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Fragen aus der Praxis
Hyaluronsäure und Co gegen Arthrose - Was hilft und was wird erstattet?
Schwellungen und Schmerzen im Gelenk, Knorpelverlust, Veränderungen des Knochens – Arthrosepatientinnen und -patienten gehören zu "den häufigsten Klienten des Gesundheitssystems". Dies geht aus dem vom Robert-Koch-Institut im Jahre 2006 veröffentlichten Bericht zur Gesundheit in Deutschland hervor. Als Beleg dafür werden Daten des Zentralinstituts für die kassenärztliche Vereinigung herangezogen: Zu den zehn häufigsten Einzeldiagnosen in orthopädischen Praxen zählen sowohl die Kniegelenks- als auch die Hüftgelenksarthrose, wobei auch Ärzte anderer Fachrichtungen häufig wegen arthrotischer Beschwerden aufgesucht werden [1, 2].
Keine kausale Therapie
In den Abbauprozess des Knorpels einzugreifen und damit das Fortschreiten der Erkrankung aufzuhalten oder sogar rückgängig zu machen, wäre das primäre Ziel der Arthrose-Therapie. Mit den zur Verfügung stehenden Medikamenten ist dies jedoch derzeit nicht zu erreichen. Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft spricht in ihren Therapieempfehlungen zur Behandlung degenerativer Gelenkerkrankungen im Jahre 2008 noch von einem "therapeutischen Wunschtraum" [3].
Im Vordergrund der Behandlung stehen die Reduktion oder Beseitigung des Schmerzes, Funktionsverbesserung der betroffenen Gelenke sowie eine Verlangsamung der degenerativen Prozesse.
Generell stützt sich die Therapie auf drei Säulen:
- nicht-medikamentöse Therapie,
- medikamentöse Therapie und
- operative Therapie.
Nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) werden wegen ihrer analgetischen und antiphlogistischen Wirkung im Rahmen der Pharmakotherapie häufig eingesetzt. Besonders bei Schmerzen in oberflächennahen Gelenken wie dem Knie oder der Hand kann ein Therapieversuch mit Salben oder Gelen sinnvoll sein. Die Wirkstoffe können in die das Gelenk umgebenden Gewebeschichten eindringen und auf diese Weise die Symptome verbessern. Das britische National Institute for Clinical Excellence (NICE) empfiehlt bei Arthrosen des Knie- und Handgelenks topische NSAR anzuwenden, bevor orale Präparate verordnet werden. Aufgrund der niedrigeren resultierenden Blutspiegel sei damit insbesondere das Risiko für das Auftreten systemischer Unverträglichkeiten geringer [4].
Analgetika zur externen Anwendung wie das verschreibungspflichtige Voltaren Emulgel® sind jedoch nicht zulasten der GKV verordnungsfähig (Verordnungsausschluss "Rheumamittel (…) zur externen Anwendung" gemäß Anlage III der Arzneimittel-Richtlinie, Punkt 40). Zahlreiche kostengünstige Alternativen sind als apothekenpflichtige Varianten im Handel.
Für die Indikation "Reizzustände bei degenerativen Gelenk- und Wirbelsäulenerkrankungen (Arthrosen und Spondylarthrosen)" können NSAR zur oralen Anwendung in bestimmten Dosierungen vom Arzt verordnet werden. Der Einsatz sollte jedoch nicht dauerhaft erfolgen und die niedrigste wirksame Dosierung gewählt werden, um gastrointestinale und renale Nebenwirkungen zu vermeiden.
Fixe Kombinationen von Antiphlogistika mit anderen Wirkstoffen, wie die im Arthotec® enthaltene Kombination von Diclofenac mit dem Magenschleimhaut-schützenden Prostaglandin-Analogon Misoprostol dürfen nicht zulasten der GKV verordnet werden (Anl. III AM-RL, Punkt 18).
Pflanzliche Antiphlogistika mit Trockenextrakten aus Teufelskralle (z. B. Teltonal® , Rivoltan® , Sogoon®) sind gemäß Anl. III AM-RL Punkt 9 ("Antiarthrotika und Chondroprotektiva") für Erwachsene und Kinder nicht verordnungsfähig. Brennnessel-Präparate (z. B. Hox alpha®) sind als apothekenpflichtige Arzneimittel für Erwachsene nicht verordnungsfähig. Für Kinder wäre Hox alpha® formal verordnungsfähig. Da jedoch laut Hersteller Strathmann für Kinder unter 12 keine ausreichenden Erkenntnisse vorliegen, sollte das Präparat in dieser Altersgruppe nicht angewendet werden [5].
Glucocorticoide können in das betroffene Gelenk injiziert werden. Eine Gesamtzahl von vier Injektionen pro Jahr sollte nicht überschritten werden, ein Mindestabstand von vier Wochen ist einzuhalten. Sofern die Präparate für die Indikation zugelassen sind, handelt es sich im Falle aktivierter Arthrosen um eine Kassenleistung.
Antwort kurz gefasst
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Umstrittener Hyaluronsäure-Nutzen
Bezüglich der intraartikulären Behandlung mit Hyaluronsäure stellt die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft 2008 fest, dass keine gesicherten Daten aus klinischen Studien vorliegen, die als Beleg für eine generelle Therapieempfehlung dienen könnten.
Hintergrund: Die bisherigen Ergebnisse aus Metaanalysen sind widersprüchlich, ein eindeutiger Anhaltspunkt für eine klinisch relevante Wirksamkeit konnte somit bisher nicht erbracht werden [3, 6, 7]. Eine 2003 im JAMA veröffentlichte Metaanalyse von 22 Studien ließ lediglich geringe – möglicherweise durch Publikationsbias vorgetäuschte – Effekte erkennen [7, 8]. Eine systematische COCHRANE-Übersicht fasst die Datenlage (76 Studien) bis Anfang 2006 zusammen und kommt zu einem positiven Urteil. Aufgrund eines vorhandenen Interessenkonfliktes von einem der Hauptautoren, kann aber auch diese Metaanalyse den Nutzen eines therapeutischen Einsatzes von Hyaluronsäure nicht glaubwürdig darstellen [7, 9].
Entsprechende Präparate sind meistens als Medizinprodukte im Handel (z. B. Hya Ject® , Go On® , Ostenil®). Bei Hyalart® handelt es sich um ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel, das gemäß Anlage III AM-RL Punkt 9 ("Antiarthrotika und Chondroprotektiva") von der Verordnung zulasten der GKV ausgeschlossen ist. Wird die Injektion entsprechender Substanzen dennoch gewünscht, handelt es sich um eine Individuelle Gesundheitsleistung.
Die Behandlung mit Hyaluronsäure soll die Viskosität der Gelenkflüssigkeit erhöhen, den weiteren Knorpelabbau verzögern und somit den Schmerz lindern. Ein dauerhafter Effekt ist nicht zu erwarten, nach etwa einem halben Jahr muss die Behandlung wiederholt werden. Mögliche Nebenwirkungen der Therapie sind Schwellungen und akute Knorpelschäden (sog. Pseudogicht), bei nicht sachgerechter Durchführung besteht das Risiko einer Infektion des Gelenks [10].
Chondroprotektiva – umstrittener Nutzen und sogar riskant
Häufig im Rahmen der Selbstmedikation eingesetzt werden Präparate mit Glucosamin sowie Chondroitinsulfat. Sie sollen in den Knorpelstoffwechsel oder andere pathogenetisch bedeutsame Prozesse eingreifen und auf diese Weise nicht nur die Symptomatik sondern auch morphologische Strukturen und damit den Krankheitsverlauf günstig beeinflussen. Der Einsatz dieser Präparate ist allerdings nach wie vor umstritten, klinische Studien konnten den Nutzen nicht eindeutig belegen (siehe Kasten GAIT-Studie).
Grundsätzlich unklar ist, ob die zugeführten Substanzen den Gelenkknorpel überhaupt und – wenn ja – in ausreichender Konzentration erreichen. In bisherigen vollständig veröffentlichten qualitativ höherwertigen randomisierten Studien beeinflusst Glucosamin Schmerzen oder Funktion nach WOMAC-Index nicht besser als Placebo (WOMAC-Index = Western Ontario and McMaster Universities Osteoarthritis Index, Fragebogen zur Erfassung von Schmerzen, Funktion und Steifigkeit bei Arthrose) [11, 12].
Im Handel befindliche Arzneimittel wie dona® oder Voltaflex® sind apothekenpflichtig und nicht verordnungsfähig.
Vitamine und Spurenelemente
Nahrungsergänzungsmittel, die häufig Kombinationen verschiedener Substanzen enthalten, gelten rechtlich als Lebensmittel. In diesem Zusammenhang häufig diskutiert wird der Nutzen der antioxidativen Vitamine A, C, E sowie des Spurenelements Selen im Rahmen der Behandlung von Gelenkerkrankungen.
Ein systematischer Review randomisierter klinischer Studien aus dem Jahr 2007 ergab, dass klinische Studien, welche die Effektivität von Vitamin E in der Behandlung der Arthrose bzw. der entzündlichen Arthritis untersuchten, zum einen methodische Mängel aufwiesen. Darüber hinaus lieferten sie widersprüchliche Resultate. Die systematische Suche nach entsprechenden Schlüsselbegriffen hatte insgesamt 20 randomisiert kontrollierte Studien ermittelt, die sich mit der fraglichen Thematik beschäftigen [Canter PH et al. 2007].
Eine Studie stellte die Überlegenheit von Vitamin E über Placebo fest, drei andere Studien zeigten eine Äquivalenz zwischen Vitamin E und Diclofenac in der Behandlung der entzündlichen Arthritis. Bezüglich der Arthrose-Behandlung verglichen vier Studien Vitamin E mit Placebo, zwei kürzer angelegte Untersuchungen lieferten hier positive Ergebnisse, während zwei längere Studien negative Resultate ergaben.
Für die Effektivität von Selen, Vitamin A, Vitamin C, Vitamin E oder eine Kombination der Substanzen untereinander konnte der Autor des Reviews abschließend keine überzeugende Evidenz finden.
EFSA sieht keinen Wirknachweis
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) äußert sich in einer Stellungnahme aus dem Jahr 2009: Auf Basis der verfügbaren Daten könne eine Ursache-Wirkungs-Beziehung zwischen der Einnahme von Glucosamin (entweder als Hydrochlorid oder als Sulfat) allein oder in Kombination mit Chondroitinsulfat, und dem Erhalt normaler Gelenke in der Allgemeinbevölkerung nicht festgestellt werden.
GAITDie vom amerikanischen National Institut of Health (NIH) in die Wege geleitete, firmenunabhängig durchgeführte GAIT-Studie (Glucosamine/Chondroitin Arthritis Intervention Trial) aus dem Jahr 2006 schloss 1583 Patienten mit leichten bis starken Schmerzen (Knie-Osteoarthritis) ein. Untersucht wurden mehrere Substanzen gleichzeitig: Patienten wurden für
für 24 Wochen randomisiert. Als "Notfall-Schmerzmittel" war Paracetamol bis maximal 4000 mg täglich erlaubt. Eingangs erfolgte eine Erfassung des Schweregrades der Knie-Schmerzen: 1229 Studienteilnehmer wiesen hier einen "milden" Zustand auf, bei 354 wurde der Schweregrad als moderat bis schwer bezeichnet. Ein Rückgang der Knie-Schmerzen um 20 Prozent – ausgehend vom Startpunkt bis zur Studienwoche 24 – diente als primäres Kriterium zur Beurteilung der Wirksamkeit der eingesetzten Substanzen. Zusammenfassend konnte festgestellt werden, dass Glucosamin und Chondroitinsulfat zu keiner signifikant besseren Reduktion der Knieschmerzen führten. Verglichen mit der Ansprechrate auf die Placebosubstanz (60,1%) war das Ansprechen auf Glucosamin um 3,9%, auf Chondroitinsulfat um 5,3% und auf die Kombination beider Substanzen um 6,5% höher. In der Celecoxib-Kontrollgruppe lag die Ansprechrate um 10% über derjenigen der Placebogruppe. Bemerkenswert ist, dass die Ansprechrate auf die Kombinationstherapie (Glucosamin + Chondroitinsulfat) bei denjenigen Patienten, deren Schmerzgrad anfangs als moderat bis schwer klassifiziert wurde, signifikant höher lag gegenüber Placebo (79,2% gegenüber 54,3%). Dies könnte bedeuten, dass Patienten dieser Subgruppe von einer Einnahme beider Substanzen profitieren könnten. Dies müsse jedoch – so die Autoren der Studie – durch weitere Studien bestätigt werden, bevor Behandlungsentscheidungen getroffen werden könnten [12]. |
Glucosamin-Interaktion mit Antikoagulanzien
2012 hat sich die EFSA erneut mit dem Aminozucker Glucosamin als Lebensmittelinhaltsstoff beschäftigt und die Einschätzung des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) bestätigt: Die Behörde gelangte übereinstimmend mit der Bewertung des BfR zu der Schlussfolgerung, dass Belege für das Risiko von Wechselwirkungen zwischen Glucosamin und Cumarin-Antikoagulanzien vorliegen. Glucosamin führe zu einer Verstärkung der blutgerinnungshemmenden Wirkung der Medikamente, welche dann unversehens stärker als erwartet ausfallen können. In den meisten der berichteten Fälle handelte es sich um symptomlose Laborwertveränderungen, es wurde jedoch auch von Blutungen in verschiedenen Organen berichtet, in einem Fall mit der Folge einer schweren Hirnblutung [14].
Schlechte Datenlage für Oxaceprol und Ademetionin
Nicht ausreichend dokumentiert sind die chondroprotektiven und funktionsverbessernden Effekte für die beiden verschreibungspflichtigen Präparate AHP 200® (Wirkstoff Oxaceprol) und Gumbaral® (Wirkstoff Ademetionin). Vergleichsstudien gegen aktive Kontrollen (NSAR) konnten weder die Über- noch die Unterlegenheit belegen; wegen inadäquater Studiendesigns kann zudem nicht auf Äquivalenz geschlossen werden [16].
Beide Präparate sind gemäß Anl. III AM-RL Punkt 9 ("Antiarthrotika und Chondroprotektiva") von der Verordnung zulasten der GKV ausgeschlossen. Zudem ist AHP 200® noch nicht abschließend auf Wirksamkeit und Unbedenklichkeit geprüft, da es sich um ein fiktiv zugelassenes Arzneimittel handelt (siehe hierzu auch: "Das Pentalong® -Problem" in der DAZ 2012, Nr. 19, S. 55).
Literatur
Autorinnen
Apothekerinnen und wissenschaftliche Mitarbeiterinnen in der Arbeitsgruppe "Arzneimittelanwendungsforschung", Zentrum für Sozialpolitik, Universität Bremen
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