Praxis aktuell

Pragmatische Ansätze

Wie Schleswig-Holstein die Apothekenbetriebsordnung umsetzen will

Die Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) ist Bundesrecht. Doch sie muss bei der Apothekenüberwachung umgesetzt werden – und die ist eine Landesangelegenheit. Über die Auslegung der neuen Bestimmungen in Schleswig-Holstein konferierte die dortige Apothekerkammer kürzlich mit den zuständigen Beamten des Landesamtes für soziale Dienste. Die Ergebnisse sind auch für die bundesweite Diskussion zur Umsetzung der neuen ApBetrO interessant, insbesondere zur Barrierefreiheit, zum Botendienst und zur Rezeptur.

Beratung und Botendienst In Schleswig-Holstein reicht es aus, wenn der Bote eine Möglichkeit zur kostenlosen telefonischen Beratung durch die Apotheke bietet, etwa durch einen Rückruf der Apotheke. Foto: DAZ/Schelbert

Über das Gespräch zwischen Vertretern der Kammer und des Landesamtes für soziale Dienste berichtete Frank Jaschkowski, Geschäftsführer der Apothekerkammer Schleswig-Holstein, gegenüber der DAZ. Er zeigte sich erfreut, dass die Behörde einige Neuerungen mit einem guten Blick für die Praxis interpretiert.

Barrierefreiheit

So gehe es bei der Forderung nach Barrierefreiheit nicht darum, "alles platt zu machen", sondern alle Patienten sachgerecht zu versorgen. Dafür würden kreative Lösungen erwartet. Eine Treppe müsse nicht unbedingt mit einem Treppenlift überbrückt werden, sondern die Kommunikation müsse ermöglicht werden. Auch mit einer Klingel könne ein Rollstuhlfahrer auf sich aufmerksam machen. Dann könne ein Apothekenmitarbeiter nach draußen kommen.

Beratung und Botendienst

Die Verantwortungsbereiche für die Beratung sollten nach Auffassung des Landesamtes individuell für die einzelnen Mitglieder des Apothekenteams beschrieben werden. Dabei könne der Apothekenleiter einzelnen Angehörigen des pharmazeutischen Personals – auch PTA – durchaus eine uneingeschränkte Beratungskompetenz bescheinigen. Für Apothekerassistenten und Pharmazieingenieure, die zeitweilig sogar den Apothekenleiter vertreten dürfen, drängt sich dies ohnehin auf.

Thema des Gesprächs war auch die bundesweit viel diskutierte Belieferung durch Boten. Zumindest für Rezepte aus Rezeptsammelstellen lege das Landesamt die Beratungsverpflichtung recht pragmatisch aus, berichtete Jaschkowski. Demnach reiche es aus, wenn der Bote eine Möglichkeit zur kostenlosen telefonischen Beratung durch die Apotheke biete, etwa durch einen Rückruf der Apotheke. Damit mehren sich die Stimmen, die für diese Interpretation sprechen. ABDA-Justiziar Lutz Tisch hatte hingegen eine telefonische Beratung durch Präsenzapotheken ausgeschlossen (zu diesem Aspekt siehe auch 62).

Rezeptur

Die geforderte "raumhohe" Abtrennung des Rezepturarbeitsplatzes werde in Schleswig-Holstein nicht als "deckenhoch" interpretiert, berichtete Jaschkowski. Es würden etwa 2,20 bis 2,30 Meter Höhe ausreichen, weil ohnehin nur Abtrennungen zu drei Seiten gefordert seien. Wenn eine Seite offen bleibe, sei die Forderung für die drei anderen Seiten nicht zu eng auszulegen.

Bei der Kennzeichnung von Rezepturen reiche es nach Vorstellungen der Landesbeamten aus, wenn verarbeitete Fertigarzneimittel oder offizinelle Grundlagen mit ihren Namen deklariert würden, ohne deren vollständige Zusammensetzung aufzulisten. Darüber hinaus eingesetzte Hilfsstoffe müssten allerdings genannt werden. Auch die Plausibilitätsprüfung könne gerne "schlank" dokumentiert werden. Dies sei an keine bestimmte Form gebunden.

Defektur

Sehr viel enger würde das Landesamt hingegen die neue Vorschrift zur Prüfung von Defekturen auslegen. Soweit dies Standardzulassungen seien, würden die dort getroffenen Regeln gelten. Doch für "echte" Defekturen, die über das Abfüllen hinausgehen, werde eine quantitative Analyse gefordert, wie Jaschkowski mit Bedauern berichtete. Solche Analysen müssten konsequenterweise auch validiert werden.

Allerdings scheint dies eine besondere Sichtweise in Schleswig-Holstein zu sein, denn zu dieser Frage kursieren auch andere Interpretationen (siehe DAZ 27, S. 62). Insgesamt zeichnet sich eher eine Tendenz ab, Art und Umfang der analytischen Prüfung an der Art und der Anzahl der hergestellten Defekturarzneimittel auszurichten. Je anspruchsvoller und fehleranfälliger die Herstellung ist und je stärker das Arzneimittel wirkt, umso intensiver sollte das Produkt geprüft werden. In diesem Sinne wurden auch Äußerungen von Dr. Dagmar Krüger als zuständiger Beamtin aus dem Bundesgesundheitsministerium bei einer Informationsveranstaltung der Apothekerkammer Nordrhein interpretiert.

Voraussichtlich wird dieser Aspekt über die Zukunft der Defektur entscheiden. Denn aus Überlegungen zur Wirtschaftlichkeit der Defektur (siehe DAZ 19) ergibt sich, dass Defekturen mit einer kompletten quantitativ-analytischen Prüfung vollständig unwirtschaftlich würden. Eine solche Interpretation der Prüfpflicht würde einen starken Anreiz schaffen, die betreffenden Zubereitungen nur noch als Rezepturen und damit ohne jede analytische Prüfung des Endproduktes herzustellen, was dem Anspruch einer höheren Qualität zuwiderliefe. Außerdem würde dies jegliche Bemühungen um standardisierte Herstellungsprozesse mit Halbfertigwaren konterkarieren.

Defektur: Für „echte“ Defekturen, die über das Abfüllen hinausgehen, wird im nördlichenBundesland eine quantitative Analyse gefordert.(Foto: Marco2811 – Fotolia.com)

Hygieneplan

Jaschkowski berichtete zudem über Gesprächsergebnisse zum Hygieneplan. Demnach erwarte das schleswig-holsteinische Landesamt für soziale Dienste im Rahmen des Hygieneplans auch Regeln zum Bekleidungskonzept, beispielsweise zum Einsatz von Kitteln in der Herstellung. Der Reinigungsplan sei zu dokumentieren; die Aufzeichnungen seien fünf Jahre lang aufzubewahren.

QMS

Im Zusammenhang mit den Vorschriften für ein Qualitätsmanagementsystem (QMS) habe die Apothekerkammer Schleswig-Holstein den Landesbeamten ihr elektronisches Musterhandbuch vorgestellt. Dieses orientiere sich auch an ISO-Normen, aber diese ISO-Normen seien im Zusammenhang mit der ApBetrO irrelevant, so Jaschkowski. Das Landesamt wünsche sich vielmehr grundsätzlich, dass in Apotheken stärker prozessorientiert gedacht und gearbeitet werde. In künftigen Gesprächen solle definiert werden, welche Inhalte des QMS-Konzeptes der Kammer notwendig sind, um die ApBetrO zu erfüllen. Jaschkowski kündigte an, die Apothekerkammer Schleswig-Holstein werde dann auch ein entsprechendes Angebot für Apotheken erarbeiten, die "nur" die Vorschriften der ApBetrO zum QMS erfüllen wollen.


Thomas Müller-Bohn

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