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Tierpharmazie
Morbus Cushing bei Hund und Pferd
Etwa 80 bis 85% der Cushing-Fälle beim Hund sind hypophysär bedingt, meist durch Mikroadenome corticotroper Zellen in der Pars distalis der Hypophyse. Infolge chronisch erhöhter ACTH-Sekretion kommt es zur beidseitigen Hyperplasie der Nebennierenrinden und vermehrter Cortisolausschüttung. Vor allem ältere Hunde ab dem neunten Lebensjahr sind betroffen, besonders Dackel, Pudel, kleine Terrierrassen und Chihuahuas. Die restlichen 15 bis 20% der Erkrankungsfälle sind adrenale Adenome oder Adenokarzinome der Nebennierenrinde, die vor allem bei älteren Tieren größerer Rassen und eher bei Hündinnen vorkommen und zu einer exzessiven Cortisolproduktion führen.
Schleichende Krankheitsentwicklung
Die klinischen Symptome entwickeln sich in den meisten Fällen allmählich über viele Monate hinweg und werden vom Besitzer oft nicht als solche erkannt, sondern dem normalen Alterungsprozess zugeschrieben: "Er läuft halt nicht mehr so viel und ist dicker geworden." Als erste Symptome treten meist Polyurie, Polydipsie und Polyphagie auf, manchmal schon einige Monate vor anderen Symptomen wie Stammfettsucht und Hängebauch (Abb. 1). Die Zunahme des Bauchumfangs ist vor allem auf eine Hepatomegalie zurückzuführen, die durch massive Glykogeneinlagerung in der Leber verursacht wird – eine Speziesbesonderheit beim Hund.
Gleichzeitig kommt es zur Muskelatrophie am Kopf, an den Extremitäten und Bauchmuskeln. Eine bilaterale Alopezie bis hin zur völligen Kahlheit, von der nur Kopf und Pfoten ausgenommen sind, ist eine typische und sehr auffällige Fellveränderung. Die verbleibenden Haare werden feiner, weicher, länger und oft auch heller. Eine Hautatrophie macht sich durch feine Hautfältelung und durchscheinende Gefäße bemerkbar (Abb. 2). Die Hunde ermüden rasch, hecheln und schlafen vermehrt, bevorzugen kalte Liegeplätze und haben infolge der Muskelatrophie Probleme beim Treppensteigen oder Springen ins Auto.
Diagnostische Funktionstests
Deuten hämatologische und blutchemische Befunde wie erhöhte Alkalische Phosphatase, erhöhte Leberenzyme oder Hypercholesterinämie auf eine mögliche Erkrankung hin, kann ein Low-dose-Dexamethason-Suppressionstest Klarheit bringen. Zur Unterscheidung zwischen einem hypophysär und einem adrenal bedingten Cushing Syndrom bieten sich die sonografische Untersuchung der Nebennieren oder ein High-dose-Dexamethason-Suppressionstest an.
Medikamentöse Therapie beim Hund
Die Pharmakotherapie steht im Vordergrund bei der Behandlung des Cushing-Syndroms des Hundes. Strahlentherapie und operative Verfahren spielen kaum eine Rolle.
Seit Trilostan vor etwa fünf Jahren als Veterinärpräparat unter dem Handelsnamen Vetoryl® in Deutschland zugelassen wurde, ist es die meistverwendete Substanz, vor allem zur Behandlung des hypophysär bedingten Cushing-Syndroms des Hundes. Trilostan ist ein synthetisches, hormonell inaktives Steroidanalogon und hemmt selektiv und reversibel für 12 bis 24 Stunden die 3-β-Hydroxysteroid-Dehydrogenase in der Nebenniere. Es verhindert so die Bildung von Cortisol, Corticosteron und Aldosteron. Die Hartkapseln sollten immer zur gleichen Tageszeit mit etwas Futter eingegeben werden. Etwa vier bis sechs Stunden nach Kapselgabe sind die niedrigsten Cortisolwerte zu erwarten. Empfehlenswert sind ACTH-Stimulationstests zur Therapiekontrolle zehn Tage, vier und zwölf Wochen nach Therapiebeginn und dann etwa alle drei Monate. Polyurie, Polydipsie und Polyphagie lassen meist schon in den ersten zehn Behandlungstagen deutlich nach, während die Normalisierung der Haut- und Haarveränderungen bis zu drei Monate dauern kann. Trilostan wirkt embryotoxisch und darf trächtigen Hündinnen nicht verabreicht werden. Schwangere sollten die Hartkapseln und auch die Ausscheidungen des behandelten Tieres nicht anfassen. Unkonjugierte Trilostanmetaboliten werden vorwiegend über den Urin ausgeschieden, konjugierte Metaboliten über die Galle und Faeces. Die Therapie ist gut steuerbar, da die Hemmung der Steroidsynthese beim Absetzen der Kapseln entfällt. Zu Therapiebeginn und unmittelbar nach der Kapselgabe können Müdigkeit, Blähungen und Erbrechen auftreten. Ansonsten ist Trilostan in der Regel gut verträglich. Muss der Hund auch ACE-Hemmer oder kaliumsparende Diuretika einnehmen, sollten Natrium und Kalium im Serum engmaschig kontrolliert werden, da es zur Hyperkaliämie und Hyponatriämie und damit zu einem Hypoadrenocortizismus (Morbus Addison) kommen kann.
Mitotane (o,p-Dichlordiphenyldichlorethan), als Lysodren® als Humanpräparat im Handel, zerstört die Nebennierenrinde und war bis zur Einführung von Trilostan die einzige praktisch relevante pharmakologische Therapiemöglichkeit. Heute ist es immer noch Mittel der Wahl bei adrenalen Tumoren, sofern eine Adrenalektomie nicht infrage kommt. Bei einer kontrollierten partiellen Schädigung mit Mitotane belässt man soviel aktives Nebennierenrindengewebe, dass es zur Produktion des lebensnotwendigen Bedarfs an Cortisol ausreicht. Engmaschige ACTH-Stimulationstests sind besonders in der initialen Schädigungsphase notwendig. Zur Kontrolle der Erhaltungstherapie reichen ACTH-Stimulationstests in drei- bis sechsmonatigen Abständen aus. Mitotane ist fettlöslich und wird, anfangs eventuell auf mehrere Tagesgaben verteilt, am Ende einer fettreichen Fütterung verabreicht. Um einen direkten Kontakt mit dieser hochpotenten zytotoxischen Substanz zu vermeiden, sollten die Tabletten nur mit Handschuhen angefasst werden. Da sich mit Mitotane behandelte Hunde Stress und belastenden Situationen, z. B. zusätzlichen akuten Erkrankungen, Operationen, Unfällen oder starken körperlichen Anstrengungen nicht anpassen können, muss in solchen Fällen hoch dosiert Prednisolon verabreicht werden.
… und wie sieht es beim Pferd aus?
Das Equine Cushing Syndrom ist die häufigste hormonelle Erkrankung bei älteren Pferden. Etwa zwanzig Prozent aller Pferde und Ponys über fünfzehn Jahren sind betroffen. Doch auch jüngere Tiere können erkranken. Durch oxidativen Stress kommt es zur Neurodegeneration im Hypothalamus mit nachfolgender Abnahme der Dopaminausschüttung. Die fehlende Hemmwirkung des Dopamins führt zur Hypertrophie und eventuell zur Adenombildung der Pars intermedia der Hypophyse. Diese reagiert mit einer ungebremsten ACTH-Sekretion, die wiederum in der Nebennierenrinde große Mengen an Cortisol freisetzt. Da die Pars intermedia über keine Glucocorticoidrezeptoren verfügt, findet keine negative Rückkopplung statt und die permanente Cortisolüberproduktion verursacht die typischen Cushing-Symptome.
Hirsutismus ist pathognomonisch
Das auffälligste Symptom der meisten betroffenen Pferde ist eine Veränderung des Fells. Es treten Fellwechselstörungen bis hin zu ganzjährig langem und dickem Haarkleid mit einer typischen Lockenbildung auf (Abb. 3). Erste Anzeichen sind vereinzelte lange Haare und Farbveränderungen, oftmals am Unterkiefer und an den Beinen. Die Fellveränderungen werden als Hirsutismus bezeichnet und sind pathognomonisch, das heißt ihr Auftreten deutet bereits für sich allein genommen auf ein Equines Cushing Syndrom hin.
Hufrehe als schwerwiegendes Symptom
Bei bis zu 80 Prozent der betroffenen Pferde, vor allem bei Ponys, treten Hufrehe auf. Bei dieser äußerst schmerzhaften aseptischen Entzündung der Huflederhaut lösen sich die lamellären Verbindungen im Hufbeinträger und es kann zur Hufbeinrotation oder gar zum "Ausschuhen" kommen. Zusätzlich treten beim Equinen Cushing Syndrom weitere, eher unspezifische Symptome auf, die im Lauf der Erkrankung deutlicher werden und auf die erhöhte Cortisolwirkung zurückzuführen sind. Dazu zählen Leistungsschwäche, Muskelatrophie, Gewichtsverlust, Fettpolsterbildung am Mähnenkamm und vor allem über den Augen, Hyperhidrose ohne Belastung, Apathie, Polyurie, Polydipsie, Ataxie und andere neurologische Symptome, Wundheilungsstörungen sowie erhöhte Anfälligkeit für infektiöse Erkrankungen.
Differenzialdiagnose metabolisches Syndrom
Bei einem klinischen Verdacht auf das Equine Cushing Syndrom sollte ein metabolisches Syndrom ausgeschlossen werden. Dieses kann zum Teil ähnliche Symptome aufweisen und auch gleichzeitig mit einem Cushing Syndrom auftreten. Allerdings betrifft das Equine Metabolische Syndrom eher jüngere und adipöse Pferde und die für das Cushing Syndrom charakteristischen Fellveränderungen fehlen. Zum Nachweis des Equinen Cushing Syndroms bieten sich ein ACTH-Test und ein Overnight-low-dose-Dexamethason-Suppressionstest an.
Dopaminagonist als Therapie der Wahl
Zur Behandlung des Equinen Cushing Syndroms eignet sich das synthetisch hergestellte Mutterkornalkaloidderivat Pergolid (als Pergolidmesilat), das seit September 2010 unter dem Handelsnamen Prascend® für Pferde in Deutschland zugelassen ist. Pergolid hemmt als lang wirkender Dopaminrezeptor-Agonist die ACTH-Produktion in der Pars intermedia der Hypophyse und führt innerhalb von sechs bis zwölf Wochen zu einer deutlichen klinischen Besserung. Beim Auftreten von Nebenwirkungen wie Inappetenz, Apathie, leichter Ataxie, Diarrhö oder Koliken ist eine vorübergehende Dosisreduktion sinnvoll, bei einschleichender Dosierung ist die Verträglichkeit aber in der Regel gut. Bis zur Stabilisierung des klinischen Bildes sollten alle sechs Wochen endokrinologische Untersuchungen vorgenommen werden. Danach reicht eine Therapieüberwachung alle sechs Monate aus. Die teilbaren Tabletten werden einmal täglich mit Melasse oder in einer Möhre bzw. einem Apfel versteckt verabreicht. Auch Auflösen in einer kleinen Menge Wasser ist möglich. Schwangere oder stillende Frauen sollten bei der Verabreichung der Tabletten Handschuhe tragen. Besondere Vorsicht ist beim Teilen der Tablette geboten, da es zu Augenreizungen und Kopfschmerzen kommen kann. Die Tabletten sollten über das Teilen hinaus nicht zerkleinert werden.
Aus lebensmittelrechtlicher Sicht zu beachten
Pferde gehören zu den lebensmittelliefernden Tieren. Pergolidmesilat darf nicht bei Tieren angewendet werden, die für den menschlichen Verzehr bestimmt sind, das heißt behandelte Pferde dürfen niemals für den menschlichen Verzehr geschlachtet werden. Daher muss das Pferd im Equidenpass als nichtlebensmittellieferndes Tier eingetragen sein, damit es mit Pergolid behandelt werden darf. Stuten, die Milch für den menschlichen Verzehr liefern, dürfen nicht mit Pergolid behandelt werden.
Begleitende Maßnahmen
Ein konsequentes Gesundheitsmanagement ist für Pferde mit Cushing Syndrom sehr wichtig. Dazu gehören regelmäßige Hufpflege, tierärztliche Zahnkontrollen, Impfungen und Entwurmungen. Im Frühjahr und Sommer ist es sinnvoll, die langen und lockigen Haare zu scheren, um eine bessere Thermoregulation zu gewährleisten und Hautkrankheiten vorzubeugen. Vor allem bei Polyurie muss auf trockene Einstreu geachtet werden. Empfehlenswert ist eine rohfaserreiche Fütterung mit gezielter Energie- und Proteinversorgung und bedarfsgerechter Ergänzung mit Vitaminen, Mineralstoffen und Antioxidanzien. Kohlenhydrate mit einem hohen glykämischen Index wie Hafer und Mais sollten vermieden werden. Dagegen ist die Fütterung von Pflanzenöl, Luzerneprodukten und Pektin-haltigen Futtermitteln, z. B. Rübenschnitzeln, sinnvoll, bei abgemagerten Pferden auch von Sojaproukten und Bierhefe.
Quelle und weiterführende InternetlinksGrünbaum, E.-G. et al.: Klinik der Hundekrankheiten. Enke Stuttgart. 3. Auflage (2007).Hämmerling, R.: Hyperadrenokortizismus – die häufigste Ursache für hormonell bedingte Alopezien beim Hund – Behandlung mit Vetoryl® (Trilostane). In: Kleintiermedizin Nr. 5/6 (2006). Hämmerling R, Hrsg.: Praxis der endokrinologischen Krankheitsbilder bei Hund und Katze. Von der Pathophysiologie zur Therapie. Parey Stuttgart (2009).Hirsch, M.: Hyperadrenokortizismus bei Hund und Katze. VetMedNews. September (2006).www.cushing-hat-viele-gesichter.de (über M. Cushing beim Pferd).Produktinformation Prascend® der Firma Boehringer Ingelheim Vetmedica GmbH.
Anschrift der Verfasserin
Tierärztin Sabine Wanderburg, Seeweg 5a, 23701 Süsel
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