DAZ aktuell

BMG will "Unzweckmäßigkeit" genau begründet haben

STUTTGART (du). Der G-BA-Beschluss, die Glitazon-Antidiabetika Rosiglitazon (Avandia®) und Pioglitazon (Actos®) von der Verordnungsfähigkeit zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) auszuschließen, hatte für heftige Diskussionen gesorgt. Jetzt hat das Bundesministerium für Gesundheit (BMG), dem der Beschluss zur Genehmigung vorliegt, eine ergänzende Stellungnahme angefordert. Die bislang vom G-BA vorgelegte Begründung scheint dem Ministerium für einen so weitreichenden Beschluss nicht auszureichen.

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hatte in seinem Beschluss vom 17. Juni 2010 den Ausschluss der Glitazone wegen "Unzweckmäßigkeit" (§ 92 Abs. 1 Satz 1 letzter HS SGB V) ohne Ausnahme aus der Verordnungsfähigkeit zulasten der GKV gefordert. Rechtskräftig wird ein solcher Beschluss erst nach Genehmigung durch das BMG mit nachfolgender Veröffentlichung im Bundesanzeiger.

Nun hat das BMG in einem Schreiben vom 4. August 2010 den G-BA darauf hingewiesen, dass bei einem solch weitreichenden Verordnungsausschluss die "Unzweckmäßigkeit" der Glitazone im Vergleich zu den jeweiligen Therapiealternativen in allen regelhaft vorkommenden therapeutischen Situationen mit hoher Sicherheit erwiesen sein muss. Das erfordere eine sehr differenzierte Bewertung der Evidenz bezogen auf die therapeutischen Situationen und die einzelnen Wirkstoffe unter Berücksichtigung der in § 35b SGB V genannten Aspekte des therapeutischen Zusatznutzens bei der vergleichenden Bewertung von Arzneimitteln.

Die bisher vorgelegte Stellungnahme scheint diesen Anforderungen nicht gerecht zu werden. Das Ministerium fordert daher unter Angabe der Evidenz eine Erläuterung, gegenüber welchen Alternativen das jeweilige Glitazon in der jeweiligen therapeutischen Situation unzweckmäßig ist und warum. Explizit wird aufgeführt, dass spezielle Patientengruppen, wie solche mit Metforminunverträglichkeit oder -kontraindikationen, Patienten nach Schlaganfall und spezifische Behandlungsschemata des Typ-2-Diabetes wie Mono- und Kombinationstherapien zu berücksichtigen sind.

Darzustellen ist auch, warum der G-BA entgegen der gesetzlichen Ermächtigung keinen eigenen Entscheidungsspielraum sieht. Wörtlich heißt es: "Nach § 92 Abs. 1 Satz SGB V hat der G-BA ein gesetzliches Ermessen bei seiner Entscheidung über den Erlass eines Verordnungsausschlusses, das pflichtgemäß auszuüben und zu begründen ist. Dennoch gehen Sie im Fall des Verordnungsausschlusses wegen Unzweckmäßigkeit generell von einer sog. ‚Ermessensreduzierung auf Null‘ aus und lehnen es daher von vornherein ab, sich mit möglichen Entscheidungsalternativen für den konkreten Fall überhaupt auseinanderzusetzen. Bitte stellen Sie dar, warum Sie entgegen der gesetzlichen Ermächtigung keinen eigenen Entscheidungsspielraum sehen."

Im Rahmen der Diskussion um den G-BA-Beschluss hatten Experten von einer Fehlentscheidung gesprochen, der Beschluss sei nicht auf wissenschaftlicher Grundlage gefällt worden. So hatte Prof. Dr. Erland Erdmann, Direktor der Klinik für Kardiologie, Angiologie, Pneumologie und Intensivmedizin am Herzzentrum der Universität Köln, in einem DAZ-Interview deutlich gemacht, dass er beispielsweise bei hohem kardiovaskulärem Risiko und unzureichendem Therapieerfolg mit Metformin zu Pioglitazon zur Zeit keine besser geeignete Alternative sehe. Die Verordnung von Rosiglitazon hält er jedoch vor dem Hintergrund eines erhöhten Herzinfarktrisikos für unverantwortlich.

Zum Weiterlesen


FDA- und EMA-Beratungen: Noch kein Aus für Rosiglitazon

und

DAZ-Interview mit Prof. Dr. Erland Erdmann, Köln: "Es ist unverantwortlich, Rosiglitazon zu verordnen!"

DAZ 2010, Nr. 30, S. 28 - 30.

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