Mikronährstoffe

Compliance in der Therapie mit Magnesium

Nur das eingenommene Medikament wirkt

Von Oliver Tobolski

Magnesium ist ein lebenswichtiger Mikronährstoff, der an über 300 Stoffwechselprozessen im Körper beteiligt ist. Tritt Magnesiummangel auf, ist eine längerfristige Supplementierung von Magnesium über vier bis zwölf Wochen angeraten. Dabei ist es besonders wichtig, im Interesse des Patienten auf eine möglichst gute Compliance zu achten.
Wadenkrämpfe können auf einen schweren Magnesium­mangel hindeuten. Um diesen zu beheben, ist eine längerfristige Supplementierung bei guter Compliance erforderlich.
Foto: Hoffmann-La Roche

Magnesium spielt bei einer Vielzahl von Stoffwechselprozessen und bei Funktionsabläufen von Muskeln und Nerven eine entscheidende Rolle. Die Symptome eines Magnesiummangels sind eher unspezifisch, zumeist äußert er sich aber mit Muskelzuckungen, Verspannungen und Krämpfen der Wadenmuskulatur, teilweise auch mit Konzentrationsschwäche und Nervosität, bei Schwangeren auch mit der gefürchteten Präeklampsie [1].

Mehrwöchige Therapiedauer erforderlich

Treten diese Symptome auf, ist der Mangel zumeist schon manifest. Der Magnesiumstatus lässt sich dann nur noch durch eine deutlich erhöhte Zufuhr über mehrere Wochen bis hin zu drei Monaten messbar verbessern. Der Grund: Magnesium verbleibt nur dann im Organismus, wenn ausreichend Moleküle – zumeist phosphorhaltige Verbindungen wie Nucleotidderivate und Phospholipide – vorhanden sind, die das Element binden, während nicht gebundenes Magnesium schnell mit dem Urin ausgeschieden wird [2]. Mit entscheidend für den Erfolg der Magnesiumsupplementierung ist damit eine längere Therapiedauer.

Verschiedene Mg-Verbindungen auf lange Sicht bioäquivalent

Die Wahl der Magnesiumverbindung hingegen spielt im Rahmen einer längeren Therapie eine untergeordnete Rolle. Denn auch wenn sich die jeweiligen Resorptionszeiten zum Teil erheblich unterscheiden, so sind sie doch immer kürzer als die Gesamttherapiedauer. Folglich sind organische und anorganische Magnesiumverbindungen hier bioäquivalent, wie eine Vielzahl von Untersuchungen zeigt [3, 4].

Therapiedauer und Compliance

Viel wichtiger als die Frage, ob das Magnesium anorganisch oder organisch gebunden ist, ist bei einer längeren Supplementierung vielmehr die Compliance für das verabreichte Präparat. Im Allgemeinen versteht man unter Compliance ("Therapietreue") das Verhalten des Patienten im therapeutischen Prozess. Mangelnde Compliance bedeutet, dass der Patient die Vorschriften der Therapie nicht oder nur ungenügend einhält. Man unterscheidet zwei Phänomene: Ausführungsqualität und Persistenz.

  • Die Ausführungsqualität gibt an, wie exakt sich der Patient an das verordnete Dosierungsschema hält.
  • Mit Persistenz wird beschrieben, wie lange sich der Patient ab der ersten
  • Einnahme an die Verordnung hält. Schlimmstenfalls kommt es zum Therapieabbruch (drop out).

Die Compliance wird durch vielfältige Faktoren beeinflusst. Dazu zählen Aspekte wie die Patienten-Zufriedenheit mit der medizinischen Betreuung, die (familiäre) Unterstützung des Betroffenen in seinem Befolgungsverhalten, das Vertrauen des Patienten in die Wirksamkeit der Therapie, der von der Krankheit hervorgerufene Leidensdruck und die Einnahme- bzw. Anwenderfreundlichkeit der empfohlenen Medikamente und therapeutischen Maßnahmen (Tab. 1) [5].

Tab. 1: Die von der WHO im Jahr 2003 definierten Dimensionen, die die Compliance beeinflussen [5]
DimensionEinzelaspekte*
1. ökonomisch und sozialfinanzielle Situation, kultureller Hintergrund, Alter, Bildung, Zugang zu medizinischer Information, (familiäre) Unterstützung der Betroffenen im Befolgungsverhalten
2. systembedingtZufriedenheit der Patienten mit medizinischer Betreuung, Vertrauen in Arzt und Apotheker, Ausbildung des Heilberuflers, Dauer der Konsultationen
3. krankheitsbedingtSchweregrad der Symptome, Leidensdruck, Progressionsrate ("Angst vor Verschlechterung"), Verfügbarkeit wirksamer Therapien, Komorbidität
4. therapiebedingtBehandlungsdauer, Komplexität des Regimes (Einnahme- und Anwendungsfreundlichkeit der empfohlenen Medikamente und therapeutischen Maßnahmen wie tägliche Anzahl von Tabletten, Darreichungsformen etc.), UAW, frühes Therapieversagen
5. patientenbedingtAngst vor UAW, Therapie-Erwartungen, weitere Erkrankungen (Multimorbidität = weitere Therapien), Vergesslichkeit
* UAW = unerwünschte Arzneimittelwirkungen

Das Ausmaß der Non-Compliance wird je nach Krankheitsbild zwischen 12 und 35 Prozent geschätzt [6]. Sie steigt noch einmal erheblich, wenn der Patient nur einem geringen Leidensdruck bei gleichzeitiger Langzeittherapie ausgesetzt ist. So wurden bei vielen Langzeitbehandlungen Compliance-Raten zwischen lediglich 40 und 50 Prozent ermittelt [7].

Bessere Compliance bei nur einer Tablette am Tag

Unbestritten ist, dass der Leidensdruck infolge eines Magnesiummangels – abgesehen von den schmerzhaften Muskelkrämpfen – eher gering ist. Entsprechend niedrig wird die Motivation der Betroffenen ausfallen, nach Erreichen der Symptomlosigkeit die Supplementierung fortzusetzen und somit an der Therapie festzuhalten (niedrige Persistenz).

Umso wichtiger ist es daher, bei der Wahl des Magnesiumpräparates auf eine hohe therapiebedingte Compliance zu achten. Im Idealfall bedeutet dies, dass der Patient mit nur einer Dosis am Tag die empfohlene Wirkstoffmenge zu sich nehmen kann. Denn es besteht ein umgekehrt proportionaler Zusammenhang zwischen der einzunehmenden Medikamentenanzahl pro Tag und dem Grad der Compliance – das heißt je weniger Dosen pro Tag, desto höher die Therapietreue [8].

Faustregel zur Compliance

Die Einmaldosis am Tag hat den höchsten Compliance-Grad. Er liegt durchschnittlich bei 80 bis 90 Prozent. Bei vier oder mehr Tabletten täglich liegt der Compliance-Grad hingegen bei weniger als 25 Prozent [9].

Die einfachste Magnesiumverbindung ist das Oxid. Es bietet den Vorteil, über den höchsten Gewichtsanteil an Magnesium zu verfügen, sodass die Tabletten relativ klein und für den Patienten einfach und bequem zu schlucken sind. 500 mg Magnesiumoxid enthalten 300 mg Magnesium, während z. B. 500 mg Magnesiumcitrat nur 82 mg Magnesium enthalten, also deutlich weniger als ein Drittel. Die Konsequenzen: Der Patient muss bei organischen Mg-Salzen mehrere Tabletten am Tag zu sich nehmen, was bedeutet, dass die Compliance-Rate sinkt.

Bestätigt wird die "Faustregel zur Compliance" (siehe Kasten) durch eine Vielzahl von Studien über die Arzneimitteltherapien verschiedener Krankheiten. So ergaben Studien mit Diabetikern, dass sich die durchschnittliche Compliance bei einmal täglicher Dosierung der Medikamente auf 79 Prozent [10] bzw. 93,6 Prozent belief [11] und sich bei multiplen Tagesdosen auf 38 Prozent (drei Tabletten) bzw. 57,8 Prozent verringerte.

Ähnliche Resultate sind im Rahmen einer Hyperlipidämie-Behandlung gefunden worden: Pro zusätzlicher Dosis am Tag sank der Compliance-Grad um rund 40 Prozent [12].

In einer Studie mit Colitis-ulcerosa-Patienten stellte sich heraus, dass die einmal tägliche Gabe eines Retard-Granulats aufgrund der höheren Compliance wirksamer war als die dreimal tägliche Gabe (83% Remissionsanteil gegenüber 78,2%) [13].

Empfehlung auch in Leitlinien

Besonders vorteilhaft sind Einmalgaben bei längerfristigen Behandlungen: Die Compliance bei zwei Tagesdosen sinkt ein Jahr nach Behandlungsbeginn auf nur noch 29 Prozent, während sie bei einer einmal täglichen Gabe immerhin noch bei 56 Prozent liegt [14].

All dies zeigt die enorme Bedeutung der Compliance für den Erfolg von medikamentösen Behandlungen. Daher wird die Einmaldosierung von Arzneimitteln auch von Leitlinien im Rahmen der evidenzbasierten Medizin empfohlen.

Zum Weiterlesen

Magnesium Update 2010

DAZ 2010, Nr. 25, S. 46

 

Magnesium und Mg-Verbindungen in Supplementen

DAZ 2008, Nr. 36, S. 44

 

www.deutsche-apotheker-zeitung.de

 

 

Literatur [1] Sanders GT, Huijgen HJ, Sanders R. Magnesium in disease: a review with special emphasis on the serum ionized magnesium. Clin Chem Lab Med 1999;37:1011 – 1033. [2] Golf SW. Zur biologischen Vergleichbarkeit und biochemischen Wirksamkeit pharmazeutischer Magnesiumverbindungen, J Mineralstoffwechsel 1999; 6 (4):11 – 21. [3] Bohmer T, et al. Bioavailability of oral magnesium supplementation in female students evaluated from elimination of magnesium in 24-hour urine. Magnes Trace Elem 1990;9: 272 – 278. [4] Golf S. Magnesium – Bioverfügbarkeit von organischen und anorganischen Verbindungen, Pharm Ztg 2009;154(07):530 – 532. [5] Adherence to Long-Term Therapies: Evidence for Action. WHO, New York 2003. [6] DiMatteo MR. Variations in patients adherence to medical recommendations: a quantitative review of 50 years research. Med Care 2004;42:200 – 209. [7] Urquhart J, Vrijens B. New findings about patient adherence to prescribed drug dosing regimens: an introduction to pharmionics. Eur J Hosp Pharm Sci 2005;11:487 – 497. [8] Kori-Lindner C. Patienten-Compliance nicht nur in klinischen Prüfungen; www.kori-lindner.de/koli- originalbeitraege/cat_view/34-kolo-originalbeitraege. [9] Weizel A. Compliance – Weshalb Patienten nicht alle Tabletten einnehmen. Gastro-Liga Report 1991;4:9 – 10. [10] Paes AH, Bakker A, Soe-Agnie CJ. Impact of dosage frequency on patient compliance. Diabetes Care 1997;20:1512 – 1517. [11] Winkler A, et al. Monitoring adherence to prescribed medication in type 2 diabetic patients treated with sulfonylureas. Swiss Med Wkly 2002;132:379 – 385. [12] Sung JC, et al. Factors affecting patient compliance with antihyperlipidemic medications in an HMO population. Am J Managed Care 1998;4(10):1421 – 30. [13] Medizin-Telegramm, 11.2.2007. [14] Bührlen B. Verbesserung der Arzneimittelversorgung durch Steigerung der Compliance. Fraunhofer Institut für Systemtechnik und Innovationsforschung, 2003. 

 


Autor 

Prof. Dr. med. Oliver Tobolski

Facharzt für Chirurgie / Sportmedizin/Chirotherapie

Vorgebirgstraße 118, 50969 Köln

www.sporthomedic.de

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