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Praxis aktuell
Stecken die Interessen der Gasmonopolisten dahinter?
Auf Europäischer Ebene gibt es zu dem deutschen Verfahren der Standardzulassung zwei gegensätzliche Haltungen:
1. Teile der eher wirtschaftlich ausgerichteten EU-Kommission vermuten hinter der Standardzulassung eine Bevorzugung deutscher Hersteller gegenüber anderen europäischen Herstellern. Diese Haltung beruht auf Unkenntnis des Standardzulassungsverfahrens (siehe DAZ 2007, Nr. 39, S. 75–79). Sie könnte von den offiziellen deutschen Vertretern in den EU-Gremien richtig gestellt werden. Dies scheint, wie hinter den Kulissen gemunkelt wird, jedoch nicht gewollt zu sein.
2. Die auf Patientensicherheit ausgerichtete Europäische Arzneibuch-Kommission, die beim Europarat angesiedelt ist, hat die Vorzüge der deutschen Standardzulassung erkannt und versucht derzeit, europäische Standardzulassungen zu entwickeln.
Das BMG scheint eine inhaltliche Diskussion mit den EU-Gremien zu vermeiden und in vorauseilendem Gehorsam das Ende der deutschen Standardzulassung einseitig proklamieren zu wollen, obwohl es keine Hinweise gibt, dass die EU-Kommission dieses nationale Zulassungsverfahren tatsächlich ernsthaft in Zweifel zieht.
Insiderinformationen deuten darauf hin, dass die Haltung des BMG gegen die eigene Standardzulassung auf "gute Lobbyarbeit" der beiden großen Medizingas-herstellenden Betriebe Linde und Air Liquide zurückzuführen ist.
Warum sind Gas-monopolisten gegen die Standardzulassung?
Derzeit existieren zwei Standardzulassungsmonographien für Medizinische Gase, "Distickstoffmonoxid für medizinische Zwecke" und "Sauerstoff für medizinische Zwecke". Auf der Grundlage der Sauerstoffmonographie können beispielsweise mittelständige Betriebe die dazu nötigen Generatoren herstellen. Mit Hilfe dieser Geräte stellen Krankenhäuser und Bundeswehrkrankenhäuser Sauerstoff her und verabreichen ihn dem Patienten.
Gasmonopolisten ist die Monographie "Sauerstoff für medizinische Zwecke" ein Dorn im Auge, da sie mittelständischen Betrieben den Marktzugang ermöglicht. Gasmonopolisten haben großes Interesse daran, diese Monographie abzuschaffen, um nur noch medizinischen Sauerstoff als von ihnen vertriebenes, einzelzugelassenes Präparat auf den Markt zu bringen. Mittlerweile existiert nämlich für kälteverflüssigten Sauerstoff die Einzelzulassung Loxmed® der Firmen Air Liquide und Linde. Wenn die Monographie "Sauerstoff für medizinische Zwecke" nicht mehr existiert, wäre es für die mittelständischen Betriebe zu kostspielig, eine Einzelzulassung anzustreben. Zudem wäre es sachlich kaum möglich, für den aus Sauerstoffgeneratoren hergestellten Sauerstoff eine Einzelzulassung zu erlangen.
Im Interesse der Gasmonopolisten liegt es daher, die Standardzulassungsmonographie "Sauerstoff für medizinische Zwecke" zu kippen. Mit diesem Wunsch könnten sie an das BMG herangetreten sein. Da es für die Beseitigung dieser Monographie keinen sachlichen Grund gibt und es zudem auffallen würde, wenn man allein sie aus den Standardzulassungen herausnähme, würde die Abschaffung der gesamten Standardzulassung – wie angeblich vom "EG-Gemeinschaftsrecht" gefordert – das Konkurrenzproblem unauffällig lösen. Konsequenzen einer Abschaffung der Standardzulassung für industriell hergestellte Fertigarzneimittel: pharmazeutische Unternehmer, die ihr Fertigarzneimittel bisher mit Bezug auf eine Standardzulassung in Verkehr brachten, müssten dafür eine gebührenpflichtige Einzelzulassung beantragen.
In Apotheken hergestellte Fertigarzneimittel
Für Apotheken relevante Standardzulassungsmonographien sollen als Offizinalrezepturen in das Deutsche Arzneibuch aufgenommen werden, allerdings in adaptierter Form, das bedeutet ohne Indikationsangaben und ohne sonstige medizinische Beschriftungsentwürfe. Sie besäßen damit nicht mehr den bisherigen Status eines zugelassenen Fertigarzneimittels, das vermarktet werden kann. Die betroffenen Zubereitungen könnten nur noch im Rahmen der sog. 100er Regelung als Fertigarzneimittel durch Apotheken in den Verkehr gebracht werden. Das heißt, im Voraus hergestellt und für die Abgabe vorrätig gehalten werden dürften sie nur, wenn die Apotheken nachweisen könnten, dass die Zubereitungen häufig ärztlich verschrieben würden.
Für die Apotheken stellen sich damit zwei Probleme. Zum einen zählen gerade diejenigen Arzneimittel der bisherigen Standardzulassung, die für Apotheken interessant sind, wie Teemischungen, nicht zu dem bevorzugten ärztlichen Verschreibungsrepertoire, zum anderen verstößt die 100er Regelung gegen europäisches Arzneimittelrecht und könnte in einem nächsten Schritt hinterfragt werden. Tees dürften also nicht mehr im Voraus abgepackt werden.
Tatsächlich fiele für Apotheken und für die Verkaufsstellen für freiverkäufliche Arzneimittel die Möglichkeit weg, Fertigarzneimittel zu vermarkten, wie es bisher aufgrund der Standardzulassung möglich ist.
Fazit
Das Verfahren der Standardzulassung ist einfach, kostengünstig und sicher. Es ermöglicht, Patienten mit Arzneimitteln zu versorgen, die therapeutisch sehr wertvoll sind, aber aus wirtschaftlichen Gründen nicht auf dem Markt verfügbar wären, wenn sie einzelzugelassen werden müssten.
Wie sich ein fehlendes standardzugelassenes Arzneimittel konkret auswirken kann, beschreibt die jüngste Meldung in der Patientenzeitschrift "hart". Dort wird ein Zusammenhang zwischen nicht verfügbarer Vollelektrolytlösung mit Glucosezusatz und dem Tod von Kleinkindern gesehen. Die Einzelzulassung für dieses Arzneimittel ist zu aufwendig, eine Standardzulassung würde Abhilfe schaffen. Der Antrag auf Standardzulassung liegt vor, wird vom BMG jedoch offensichtlich ignoriert (hart 2008). Nicht nachvollziehbar oder doch?
Quellen:
Blockiert die Politik ein Verfahren, das Leben retten kann? In: hart. Politik für Patienten, Trauboth J (Hrsg.). 2008, 1: 11
Anschrift des Verfassers:
Dr. Rainer Mohr,
Verlagsgruppe Deutscher Apotheker Verlag,
Hauptstadtbüro,
Palais am Festungsgraben,
Am Festungsgraben 1,
10117 Berlin,
E-Mail: rmohr@ deutscher-apotheker-verlag.de
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