Rezepturen

Kopföle – gerne auch abwaschbar

Ein Beispiel aus dem Apothekenalltag

Von Gerd Wolf

Behaarte Regionen wie die Kopfhaut als Applikationsorte für topische Zubereitungen stellen besondere Anforderungen an die Vehikelsysteme. Rezepturen können dabei gezielt auf die individuellen Bedürfnisse eingehen. In einer gelungenen Kommunikation mit dem verordnenden Arzt können Apotheker deutlich machen, welche Möglichkeiten die Galenik bietet, um auch die Wünsche der Patienten zu erfüllen. Kopföle bieten gute Beispiele dafür, wie bereits kleine Variationen große Hilfen bewirken und so die Compliance fördern können.

Bei der Anwendung auf der Kopfhaut wünschen sich Patienten meist, dass die eingesetzten Zubereitungen nicht stark fetten sollen. Sie möchten nicht mit fettigen Haaren unangenehm auffallen, die Haare aber auch nicht zeitaufwendig mit großen Mengen von Shampoo häufiger waschen müssen. Für die Verordner stehen dagegen die Dosierungsgenauigkeit und die leichte Applikationsweise des Rezepturarzneimittels im Vordergrund, um den angepeilten Therapieerfolg sicher und schnell zu erzielen. Daher kommen für die Anwendung auf der Kopfhaut vorzugsweise fettarme, mit Wasser abwaschbare Grundlagensysteme wie hydrophile Cremes, hydrophile Linimente, hydrophile Lotionen oder Hydrogele in die engere Auswahl.

Kopföle – abwaschbar durch Tenside

Es werden aber auch Kopföle verordnet, die nach einer gewissen Verweildauer, eventuell auch über Nacht, vom Kopf abgewaschen werden sollen. Patienten beklagen immer wieder, wie mühsam es ist, die vielfach dabei verwendeten fetten Öle aus den Haaren herauszuwaschen. Apotheker können hier möglicherweise einen Kompromiss zwischen den therapeutischen Anforderungen und den gut verständlichen Wünschen der Patienten aufzeigen. Dafür bietet sich an, in Kopfölen statt der fetten Öle wie Olivenöl, Erdnussöl oder Rizinusöl "leichte", dünnflüssige Öle oder ölartige Hilfsstoffe einzusetzen. Außerdem kann der öligen Lösung oder Suspension direkt ein Tensid bzw. Emulgator zugesetzt werden, sodass die Zubereitung später größtenteils nur mit Wasser oder mit möglichst wenig Shampoo entfernt werden kann.

Standardisierte Rezepturen

Solche "abwaschbaren Kopföle" sind im Neuen Rezeptur Formularium (NRF) und in seinem österreichischen Pendant (Neues Formularium Austriacum [NFA]) enthalten. Im "Abwaschbaren Salicylsäure-Öl 2%/5%/10% (NRF 11.85.)" (siehe Tab. 1) wurden die üblicherweise eingesetzten fetten Öle durch Octyldodecanol ersetzt.

Tab. 1: Abwaschbares Salicylsäure-Öl 2%/5%/10% (NRF 11.85.)

Salicylsäure
2,0 g
5,0 g
10,0 g
Mulsifan® CPA
10,0 g
10,0 g
15,0 g
Octyldodecanolad
100,0 g
100,0 g
100,0 g
Aufbrauchfrist: 6 Monate über 8 °C (Glasflasche)

Chemisch betrachtet sind Öle flüssige Triglyceride, die als Ester hydrolytisch gespalten werden können. Dies läuft vorzugsweise in wasserhaltigen und gleichzeitig neutralen bis basischen Milieus ab, aber auch im sauren Milieu ist eine solche Hydrolyse möglich. Gerade in Gegenwart der Salicylsäure, einer mittelstarken Säure, kann auch ohne Anwesenheit von Wasser eine saure Hydrolyse ablaufen. Die dabei entstehenden freien Fettsäuren riechen unangenehm und reizen die Haut. Als alternatives, nicht hydrolysierbares Lösungsmittel für Salicylsäure hat das NRF den verzweigtkettigen Alkohol Octyldodecanol (Eutanol® G) gewählt. Dies ist dünnflüssiger als die fetten Öle und wird von den Anwendern nach dem Auftragen als nicht so "fettig" empfunden. In kosmetischen, halbfesten Zubereitungen wird Octyldodecanol häufig zusammen mit anderen Lipiden eingesetzt. Salicylsäure ist in Eutanol® G bis zu 8 Prozent löslich. Bei Salicylsäurekonzentrationen ab 10 Prozent muss zusätzlich Rizinusöl als Lösungsmittel eingesetzt werden (siehe "Salicylsäure-Öl 2%/5%/10% (NRF 11.44.)" (siehe Tab. 2). In der abwaschbaren Form (NRF 11.85., siehe Tab.1) wird stattdessen die Löslichkeit in dem Tensid bzw. Emulgator Macrogol-4-laurylether (INCI: Laureth-4, im Handel als Mulsifan® CPA) ausgenutzt. Hierin ist Salicylsäure zu mehr als 20 Prozent löslich. Zum Entfernen des "Abwaschbaren Salicylsäure-Öls (NRF 11.85.)", das zum Entschuppen bei Kopfpsoriasis unter einer Haube über Nacht verbleibt, ist lediglich warmes Wasser und notfalls nur wenig Shampoo erforderlich.


Tab. 2: Salicylsäure-Öl 2%/5%/10% (NRF 11.44.)

Salicylsäure
2,0 g
5,0 g
10,0 g
Raffiniertes Rizinusöl
60,0 g
Octyldodecanolad
100,0 g
100,0 g
100,0 g
Aufbrauchfrist: 6 Monate über 8 °C (Glasflasche)

Kopföle mit Glucocorticoiden

Etliche Dermatologen fügen solchen Kopfölen Glucocorticoide wie Betamethason-17-valerat oder Clobetasol-17-propionat hinzu, die sich jedoch in den Ölen nicht lösen lassen. Hierdurch ergeben sich Probleme für die Galenik und die Anwendung. Die typischerweise recht kleinen Verordnungsmengen des Corticoids zwischen 50 und 100 mg müssen in dem relativ großen Anteil des viskosen Öls homogen verteilt werden. Dies betrifft nicht nur die Herstellung in der Apotheke, sondern auch die Handhabung durch den Patienten. Denn beim ruhigen Stehenlassen sinken die Feststoffe ab und sammeln sich am Boden des Abgabegefäßes. Der Patient hat nun zu Hause die Aufgabe, diesen Bodensatz vor dem Gebrauch aufzuschütteln und wiederum in dem Öl homogen zu verteilen. Da die eingesetzten mikronisierten Pulver sehr leicht sind, lassen sie sich in dem zähflüssigen Medium nicht einfach von einem Laien und ohne Hilfsmittel gleichmäßig verteilen. Daraus folgt das Risiko beträchtlicher Ungenauigkeiten in der Dosierung, die angesichts der Potenz starker und sehr starker extern angewendeter Glucocorticoide [1] kaum akzeptabel sind.

Beispielrezeptur mit Anwendungsproblem

In der Beispielrezeptur wurde offenbar nur ein Torso einer derartigen Rezeptur aufgeführt:


Beispielrezeptur
Rp.
Clobetasol-17-propionat0,05 g
Macrogol-4-laurylether10,0 g
Octyldodecanolad 100,0 g
m. f. oleum analog (NRF 11.85.)
Pkt. 5.2.2 (Kopföl ohne Salicylsäure)

Bei dieser Suspension eines Corticoids in einem abwaschbaren Öl sind die dargestellten Anwendungsprobleme zu erwarten. Zur Verbesserung sollte das Glucocorticoid in Lösung gebracht werden und während des gesamten Anwendungszeitraums auch in Lösung bleiben.

Vorbild für die Optimierung

Einen Lösungsansatz bietet die schon vor vielen Jahren in Österreich standardisierte Vorschrift für ein "Salicylsäure-Kopföl 10% (NFA)" (siehe Tab. 3). Darin wird die Salicylsäure nicht in den öligen Anteilen, sondern zuvor im Ethanol gelöst. Diese Lösung wird zunächst bedeckt zur Seite gestellt. Der ölige Anteil besteht aus einem Emulgator, der nicht mehr auf dem Markt ist, aber durch Macrogol-8-stearat als Nachfolger ersetzt werden kann. Aufgrund des O/W-Charakters dieses Emulgators (HLB-Wert 11,1) kann die Zubereitung allein mit warmem Wasser und eventuell mit wenig Shampoo ausgewaschen werden.


Tab. 3: Salicylsäure-Kopföl 10% (NFA)

Acid. salicylic.
10,0 g
Ethanolum 96%
10,0 g
Polyethylenglycolum-8-stearicum
10,0 g
Isopropyl. myristic.
35,0 g
Ol. Arachid.ad
100,0 g
Aufbrauchfrist: 6 Monate bei Raumtemperatur (Kunststoff-Quetschflasche mit Spritzeinsatz)

Isopropylmyristat (IPM) ist ein farbloses, niedrigviskoses Öl [2]. Es ist in Wasser und Glycerin unlöslich, jedoch in drei Teilen Ethanol löslich sowie mit Ether, Chloroform, Petrolether, flüssigem Paraffin und fetten Ölen mischbar. Chemisch gesehen handelt es sich um ein flüssiges Wachs, das dem Bürzeldrüsenfett ähnelt. IPM wird in Salben und Emulsionen als hautverträgliches, toxikologisch unbedenkliches Lösungsmittel bzw. als Lösungsvermittler eingesetzt. Es besitzt gutes Spreitvermögen und dient zur Verbesserung der Resorption durch die Haut. In Mischungen mit fetten Ölen lässt es diese weniger fett erscheinen bzw. empfinden.

Erdnussöl ist das aus den Samen gewonnene, raffinierte, fette Öl [3]. Das klare, hellgelbe Öl hat einen milden Geschmack, ist geruchlos oder von schwach nussartigem Geruch. Erdnussöl enthält Triglyceride der Öl-, Palmitin-, Stearin-, Arachin- und Linolsäure. In Salbengrundlagen dient es als Lipidkomponente, z. B. in Ungt. leniens bzw. Kühlsalbe DAB. Die in der Literatur immer wieder anzutreffenden Angaben zur Sensibilisierung und Allergisierung durch Eiweißkontaminanten beziehen sich gemäß neueren Untersuchungen von Ring et al. [4] in erster Linie auf natives Erdnussöl.

Die beiden Ölkomponenten und der Emulgator werden auf dem Wasserbad geschmolzen, vom Wasserbad heruntergenommen und etwas abkühlen gelassen. Danach wird die ethanolische Lösung hinzugegeben. Tritt dabei eine Trübung auf, wird noch einmal kurz auf dem Wasserbad erwärmt, bis die Trübung verschwunden ist. Anschließend wird bis zum Erreichen von Zimmertemperatur kalt gerührt. Schließlich wird der verdunstete Ethanol ergänzt. Es liegt nun ein dünnflüssiges Öl vor, das zur optimalen Anwendung in eine Quetschflasche mit Spritzeinsatz mit kleiner Öffnung gefüllt wird. Dies ermöglicht eine ziel- und dosierungsgenaue Applikation.

In der ethanolischen Lösung von Salicylsäure können zusätzlich Glucocorticoide gelöst werden. Eine mögliche Inkompatibilität zwischen der Salicylsäure und dem Glucocorticoid aufgrund unterschiedlicher pH‑Stabilitätsoptima ist in Ethanol irrelevant.

Optimierung: Variante ohne Salicylsäure

Aufgrund dieses Vorbildes bietet sich für die Beispielrezeptur an, das Clobetasol-17-propionat in Ethanol 96% zu lösen und dann unter Rühren in die Mischung von Octyldodecanol und Macrogol-4-laurylether (Mulsifan® CPA) zu geben. Dies ergibt folgende Optimierung:


Optimierung ohne Salicylsäure
Rp. (optimiert)
Clobetasol-17-propionat0,05 g
Ethanol 96%10,0 g
Mulsifan® CPA 10,0 g
Octyldodecanolad 100,0 g
Aufbrauchfrist: 6 Monate (Kunststoff-Quetschflasche) bei 
Raumtemperatur (nicht unter 8 °C)

Optimierung: Variante mit Salicylsäure

Eine Kombination eines Glucocorticoids mit Salicylsäure in Octyldodecanol bzw. einer Mischung aus Octyldodecanol und Rizinusöl befindet sich seit einiger Zeit auch im NRF, allerdings nicht in einer abwaschbaren Form: "Salicylsäure-Öl 2%/5%/ 10% mit Triamcinolonacetonid 0,1% (NRF 11.134.)" (siehe Tab. 4).

Tab. 4: Salicylsäure-Öl 2%/5%/10% mit Triamcinolonacetonid 0,1% (NRF 11.134.)

Salicylsäure
2,0 g
5,0 g
10,0 g
Triamcinolonacetonid
0,1 g
0,1 g
0,1 g
2-Propanol
9,9 g
9,9 g
9,9 g
Raffiniertes Rizinusöl
50,0 g
Octyldodecanolad
100,0 g
100,0 g
100,0 g
Aufbrauchfrist: 6 Monate über 8°C (Kunststoffflasche)

Die Herstellung dieser Rezeptur weicht von der Vorgehensweise bei der österreichischen Vorschrift ab. Während dort die Salicylsäure allein oder zusammen mit dem Glucocorticoid im Ethanol 96% gelöst wird, werden die beiden Wirkstoffe in der NRF-Rezeptur getrennt voneinander gelöst. Gemäß NRF-Vorschrift erfolgt zunächst eine Lösung der Salicylsäure in Octyldodecanol bzw. in der Mischung von Octyldodecanol und Rizinusöl unter Rühren und Erwärmen bis maximal 95 °C. Anschließend wird Triamcinolonacetonid in 2-Propanol unter Rühren auf etwa 70 °C erwärmt und gelöst. Daraufhin wird die Triamcinolonacetonid-Lösung in das Öl eingerührt. Verdunstungsverluste werden mit einer Waschflüssigkeit ergänzt, die beim Ausspülen des Becherglases mit wenig 2-Propanol gewonnen wird. Durch den nachträglichen Zusatz von 10 Prozent Mulsifan® CPA könnte auch die NRF-Formulierung abwaschbar gestaltet werden.


DAZ.online


Ausführliche Tabellen als Hilfsmittel für das Erkennen und Lösen von Rezepturproblemen finden Sie auf DAZ.online unter DAZ.plus/Dokumente.

Grundsätzliche Hinweise zum Umgang mit den Tabellen finden Sie in der DAZ 2010; Nr. 30, S. 38 – 45, Ergänzungen dazu ebenfalls bei DAZ.online.


Literatur

[1] Niedner R: Glucocorticosteroide, in: Niedner, R., Ziegenmeyer, J. (Hrsg.), Dermatika, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart 1992, Tabelle 4.4, S. 82 – 83

[2] Ammon HPT (Hrsg.): Hunnius Pharmazeutisches Wörterbuch, De Gruyter Verlag Berlin 2010, 10. Auflage, S. 888

[3] ebenda, S. 144

[4] Ring J, et al.: Allergy to peanut oil – clinically relevant? J. Eur. Acad. Dermatol. Venerol. (2007) 21, 452 – 455


Autor
Dr. rer. nat. Gerd Wolf, Fachapotheker für Offizinpharmazie
Robert-Koch-Apotheke, Fauviller Ring 1, 53501 Grafschaft-Ringen


Rezepturprobleme erkennen und lösen


In der DAZ 30/2010 hatte Dr. Gerd Wolf ein praxisorientiertes Konzept zum Erkennen und Lösen von Rezepturproblemen vorgestellt und die Anwendung an einem Beispiel erläutert. Die Vorgehensweise wird in weiteren Beiträgen vertieft. Bislang sind erschienen:



DAZ 2011, Nr. 25, S. 54

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