Cortison ist oft nicht ausreichend wirksam

Wirkstoff bei Hörsturz in Sicht?

24.05.2024, 09:15 Uhr

Ein plötzlicher Hörverlust auf einem Ohr kann ein Zeichen für einen Hörsturz sein. (Foto: yamasan / AdobeStock)

Ein plötzlicher Hörverlust auf einem Ohr kann ein Zeichen für einen Hörsturz sein. (Foto: yamasan / AdobeStock)


Von einem plötzlichen Hörsturz, also einem Hörverlust ohne erkennbare Ursache mit weiteren Symptomen, sind weltweit jedes Jahr mehrere Hunderttausend Menschen betroffen. Standardmäßig erhalten Patienten mit plötzlichem Hörsturz oft eine Hochdosis-Cortisontherapie z. B. mit Prednisolon. Ein neuer potenzieller Wirkstoff mit kausalem Therapieansatz bei Hörsturz ist AC102.

Laut Dr. Stefan Plontke, Universitätsmedizin Halle, gibt es keinen belastbaren wissenschaftlichen Beweis, ob eine Therapie mit Glucocorticoiden bei Hörsturz wirksam, unwirksam oder schlechter als ein Placebo ist. Nach der kürzlich publizierten HODOKORT-Studie führte die Standardbehandlung mit Prednisolon bei 39 % der Teilnehmer zu einer vollständigen, jedoch bei 61 % von ihnen nur zu einer partiellen Remission. Weitere Studien werden als dringend notwendig erachtet.

Ein neuer potenzieller Wirkstoff bei Hörsturz ist AC102. Er soll die Schädigung der Sinneshaarzellen und ihrer Verbindungen zum Hörnerv minimieren und wurde bislang in präklinischen Studien und in Phase I getestet. 

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Dabei zeigte die Substanz im Tier­modell antiapoptotische und neuroregenerative Eigenschaften und führte zu einer fast vollständigen Normalisierung der Hörschwellen. Bei Probanden der Phase-I-Studie traten nur milde injektionsbedingte Nebenwirkungen von kurzer Dauer auf. Derzeit wird eine Phase-II-Studie vorbereitet: Hörsturzpatienten sollen entweder eine einmalige Injektion mit AC102 oder eine zweiwöchige Behandlung mit Prednisolon (60 mg/d p.o.) erhalten. AC102 ist dabei in einem Gel formuliert, welches lokal in das Mittelohr (intratympanal) eingebracht wird. 

Zu den Einschlusskriterien in die Phase-II-Studie zählen neben dem plötzlichen, einseitigen und idiopathischen sensorineuralen Hörverlust unter anderem ein Symptombeginn von weniger als 120 Stunden und ein Alter zwischen 18 und 85 Jahren. HNO-Ärzte können geeignete Patienten in einem nahe gelegenen Studienzentrum, beispielsweise in Halle, Dresden, Göttingen, Linz oder Salzburg anmelden. 

Im Falle der Zulassung wäre AC102 die erste kausale Therapie für akuten Hörverlust und akuten Tinnitus.

Literatur

Efficacy and safety of AC102 compared to steroids in adults with idiopathic sudden sensorineural hearing loss (ISSNHL), NCT05776459, clinicaltrials.gov

Informationen der Firma AudioCure Pharma GmbH, www.audiocure.com

Neue Daten zur Hörsturztherapie – aktuelle Therapiestandards auf dem Prüfstand. Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie e. V. (DGHNO-KHC) anlässlich ihrer 95. Jahresversammlung vom 8. bis 11. Mai 2024 in Essen

Plontke S et al. High-dose glucocorticoids for the treatment of sudden hearing loss. NEJM Evid 2024;3(1), doi: 10.1056/EVIDoa2300172


Dr. Claudia Bruhn, Apothekerin / Autorin DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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