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Arzneimittel und Therapie
Die Wirkung von Vitamin D auf Gehirn und Nervenzellen
Die biologisch aktive Form von Vitamin D ist das Calcitriol (1,25-Dihydroxycholecalciferol), das durch enzymatische Umwandlung durch die 1α-Hydroxylase aus Calcidiol (25-Hydroxycholecalciferol) entsteht. Nach heutigem Erkenntnisstand bindet Calcitriol an einen im Zellkern liegenden Steroidrezeptoren, den Vitamin-D-Rezeptor (VDR). Der Ligand-Rezeptor-Komplex initiiert das Ablesen bestimmter Gene, was eine Synthese bzw. Synthesehemmung verschiedener Proteine zur Folge hat. Darüber hinaus soll Calcitriol seine Wirkung auch über nichtgenomische Wirkmechanismen wie z. B. eine Öffnung von Calcium-Kanälen entfalten können.
Vitamin-D-Rezeptor im menschlichen Gehirn
Im menschlichen Gehirn wurde der Rezeptor sowie die 1α-Hydroxylase erstmalig im Jahre 2005 in Neuronen und Gliazellen verschiedener Hirnbereiche (präfrontaler Kortex, Thalamus, Hippocampus) entdeckt. Nachfolgende Forschungen konnten zahlreiche Einflüsse von Calcitriol im ZNS zeigen, z. B. auf:
Wachstumsfaktoren wie Neurotrophine, GDNF (glial cell line-derived neurotrophic factor)
die Stickstoffproduktion im Gehirn (= anti-neurotoxischer Effekt)
den Calciumhaushalt (Calcitriol reguliert Calcium-bindende Proteine),
Immunzellen (Calcitriol greift in die Regulation des Gleichgewichts zwischen Th1- und Th2-Zellen ein).
Vitamin-D-Rezeptor in der Muskulatur – existent oder nicht?Zur Wirkung von Vitamin D auf die Muskulatur gibt es umfangreiche Untersuchungen. So führt beispielsweise ein Vitamin D-Mangel im höheren Lebensalter nachweislich zu einer Beeinträchtigung der Muskelfunktion. Eine Vitamin-D-Supplementation kann bei älteren Menschen zu einer Verbesserung der Muskelkraft und einer signifikanten Reduktion der Sturzhäufigkeit führen. Bisher nahm man an, dass in Muskelzellen – wie auch in über 30 weiteren Zellspezies – spezifische Steroidrezeptoren (VDR) vorhanden sind, an die Calcitriol, die aktive Vitamin-D-Form, bindet. Kürzlich wurden diese Erkenntnisse durch eine Studie infrage gestellt, die mittels eines spezifischen Antikörper-Tests VDR-Rezeptoren weder in glatten Muskelzellen noch in Skelettmuskel- oder Herzmuskelzellen detektieren konnte. Die Autoren diskutieren nun, dass die Vitamin D-Wirkungen auf Muskelzellen über andere Mechanismen oder andere Rezeptoren vermittelt werden. Quelle Prof. Dr. med. Harald Dobnig, Graz: Referat auf dem Vitamin-D-Update 2011, Berlin, 9. April 2011, veranstaltet vom Institut für medizinische Information und Prävention, Schlangenbad. |
Einfluss von Vitamin D auf verschiedene Erkrankungen
Aufgrund dieser Erkenntnisse stellte sich die Frage, welche Rolle Vitamin D bei der Pathogenese von neurologischen Erkrankungen wie z. B. Morbus Parkinson, Schizophrenie oder Demenz spielt. Epidemiologische und experimentelle Untersuchungen der letzten Jahre lassen den Schluss zu, dass Vitamin D hierbei von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist.
• Morbus Parkinson
Morbus Parkinson ist durch einen fortschreitenden Verlust dopaminerger Zellen in der Substantia nigra gekennzeichnet. Im Tierversuch konnte gezeigt werden, dass sich durch Calcitriol-Gabe die Synthese von GDNF innerhalb der Substantia nigra steigern lässt.
In einer Beobachtungsstudie mit über 3000 Personen reduzierten hohe Vitamin-D-Spiegel das Risiko, an Morbus Parkinson zu erkranken, um 70 Prozent.
• Schizophrenie
Zum Zusammenhang zwischen Vitamin D und Schizophrenie ist bekannt, dass das Erkrankungsrisiko bei im Winter oder gegen Ende des Winters geborenen Babys erhöht ist. Man vermutet eine Ursache in den niedrigen Vitamin-D-Spiegeln der Mütter in dieser Zeit. Bezüglich der Prävalenz der Schizophrenie gibt es Hinweise darauf, dass sie bei dunkelhäutigen Personen, die in Regionen mit geografisch bedingter geringerer UV-B-Strahlung emigriert sind, erhöht ist.
• Demenz
Auch bei der Demenz, speziell der vom Alzheimer Typ, gibt es Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen niedrigen Vitamin D-Spiegeln und einem erhöhten Risiko. Für eine routinemäßige Supplementation älterer Menschen zur Alzheimerprophylaxe ist es nach Ansicht von Experten jedoch noch zu früh. Zunächst müssten prospektive Studien durchgeführt werden um zu klären, ob ein kausaler Zusammenhang besteht.
• Depression
Depressive Patienten können möglicherweise von einer Vitamin D-Gabe profitieren. In einer randomisierten placebokontrollierten Studie beispielswiese führte die Gabe von 20.000 bzw. 40.000 IU Vitamin D pro Woche über ein Jahr bei übergewichtigen bzw. fettsüchtigen Patienten zu einer signifikanten Verminderung depressiver Symptome.
• Multiple Sklerose
Die meisten Daten gibt es zum Zusammenhang zwischen Vitamin D und multipler Sklerose. Beobachtungsstudien zeigen beispielsweise, dass die Prävalenz der Erkrankung mit der Entfernung vom Äquator zunimmt. Zwischen dem MS-Risiko und der UV-B-Exposition bzw. der Vitamin-D-Versorgung konnte in Studien ein inverser Zusammenhang gefunden werden. Auch bei Menschen, die berufsbedingt mehr Zeit im Freien verbrachten, war das MS-Risiko reduziert. Bei Personen, die bereits an multipler Sklerose erkrankt waren, unterlagen die mittels MRI nachweisbaren Läsionen jahreszeitlichen Schwankungen, d. h. sie waren im Sommer deutlich schwächer ausgeprägt.
• Schlaganfall
Mit der Frage, welche Intervention nach einem Schlaganfall am besten geeignet sei könnte, um Stürze zu verhindern, hatte sich eine aktuelle Metaanalyse auf der Basis von 13 Studien beschäftigt. Sie ergab, dass bei Frauen, die einen Schlaganfall überlebt hatten, einzig und allein eine Vitamin-D-Supplementation zur Sturzprophylaxe geeignet war.
Quelle
Apothekerin Dr. Claudia Bruhn
Zum WeiterlesenImmunbiologische Effekte von Mikronährstoffen: Vitamin D und die Bedeutung von Mikronährstoffsupplementen. DAZ 2011, Nr. 12, S. 64– 75 |
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