Arzneimittelpreisbildung

Krankenkassen kritisieren Pharmastrategie des Bundes

Berlin - 24.01.2024, 15:15 Uhr

Wer zahlt für die Pharmastrategie des Bundes? (Foto: ABDA)

Wer zahlt für die Pharmastrategie des Bundes? (Foto: ABDA)


Die Bundesregierung startete vor einer Weile eine Charmeoffensive in Richtung Pharmaindustrie. Eine entsprechende beschlossene Strategie gefällt aber nicht allen. Einige Krankenkassen kritisieren insbesondere die Änderungspläne bei der Arzneimittelpreisbildung und sagen: Standortförderung darf nicht über Beitragszahler finanziert werden!

Die Pharmaindustrie klagt seit vielen Jahren über die schlechten Rahmenbedingungen in Deutschland. Weder mit Blick auf Innovationen noch auf die Produktion sei der Standort allzu attraktiv, heißt es. Wegen der anhaltenden Lieferengpässe rückte das Thema in zunehmendem Maß in die Öffentlichkeit.

Die Ampel-Koalition begann die Industrie zu umwerben. Zunächst mit einem Pharmagipfel im Bundeskanzleramt, dann mit einer Mitte Dezember beschlossenen Pharmastrategie, in der die Branche als „Schlüsselsektor und Leitindustrie der deutschen Volkswirtschaft“ bezeichnet wird.

Laut Verband der forschenden Arzneimittelhersteller (Vfa) ist die Strategie „eine große Chance für den Standort Deutschland“, laut Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) wurde die „Wertschätzung“ „lange vermisst“. Pro Generika bemängelte allerdings, dass mit der Strategie zwar der Standort, nicht aber die Grundversorgung gestärkt werde.

Barmer: Vorschläge „recht unkonkret“

Wie aber stehen die Krankenkassen zur Pharmastrategie? Der Barmer-Vorstandsvorsitzende Christoph Straub sagte in einem vergangene Woche auf der Webseite der Versicherung veröffentlichten Interview, es sei gut, dass die Bundesregierung beispielsweise Investitionszuschüsse für Produktionsstätten prüfe, auch wenn die Vorschläge noch „recht unkonkret“ seien.

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Sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene müssten Maßnahmen getroffen werden, um „die Versorgungssicherheit für unsere Versicherten zu erhöhen“. Insbesondere, wenn es um versorgungskritische Arzneimittel gehe. Wichtig seien „eine Diversifizierung der Lieferketten sowie ein einheitlicher Rahmen für die Einfuhr und Zulassung von Arzneimitteln aus Drittstaaten“, so Straub.

Kritik an Plänen zu Arzneimittelpreisbildung

Kritisch sieht der Barmer-Chef aber die Vorschläge der Bundesregierung im Bereich der Arzneimittelpreisbildung. Vorgesehen ist unter anderem, dass Änderungen am sogenannten AMNOG-Verfahren geprüft und den pharmazeutischen Unternehmen nach erfolgter früher Nutzenbewertung vertrauliche Erstattungsbeträge ermöglicht werden. 
„Das halte ich für einen großen Fehler, denn die Veröffentlichung des Erstattungsbetrages führt zu dringend benötigter Transparenz im Marktgeschehen“, sagt Straub. Die Vertraulichkeit werde mittelfristig zu weiteren Belastungen für die Versicherten führen, auch weil in den kommenden Jahren „mit deutlich steigenden Ausgaben aufgrund neuer hochpreisiger patentgeschützter Arzneimittel“ zu rechnen sei.

AMNOG „bewährt“

Insgesamt haben sich die Regelungen des Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetzes (AMNOG) laut Straub aber „bewährt“. Problematisch sei allerdings, dass es bei bestimmten Arzneimitteln sehr geringe Nachweispflichten zur Wirksamkeit und Verträglichkeit bei den Zulassungsbehörden gebe – jene gegen seltene Erkrankungen, sogenannte Orphan Drugs, und andere Arzneien mit bedingter Zulassung. Die Kassen müssten sie aber trotzdem bezahlen, auch wenn der Nutzen erst noch erforscht werde. 

Die Pharmahersteller würden immer mehr hochpreisige Arzneimittel mit bedingter Zulassung auf den Markt bringen. Dies ist vor allem aus Sicht der Patientensicherheit kritisch, so Straub. „Nach Auffassung der Barmer muss der Nutzen neuer Arzneimittel in jedem Fall belegt sein – auch bei Orphan Drugs.“

AOK: „Berechtigte Transparenzanforderungen“

Der AOK-Bundesvorstand hatte seine Bedenken bereits kundgetan, als die Pharmastrategie Mitte Dezember verabschiedet wurde. Der stellvertretende Vorsitzende Jens Martin Hoyer sagte damals laut Pressemitteilung, dass die „Stärkung des Pharmastandorts und der Innovationsfähigkeit“ nicht gegen „berechtigte Transparenzanforderungen bei der Preisbildung ausgespielt werden“ dürften. Dies würde „zulasten der Beitragszahlenden gehen“.

In einem an diesem Montag auf der Webseite des AOK-Bundesverbands unter dem Titel „Intransparenz auf Kassenkosten“ veröffentlichten Beitrag wurde die Stellungnahme noch einmal aufgegriffen und weiter ausgeführt. Befürchtet werden durch die vertraulichen Erstattungsbeträge eine Gefahr für die Liquidität der Kassen.

Bürokratischer Mehraufwand – auch bei Apotheken

Die AOK sieht aber auch das Problem eines bürokratischen Mehraufwands – unter anderem auch mit Blick auf die Apotheken. Sollte es vertrauliche Rabatte geben, müssten diese bei weiteren Erstattungsverhandlungen im Gesundheitswesen berücksichtigt werden, insbesondere zwischen GKV-Spitzenverband und Apotheken über die Hilfstaxe.

Ein weiterer Punkt sei, dass durch die Pläne der Wettbewerb gehemmt werde. „Wenn es keine Preistransparenz mehr gibt, fehlt ein essenzieller Bezugspunkt für die Feststellung von Preisgünstigkeit und Wirtschaftlichkeit.“

Förderung des Pharmastandorts nicht Aufgabe der Beitragszahler

Die AOK plädiert also, an den transparenten und öffentlich gelisteten Erstattungsbeträgen festzuhalten und andere Wege zu beschreiten, um den Pharmastandort zu stärken. Dazu rechnet sie die von der Bundesregierung ebenfalls angestrebten Erleichterungen für die Genehmigung und Durchführung von klinischen Studien.

Grundsätzlich, so heißt es in dem Beitrag, sei die Wirtschaftsförderung für den Pharmastandort Deutschland aber keine Aufgabe der Versicherten. Das müsse der Staat mit entsprechenden Mitteln aus dem Bundeshaushalt finanzieren.


Matthias Köhler, Redakteur DAZ.online
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

alles wie immer....

von Thomas B am 26.01.2024 um 11:04 Uhr

Die kranken Kassen kennen uns Apotheken immer und ausschliesslich dann, wenn es darum geht, dass wir kostenlos für sie Leistungen erbringen sollen oder wenn es um "Einsparungen" geht.
Man vergleiche mal die Einnahmeentwicklung der letzten 10 oder 20 Jahre der kranken Kassen über die Beiträge, die Ausgaben für Apothekenhonorare und die Entwicklung der allgemeinen Preisindizes. Dann berücksichtige man den Zuwachs unentgeltlicher Apothekenleistungen und die Entwicklung kassengenerierter bürokratischer Hemmnisse (zB PQ) für die kranken Kassen und urteile selbst....
Man verzeihe mir die Wortwahl, aber:
Diese Doppelmoral k...t mich an!

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