehmen wird jedoch im Anpassungsverfahren des Wirtschaftsministeriums nicht berücksichtigt. Kostensenkend wirkte sich auch die moderate Gehaltsentwicklung der Apothekenmitarbeiter aus. Die Zahl der pharmazeutischen Mitarbeiter stieg zwischen 2004 und 2011 von 101.000 auf 114.700, also um 13,6%. Da die Zahl der PKA im gleichen Zeitraum um knapp 1900 bzw. 5,3% zurückging, stieg die Gesamtzahl der Apothekenmitarbeiter nicht ganz so stark, aber immerhin um 11.800 oder 8,6% (Quelle: ABDA). Eine solche Steigerung in Verbindung mit der moderaten Erhöhung der Gesamtkosten kann nur durch sehr verantwortungsbewusste Lohnzurückhaltung bei den Mitarbeitern und sehr sparsames Wirtschaften der Apothekenleiter nach dem sprichwörtlichen Grundsatz einer „guten schwäbischen Hausfrau“ erklärt werden.
Doch jede Berechnung der Anpassung auf der Grundlage tatsächlicher Kostensteigerungen schreibt diese Sparsamkeit, die zeitlich befristet als Sonderopfer hinnehmbar sein mag, auf Dauer fest – und dies ist mit Investitionen in eine Zukunftsbranche und einer leistungsgerechten Honorierung für kompetente Mitarbeiter langfristig nicht vereinbar. Der Spielraum für künftige leistungsgerechte Tarifabschlüsse würde damit immer weiter reduziert.
Kritik an der Aufteilung des Kostenanstiegs
Weitere Probleme ergeben sich aus der Annahme, die Roherträge und Kosten hätten sich für die Abgabe verschreibungspflichtiger und anderer Arzneimittel in gleicher Weise entwickelt. Daher rechnet das Ministerium nur 75% des Kostenanstiegs den verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zu. Die Entwicklung der Packungszahlen in beiden Segmenten spricht jedoch gegen diese These. Denn die Zahl der abgegebenen verschreibungspflichtigen Fertigarzneimittel stieg von 684 Millionen Packungen im Jahr 2004 auf 761 Millionen Packungen im Jahr 2011, also um etwa 11,2% (Quelle: ABDA, bestätigt durch eigene Berechnungen auf Grundlage von Insight-Health-Daten). Dagegen sank die Gesamtpackungszahl im Betrachtungszeitraum von 1.496 Millionen auf 1.396 Millionen. Demnach wurden 2011 etwa 177 Millionen bzw. 21,8% weniger Packungen außerhalb der Verschreibungspflicht abgegeben. Daher erscheint es gerechtfertigt, den Kostenanstieg voll dem verschreibungspflichtigen Bereich zuzuordnen.
Allein mit dieser neuen Annahme bei sonst unverändertem Rechenweg des Ministeriums und ohne Berücksichtigung weiterer Kritikpunkte ergäbe sich ein Anpassungsbedarf von 38.184 Euro abzüglich 75% von 26.684 Euro, also 18.171 Euro pro Apotheke. Bei 35.032 Packungen bestünde demnach ein Anpassungsbedarf von 52 Cent je Packung – und nicht nur 25 Cent. Dies zeigt zugleich, wie stark sich auch kleine Änderungen der Rechenannahmen auswirken können.
Kritik am Verfahren
Allerdings ist der angewendete Rechenweg auch grundsätzlich infrage zu stellen. Die ABDA hatte erwartet, dass der gesamte Kostenzuwachs oder zumindest der gemäß obigen Ausführungen strittige Anteil für die verschreibungspflichtigen Arzneimittel ausgeglichen wird. Sie kritisiert nun, dass das Ministerium den Rohertragszuwachs gegenrechnet. Denn der Rohertragszuwachs beruht bereits auf den gewollten Mechanismen der bisherigen Preisbildung und stellt eben gerade keinen Ausgleich für die Inflation und für innovative Leistungen dar. Der Rohertragszuwachs beruht überwiegend auf der größeren Zahl der Packungen; ihm steht damit zusätzliche Arbeit gegenüber. Zusätzliches Honorar für zusätzliche Arbeit stellt im Ergebnis keine Anpassung an ein höheres Preisniveau dar und drückt keine zusätzliche Wertschätzung aus. Entsprechendes gilt für die kaufmännische Komponente. Diese ist mit 3% ohnehin sehr knapp bemessen und liegt sogar unter dem kaufmännischen Aufschlagsatz des Großhandels von 3,15%. Damit dürfte sie gerade für die Finanzierung des Lagers und als Ausgleich für das Verfallrisiko ausreichen. Teurere Arzneimittel verursachen auch hier zusätzliche Kosten, die durch den 3%-Aufschlag ausgeglichen werden. Dass dies dem Willen des Gesetzgebers entspricht, ist auch aus § 78 AMG zu entnehmen, der Anpassungen ausschließlich für den Festzuschlag vorsieht.
Die theoretischen Einnahmezuwächse wurden bedauerlicherweise durch zeitweilig erhöhte Kassenabschläge und andere Sonderopfer wieder abgeschöpft. Dies berührt aber nicht die grundsätzliche Frage nach einem angemessenen Rechenweg für die Anpassung des Festzuschlags. Entscheidend ist vielmehr, dass die rechnerischen Rohgewinnzuwächse Ausgleich für zusätzliche Arbeit und zusätzlichen Finanzierungsbedarf sind. Sie können daher nicht auf einen zu ermittelnden Inflationsausgleich angerechnet werden.
Unabhängig von der Plausibilität der eingehenden Daten koppelt das vom Ministerium angewendete Verfahren die Apotheken von der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung ab. Das Vorsteuerergebnis wird im Ansatz auf dem Niveau von 2004 eingefroren, aber aufgrund der 75%-Regelung sogar wesentlich unter das Ausgangsniveau von 2004 gedrückt. Dies erinnert aufgrund der Aktualität an das Asylbewerberleistungsgesetz, für das die Regierung erst vor wenigen Wochen vom BVerfG in beeindruckender Weise gerügt worden ist. Daher wäre es schon mehr als peinlich, wenn das vom Ministerium eingebrachte Verfahren für die Anpassung des Apotheken-Festzuschlages umgesetzt würde. Dann bliebe den Apothekern letztlich wohl auch nur der Weg zum BVerfG.
Neuer Vorschlag
Daher soll hier eine alternative Methode zur Anpassung des Festzuschlags vorgeschlagen werden, die sich unmittelbar aus dem Konstruktionsprinzip der AMPreisV ableiten lässt und daher ohnehin näher liegen dürfte. Ausgangspunkt ist der Festzuschlag von 8,10 Euro pro Packung im Jahr 2004. Die Honorierung für zusätzliche Packungen ergibt sich aus der Systematik des Preisbildungsmodells und braucht daher nicht verändert zu werden. Gesucht ist nur ein Ausgleich für das allgemein gestiegene Preisniveau und für neue fortschrittliche Leistungen in den Apotheken, also eine Innovationskomponente. Dieser Ausgleich ist auf die 8,10 Euro aufzuschlagen – und schon funktioniert das Modell wieder.
Gesucht ist damit ein Zuwachs, wie er aus Tarifverhandlungen und ähnlichen Anpassungsregelungen bekannt ist. Es können daher gesellschaftlich vertraute Muster als Vergleichsmaßstab angelegt werden. Die ABDA argumentiert derzeit mit einer Inflation von 14,4% für den Betrachtungszeitraum. Dies wäre demnach eine Orientierungsgröße für eine Anpassung ohne Vorschuss für künftige Belastungen und ohne Ausgleich für die zusätzlichen Mühen bei der Umsetzung der Rabattverträge. Letztere sollten ohnehin eher bei den Kassenabschlägen berücksichtigt werden, weil sie die PKV nicht betreffen.
Bei einer Steigerung um 14,4% ergäbe sich ein neuer Festzuschlag von 9,27 Euro. Eine solche Rechnung wäre einfach, plausibel und leicht vermittelbar. Auslegungsfragen zur Ermittlung von Kosten und Rohgewinnänderungen würden umgangen. Die ermittelte Steigerung mag zunächst groß erscheinen, dies ist jedoch eine logische Folge des langen Wartens auf eine Anpassung.
Ausblick
In jedem Fall sollten sich alle Beteiligten bewusst machen, dass die Festlegung des Rechenwegs Weichen für künftige Anpassungen stellt. Es wird künftig schwer sein, Abweichungen vom einmal gewählten Verfahren zu begründen. Damit tragen die Entscheidungsträger jetzt auch die Verantwortung dafür, langfristig ein leistungsfähiges Apothekensystem zu erhalten, das den zunehmenden Bedarf einer alternden Bevölkerung erfüllen kann.
Uwe Hüsgen, Dipl.-Math.
Dr. Thomas Müller-Bohn, Apotheker und Dipl.-Kaufmann, DAZ-Redakteur
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