Rezepturen

Kombinationen in Rezepturen hinterfragen

Rezepturprobleme erkennen und lösen – Folge 3

Von Gerd Wolf

In dieser Folge zum Umgang mit Rezepturproblemen geht es um das Praxisbeispiel einer angeblich "genial wirkenden" Rezeptur. Die Patientin hatte sie von ihrem Gynäkologen zur Behandlung eines Analekzems verordnet bekommen. Doch ein Dermatologe lehnte die erneute Verordnung ab – mit guten pharmakologischen und dermatologischen Gründen, wie die nähere Betrachtung zeigt.

Die Beispielrezeptur lautet:

Rp.

 

Nystatin 1,0 g

 

Estradiolbenzoat 0,0034 g

 

Prednisolon 0,2 g

 

Methyl-4-hydroxybenzoat 0,1 g

 

Propylenglycol 2,0 g

 

Basiscreme DAC ad 50,0 g

 

Nystatin

Nystatin ist ein fungizid wirkendes Tetraen-Makrolid-Antibiotikum mit drei Komponenten [1]. Hauptbestandteil des Komplexes ist Nystatin A1, es zeigt Inkompatibilitäten gegenüber Säuren und Alkalien. Nystatin ist außerdem empfindlich gegenüber Licht, Sauerstoff, Wärme und extremen pH-Werten. Es sollte daher im Kühlschrank gelagert werden. In wässrigen Lösungen und Suspensionen zeigt es seine besondere Instabilität. Bei pH 5 bis 7 liegt sein Stabilitätsoptimum, bei pH 4,5 bis 6,5 das Wirkoptimum (siehe DAZ.online Tabelle 5). Sogar bei 4 °C und pH-Wert 6 ist eine Lösung nur eine Woche haltbar. Nach Stabilitätsuntersuchungen des NRF-Labors an einer Nystatin-Suspension (NRF 21.3.) und einer hydrophilen Nystatin-Creme (NRF 11.105.) wurde eine Aufbrauchfrist von drei Monaten bei Lagerung unter 8 °C empfohlen.

Da die Aktivität der Reinsubstanz-Chargen im Handel schwankt, sollten Konzentrationsangaben nicht in Gramm, sondern in internationalen Einheiten (I.E.) erfolgen. Die Mindestaktivität beträgt 4400 I.E./mg. Die empfohlene Konzentration in Zubereitungen liegt bei 100.000 I.E. pro Gramm. Die Konzentrationsangabe in der Beispielrezeptur ist demzufolge ungenau und müsste stattdessen 5 Mio. I.E. lauten. Der Einsatz liegt hier nahe, weil bei Analekzemen häufig Sekundärinfektionen mit Candida albicans auftreten, für die Nystatin ein spezifisch wirkendes Antimykotikum darstellt.

DAZ.online

Ausführliche Tabellen als Hilfsmittel für das Erkennen und Lösen von Rezepturproblemen finden Sie auf DAZ.online unter DAZ.plus/Dokumente. Grundsätzliche Hinweise zum Umgang mit den Tabellen und ein weiteres Rezepturbeispiel finden Sie in der DAZ 2010; Nr. 30, S. 38 – 45, Ergänzungen dazu ebenfalls bei DAZ.online.

Estradiolbenzoat

17-β-Estradiol ist ein natürlich vorkommendes Östrogen [2]. Es wird topisch ebenso wie Estradiolbenzoat bei Acne vulgaris, seborrhoischem Ekzem, androgenetischer Alopezie, Vaginalatrophie und versuchsweise bei Lichen sclerosus et atrophicus eingesetzt. Als seltenere Indikation gilt Pruritus im Klimakterium. Mit dem Ziel des "Anti-Agings" wird es bei Altershaut und bei sehr trockener oder UV-geschädigter Haut verwendet. Estradiol und Estradiolbenzoat können als lipophile Stoffe bei topischer Anwendung prinzipiell resorbiert werden und systemisch wirken, möglicherweise ist ihre Wirksamkeit bei topischer Anwendung nur so zu erklären. Dann wären auch unerwünschte systemische Effekte zu berücksichtigen. Gemäß der Tabelle I.6.-1 im NRF (siehe DAZ.online Tabelle 3) beträgt die obere Richtkonzentration für Estradiol und Estradiolbenzoat in Topika 0,015 %. Die therapeutische Konzentration beträgt bei Frauen 0,015% und bei Männern 0,005%. Da es sich hier um eine Patientin handelt, liegt die in der Beispielrezeptur gewählte Menge mehr als die Hälfte unter der therapeutischen Konzentration, so dass eine optimale Wirkung wenig plausibel erscheint.

Prednisolon

Prednisolon gehört gemäß der Einteilung von Niedner zu den schwach wirksamen externen Glucocorticoiden (Klasse I) [3]. Es wird wegen seiner typischen antiphlogistischen Eigenschaften bei allen corticoidempfindlichen Dermatosen, Ekzemen, atopischer Dermatitis und Psoriasis eingesetzt. Therapeutische Konzentrationen liegen zwischen 0,1 und 0,5 Prozent. Die Therapiedauer sollte möglichst kurz bemessen sein. Dies gilt besonders beim Analekzem, da die Patienten häufig lange mit Corticoidexterna vorbehandelt wurden [4] und die unerwünschten Effekte primär bei langen Behandlungszeiten auftreten.

In wasserhaltigen Zubereitungen ist Prednisolon physikalisch instabil. Gemäß Untersuchungen des NRF-Labors [5] entsteht über Nacht eine neue Kristallmodifikation (siehe DAZ.online Tabelle 5), die unter dem Mikroskop als große Kristallbüschel zu erkennen sind. Daher sollte in wasserreichen Zubereitungen stattdessen Prednisolonacetat eingesetzt werden, wie z. B. in der NRF-Rezeptur "Hydrophile Prednisolonacetat-Creme 0,25%/ 0,5% (NRF 11.35.)". Auch in der Beispielrezeptur sollte Prednisolon gegen Prednisolonacetat ausgetauscht werden. Die Dosierung kann unverändert bleiben, weil Prednisolonacetat lipophiler als Prednisolon ist und besser resorbiert wird. Das Stabilitätsoptimum von Prednisolonacetat liegt bei pH 4,5 [3] (siehe DAZ.online Tabelle 5) und würde mit dem Wirkoptimum von Nystatin eher harmonieren.

Bewertung der Kombination

Die Kombination von Glucocorticoiden, Antimykotika und eventuell zusätzlich noch Antibiotika oder Antiseptika in Individualrezepturen wird von klinischen Dermatologen sehr kritisch gesehen und größtenteils strikt abgelehnt. Wohlwollende Kritiker tolerieren gerade noch eine Anwendung über drei Tage und verlangen danach einen Wechsel zu getrennten Zubereitungen. Denn bei hinreichend langer Anwendung führen Glucocorticoide zur Verdünnung der Haut und zu verminderter Abwehrbereitschaft. Antimykotika und Antibiotika oder Antiseptika werden hier eingesetzt, um die Besiedlung mit Pilzen oder Bakterien zu vermeiden, doch betrachten Kritiker dies als "Feigenblatt"-Funktion. Vielmehr sollten Glucocorticoide grundsätzlich extern nur kurzfristig und nach Abklingen der sichtbaren Symptome ausschleichend angewendet werden, um ein "Rebound"-Phänomen zu vermeiden. Antimykotika sollten dagegen mindestens vier Wochen lang appliziert werden, um ein Rezidiv zu verhindern. Als praxisorientierter Kompromiss sollte eine Kombination aus einem Corticoid und einem Antimykotikum maximal zwei Wochen eingesetzt werden, danach sollte mit dem Antimykotikum allein bis zum Ende der vier Wochen weiter behandelt werden. Eine Alternative bietet der Einsatz von Terbinafinhydrochlorid, weil dieses Allylamin-Antimykotikum nur eine Behandlungsdauer von einer Woche erfordert. Es steht bisher nur als Fertigarzneimittel (z. B. Lamisil®) zur Verfügung.

Konservierung

Das Konservierungsmittel Methyl-4-hydroxybenzoat gehört zur Gruppe der PHB-Ester (Parabene), gegen die relativ viele Allergien bestehen. Dennoch werden Mischungen von Methyl- (Nipagin® M) und Propylestern (Nipasol® M) und weitere Ester der p-Aminobenzoesäure weiterhin bevorzugt eingesetzt [6], weil sie gegen ein breiteres Spektrum von Bakterien, Hefen und Pilzen wirken. Mit steigender Kettenlänge des Alkylrests nimmt die antimikrobielle Wirkung zu. In der Beispielrezeptur wird jedoch nur der Methylester verordnet, der gegen grampositive und weniger gut gegen gramnegative Bakterien, nicht jedoch gegen Hefen und Pilze wirkt (siehe DAZ.online Tabelle 18). Das Wirkungsoptimum der Parabene liegt bei pH 4 bis 7,5, das Stabilitätsoptimum bei pH 4 bis 8. Bei pH 8 bis 9 ist die Wirkung nur schwach. Bei pH > 8 setzen eine Salzbildung und eine Hydrolyse ein.

Propylenglycol wird in Konzentrationen von 5 bis 10 Prozent als Moisturizer eingesetzt. Daneben besitzt es in einer Konzentration von 20 Prozent (bezogen auf die Wassermenge) unabhängig vom pH-Wert konservierende Eigenschaften. Die Basiscreme DAC wird auf diese Weise konserviert. Da in der Beispielrezeptur kein weiteres Wasser zugesetzt wird, ist auch kein zusätzliches Propylenglycol zur Konservierung erforderlich. Möglicherweise hat der Verordner das Propylenglycol hier als Lösungsmittel für das nur schwer in Wasser lösliche Methyl-Paraben eingefügt. Doch ist die eingesetzte Basiscreme DAC bereits mit Propylenglycol ausreichend konserviert. Daher erscheinen die Zusätze von Methylparaben und Propylenglycol in der Beispielrezeptur als überflüssig und damit nicht plausibel.

Basiscreme DAC

Die Basiscreme DAC stellt hinsichtlich des Vehikel-Typs eine ambiphile Creme dar. Sie nimmt eine Mittelstellung zwischen einer O/W- und einer W/O-Creme ein und besitzt keine innere, disperse und äußere, kohärente Phase. Hydrophile und lipophile Phase liegen bikohärent in lamellarer Form nebeneinander vor. Die Basiscreme DAC enthält etwas mehr Fett (33%) als eine typische hydrophile bzw. O/W-Creme, jedoch nicht so viel wie eine lipophile bzw. W/O-Creme. Der Wassergehalt beträgt 40 Prozent. Sie wird mit Propylenglycol konserviert (siehe oben). Bei Zufuhr von Wasser (bis zu 50%) entsteht in allmählichen Übergängen eine hydrophile Creme, bei noch mehr Wasser (maximal bis 80%) eine hydrophile Lotion. Fügt man dagegen Fette und Öle (bis maximal 20%) zu, entsteht in allmählichen Übergängen eine lipophile bzw. W/O-Creme. So lässt sich abgestimmt auf die jeweilige Hautbeschaffenheit sozusagen ein "Maßanzug für die Haut" schneidern. Die unveränderte Basiscreme DAC ist bei subakuten bis leicht chronischen Hauterkrankungen und bei einer zur Trockenheit neigenden oder leicht trockenen Haut indiziert. Sie stellt eine rationale Alternative für Rezepturen mit "aufgefetteten" hydrophilen bzw. O/W-Cremes dar [7], die vielfach galenisch instabil sind (siehe Beispiel in DAZ 34/2010).

Optimierung

Eine zielführende Optimierung der Beispielrezeptur sollte folgende Aspekte berücksichtigen:

Wegen der Instabilität von Nystatin kann die Rezeptur nur kurze Zeit angewendet werden. Als Alternative bietet sich der Wechsel zu einem Azol-Antimykotikum wie z. B. Miconazolnitrat an, das länger stabil bleibt.

Wegen des Wirkungsoptimums von Nystatin sollte mit einem Puffer ein pH-Wert von 5 eingestellt werden.

Angesicht der weit unter der therapeutischen Konzentration liegenden Dosierung und der durch die systemische Resorption möglichen unerwünschten Wirkungen sollte 17-β-Estradiolbenzoat ersatzlos gestrichen werden.

Prednisolon sollte wegen seiner physikalischen Instabilität gegen Prednisolonacetat ausgetauscht werden. Dabei ist das pH-Stabilitätsoptimum zu beachten. Der pH-Wert der Basiscreme DAC liegt etwa beim Neutralpunkt.

Methyl-4-hydroxybenzoat und Propylenglycol sollten ersatzlos gestrichen werden, weil sie überflüssig sind.

Sofern Nystatin in der Rezeptur verbleiben soll, ergibt sich folgende Optimierungsmöglichkeit I:

Rp.

 

Nystatin 5 Mio. I.E.

 

Prednisolonacetat 0,2 g

 

Mittelkettige Triglyceride q. sat.

 

Citrat-Phosphat-Puffer pH 5 R 2,5 g

 

Basiscreme DAC ad 50,0 g

Aufbrauchfrist: 3 Monate bei Aufbewahrung im Kühlschrank (Aluminiumtube)

Die Herstellung und Kennzeichnung kann entsprechend den NRF-Vorschriften 11.105. und 11.35. erfolgen. Bei der Herstellung des Citrat-Phosphat-Puffers (siehe Anhang zum Reagenzien-Teil der Ph. Eur.) sollten 20 Prozent der zur Lösung benötigten Wassermenge durch Propylenglycol ersetzt werden. Ansonsten müssten der Rezeptur noch 0,5 g Propylenglycol hinzugesetzt werden, um die Konservierung wie in der Basiscreme DAC zu erhalten.

Falls Nystatin gegen Miconazolnitrat ausgetauscht wird, ergibt sich folgende Optimierungsmöglichkeit II:

Rp.

 

Miconazolnitrat 1,0 g

 

Prednisolonacetat 0,2 g

 

Mittelkettige Triglyceride q. sat.

 

Citrat-Phosphat-Puffer pH 5 R 2,5 g

 

Basiscreme DAC ad 50,0 g

Aufbrauchfrist: 6 Monate (Aluminiumtube)

Die Herstellung und Kennzeichnung kann entsprechend den NRF-Vorschriften 11.79. und 11.35 erfolgen. Unter den Azol-Antimykotika gilt Miconazolnitrat als säurestabil, während das wesentlich häufiger eingesetzte Clotrimazol bei pH-Werten ≤ 5 durch Hydrolyse zersetzt wird und dadurch seine Wirkung verliert.

Literatur [1] Häckh, G., Schwarzmüller, E., Codex dermatologischer Wirkstoffe, Nystatin, in: Niedner, R., Ziegenmeyer, J., Dermatika – Therapeutischer Einsatz, Pharmakologie und Pharmazie, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart (1992), S. 433 – 435 [2] Baumgärtner, A., Aknetherapeutika, in: Niedner R, Ziegenmeyer J: Dermatika - Therapeutischer Einsatz, Pharmakologie und Pharmazie, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart (1992), S. 144 – 145 [3] Niedner R: Glucocorticosteroide, in: Niedner R, Ziegenmeyer, J: Dermatika - Therapeutischer Einsatz, Pharmakologie und Pharmazie, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart (1992), S. 82 – 83 [4] Altmeyer P: Therapielexikon Dermatologie und Allergologie, Springer Verlag Heidelberg (2005), 2. Auflage, S. 241 – 242 [5] Reimann H: NRF: Basislotio? Pharm. Ztg. 1993; 138 (41): S. 44 [6] Kramer A, Reichwagen, S, Widulle H, Nürnberg W, Heldt, P: Organische Carbonsäuren, in: Kramer A, Assadian, O (Hrsg.): Wallhäußers Praxis der Sterilisation, Desinfektion, Antiseptik und Konservierung, Georg Thieme Verlag Stuttgart 2008, S. 706 – 708 [7] Wolf G: Das Mischen von O/W- und W/O-Systemen - eine besondere Inkompatibilität in Individual-Rezepturen, in: H + G 1995; Band 70, Heft 3, S. 182 – 184


 

Autor

Dr. rer. nat. Gerd Wolf, Fachapotheker für Offizinpharmazie, Robert-Koch-Apotheke, 
Fauviller Ring 1, 53501 Grafschaft-Ringen, Fax: (0 26 41) 75 76 20, 
E-Mail: robert-koch-apotheke@pharma-online.de

Rezepturprobleme erkennen und lösen


In der DAZ 30/2010 hatte Dr. Gerd Wolf ein praxisorientiertes Konzept zum Erkennen und Lösen von Rezepturproblemen vorgestellt und die Anwendung an einem Beispiel erläutert. Die Vorgehensweise wird in weiteren Beiträgen vertieft. Bislang sind erschienen:

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