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Arzneimittel und Therapie
Capsaicin-Pflaster – neue Option in der Schmerztherapie
Neuropathische Schmerzen sind eine Folge von Nervenschädigungen, denen verschiedene Ursachen, wie Krankheiten, Verletzungen oder Medikamente zugrunde liegen können (vgl. Kasten). Zur weltweiten Prävalenz gibt es keine definitiven Zahlen, doch das Neuropathic Pain Network schätzt sie in Deutschland auf 6,0%. Die Symptome und Folgen dieser Schmerzstörung (vgl. Kasten), die monate- oder jahrelang anhalten kann, beeinträchtigen die Gesundheit und Lebensqualität der Patienten ganz erheblich. Davon betroffen sind vor allem auch wichtige Bereiche der körperlichen und geistigen Funktionalität, wie z. B. Mobilität und Arbeitsfähigkeit. Die derzeit verfügbaren Arzneimittel für die Behandlung neuropathischer Schmerzen umfassen Antikonvulsiva, Antidepressiva, Opioide, die topische Applikation von Lokalanästhetika und niedrig dosierte Capsaicinsalben.
Therapie derzeit nicht zufriedenstellend
Allerdings werden diese Medikamente im klinischen Alltag von den Patienten häufig nur eingeschränkt angenommen. Die komplexen Einnahmevorschriften sowie auftretender Schwindel und erhöhte Tagesmüdigkeit stellen häufig ein Compliance-Problem dar. Bei komorbiden Patienten mit bestehender Begleitmedikation kann der Einsatz einiger Antidepressiva oder Antikonvulsiva zu therapeutischen Einschränkungen führen, oder bei psychiatrischen Komorbiditäten die Gabe von Opioiden kontraindiziert sein. Die derzeitigen Monotherapien führen bei einer Vielzahl der Patienten nur zu einer eingeschränkten Schmerzfreiheit, so dass die Kombination mehrerer Medikamente mit unterschiedlichen Wirkmechanismen zur Erzielung einer additiven Schmerzlinderung zur Anwendung kommt. Allerdings wird in diesem Zusammenhang häufig auch von kumulierten Nebenwirkungen berichtet. Die Entwicklung einer topisch applizierten Pharmakotherapie mit geringer, zeitlich stark beschränkter Nebenwirkungsrate, wäre daher ein Schritt hin zur besseren Versorgung des Patienten und Erhöhung seiner Lebensqualität.
Zum WeiterlesenNeuropathie: Mit Capsaicin gegen den neuropathischen Schmerz. DAZ 2010, Nr. 3, S. 46–49. www.deutsche-apotheker-zeitung.de |
Wirkungsmechanismus von Capsaicin
Das Wirkstoffpflaster Qutenza® enthält eine sehr hohe Dosis (8% w/w) Capsaicin. Dank der lokalen Applikation gelangt der Wirkstoff direkt an die hyperaktiven Schmerzrezeptoren, die Entstehungsorte neuropathischer Schmerzen. Capsaicin kommt in der Natur in Chilischoten vor und ist ein hochselektiver Agonist für den TRPV1-Rezeptor (Transient Receptor Potential Vanilloid 1), der als einer der Hauptrezeptoren bei der Übertragung und Modulation von Schmerzsignalen gilt. Der Hautkontakt mit der in Qutenza® enthaltenen extrem hohen Konzentration an Capsaicin bewirkt eine anhaltende, reversible Deaktivierung der hyperaktiven Nozizeptoren, was die schnelle und nachhaltige Schmerzlinderung schon nach einer einzigen Behandlung erklärt. Unter der Einwirkung von Capsaicin verringert sich die Dichte der epidermalen Nervenfasern (s. Abb.) was ein reduziertes Schmerzempfinden zur Folge hat. Die Nozizeptoren werden durch den Kontakt mit hochkonzentriertem Capsaicin jedoch nicht permanent verändert – ihre Funktionsfähigkeit kehrt im Laufe der Zeit von selbst wieder zurück. Die Wirksamkeit von Capsaicin bei neuropathischen Schmerzen konnte auch bei bislang verwendetem, niedrig dosiertem Capsaicin (0,075%) beobachtet werden. Jedoch lässt sich die Deaktivierung der Nozizeptoren nur durch eine wiederholte Einwirkung von Capsaicin erzielen, so dass die Capsaicin-Salbe drei bis fünf Mal täglich angewendet werden muss, bevor eine nennenswerte Schmerzlinderung einsetzt. Diese Salben sind unangenehm in der Anwendung und das Auftragen kann jedes Mal ein brennendes Gefühl auf der Haut verursachen. Zudem besteht die Gefahr einer Kontamination empfindlicher Körperteile wie Augen oder Schleimhäute, was zu einer schlechten Patientencompliance führt.
Klinische Daten überzeugten EMA
Das Capsaicin-haltige Pflaster wurde in einem umfassenden Studienprogramm an über 1600 Patienten klinisch geprüft und zeigte eine signifikante Linderung neuropathischer Schmerzen bei Patienten mit postherpetischer Neuralgie (PHN) sowie Schmerzen infolge einer HIV-assoziierten Neuropathie. Die Schmerzlinderung nach einmaliger 30- oder 60-minütiger Anwendung von Qutenza setzte rasch ein und hielt lange an. 44% der mit Qutenza® behandelten PHN-Patienten berichteten im Laufe der zwölfwöchigen Studiendauer über einen Rückgang der neuropathischen Schmerzen um ≥ 30%. Auch zwölf Wochen nach der Anwendung berichteten 55% der mit dem Capsaicin-haltigen Pflaster behandelten Patienten über eine Verbesserung ihrer Schmerzen. Diese Schmerzlinderung wurde entweder durch das Capsaicin-haltige Pflaster in Monotherapie oder in Kombination mit anderen Therapien erzielt. Auf Grundlage dieser Daten wurde Qutenza von der EMA zur Behandlung peripherer neuropathischer Schmerzen bei nicht-diabetischen Erwachsenen als Monotherapie oder in Kombination mit anderen Arzneimitteln gegen Schmerzen zugelassen.
Mögliche Ursachen des peripheren neuropathischen Schmerzes
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Stufenweise Einführung
Die einzigen häufigen Nebenwirkungen, die unter Qutenza® beobachtet werden, treten lokal und vorübergehend im Zusammenhang mit der Anwendung auf. So kann es an der behandelten Hautstelle zu Rötungen und Schmerzen kommen, die jedoch spontan innerhalb von in der Regel ein bis zwei Tagen zurückgehen. Das Capsaicin-haltige Pflaster geht aufgrund der lokalen Anwendung zudem keine bekannten Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln ein. Dies ist sehr wichtig, da neuropathische Schmerzen oft die Folge von chronischen Grunderkrankungen sind, die eine dauerhafte medikamentöse Behandlung erfordern. Deutschland wird weltweit das erste Land sein, das im Klinikalltag Erfahrungen mit Qutenza® sammelt. Aus diesem Grund wird das Capsaicin-haltige Pflaster stufenweise in den Markt eingeführt: Zunächst werden 20 ausgewählte Zentren das neue Produkt in engem Kontakt mit dem Hersteller anwenden und erproben. Die zweite Stufe sieht eine Ausweitung des Einsatzes von Qutenza® auf etwa hundert spezialisierte Zentren vor. Erst wenn die in diesen Einrichtungen gesammelten Erfahrungen ausgewertet sind, wird das Capsaicin-haltige Pflaster (voraussichtlich ab Oktober 2010) für alle schmerztherapeutisch tätigen Ärzte in Deutschland verfügbar sein. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass alle Anwender ausreichend mit der Handhabung von Qutenza® und den mit der Applikation verbundenen Vorsichtsmaßnahmen vertraut gemacht werden.
QuelleProf. Dr. Thomas Tölle, München; Priv.-Doz. Dr. Rainer Freynhagen, Düsseldorf: "Qutenza (kutanes Pflaster mit 8% Capsaicin) – eine neue Therapieoption zur Behandlung von peripherem neuropathischem Schmerz"; Frankfurt, 19. März 2010, veranstaltet von der Astellas Pharma GmbH, München.Produktinformation der EMA Qutenza, Stand Februar 2010.
Apotheker Andreas Ziegler
Symptome der peripheren Neuropathie
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