Charmeoffensive

Pharmagipfel im Bundeskanzleramt

Berlin - 30.11.2023, 15:45 Uhr

Werden die Belange der Pharmaindustrie Chefsache? (Foto: imago images / Bernd Elmenthaler)

Werden die Belange der Pharmaindustrie Chefsache? (Foto: imago images / Bernd Elmenthaler)


Die Bundesregierung hat gegenüber der Pharmaindustrie eine Charmeoffensive gestartet. An diesem Donnerstag lud das Bundeskanzleramt zum Gespräch. Minister Lauterbach ließ schon durchblicken, worum es gehen wird: ein Medizinforschungsgesetz. Aus Bayern gibt es bereits Kritik an den Umständen des Treffens.

Mehr Geld ins Gesundheitssystem, ohne dass sich etwas ändert? Dieses „Muster“ will Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) auch gegen den Widerstand von „Lobbygruppen“ mit seiner „Modernisierungsstrategie“ und einer „Runderneuerung im Gesundheitswesen“ durchbrechen. Das verriet er der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ in einem an diesem Mittwoch online veröffentlichten Interview. Teil dieser Strategie ist ein Pharmagipfel, der an diesem Donnerstag im Bundeskanzleramt stattfindet.

Vorgestellt werden soll dabei sein neues „Medizinforschungsgesetz“, das er laut eigenen Angaben gemeinsam mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) herausgearbeitet hat. „Es soll klinische Studien vereinfachen, ­beschleunigen, entbürokratisieren. Damit wollen wir dafür sorgen, dass der ­Forschungs- und Produktionsstandort Deutschland in einigen Jahren an die Vereinigten Staaten anschließen kann“, sagte er im Interview.

Eine wichtige Rolle kommt in diesen Plänen dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte zu. Es soll als „zentrale Anlaufstelle für alle überregionalen klinischen Studien“ dienen, wobei dies sowohl für Studien von Universitäten als auch der Pharmaindustrie gilt. Wie auch mit dem Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG) soll die Datenlage verbessert werden, damit Hersteller Standorte in Deutschland eröffnen.

Es ist allerdings kaum vorstellbar, dass bei dem Gipfel nicht auch die Probleme der Pharmaindustrie, wie die Kostensteigerungen durch die hohen Energiepreise, angesprochen werden – wobei das jüngste Karlsruher Urteil zum Klima- und Transformationsfonds noch einmal für zusätzliche Verunsicherung gesorgt hatte. Auch die Arzneimittelengpässe dürften Thema sein. Hierzu sagt Lauterbach in dem Interview, dass mit Blick auf die Knappheiten die Situation „nicht problemlos, aber deutlich besser als im vergangenen Jahr“ sei. „Die Zukunft wird dann noch sicherer, die Pharmafirmen sind dann zur Bevorratung von rabattierten Arzneimitteln verpflichtet, und der Aufbau der Herstellungskapazitäten beginnt ja ohnehin gerade erst“, so Lauterbach.

Gerlach: Korrektur an GKV-Finanzstabilisierungsgesetz nötig

Bayerns neue Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) forderte in diesem Zusammenhang an diesem Donnerstag eine „deutliche Stärkung des Pharmastandorts Deutschland“. Es sei „wichtig, dass Bundeskanzler Olaf Scholz die Arzneimittelversorgung in Deutschland jetzt endlich zur Chefsache macht. Das ist angesichts der teilweise dramatischen Versorgungsengpässe schon lange überfällig. Es muss jetzt aber auch rasch für eine wirklich zukunftsfähige Pharmastrategie gesorgt werden“, so Gerlach laut einer Pressemitteilung.

Bayern habe seit Monaten auf die Wiederbelebung des Pharmadialogs zwischen Bund, Ländern und Pharmaindustrie gedrängt. Gerlach monierte allerdings, dass die Länder bei dem Gipfel im Kanzleramt nicht beteiligt wurden. „Der Bund sollte die pharmapolitische Expertise der Länder nicht länger ausblenden.“

Darüber hinaus kritisierte Gerlach allerdings auch das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz und forderte dessen Korrektur. Es trage dazu bei, dass „der Pharmastandort Deutschland im internationalen Vergleich unattraktiver wird“. Gegen einige Bestimmungen des Gesetzes, sowie das Engpass-Gesetz gibt es beim Verfassungsgericht bereits Beschwerden von Unternehmen.

Vfa: Vertraulichkeit vereinbart

Der Vorsitzende des Verbandes Forschender Arzneimittelhersteller (Vfa), Han Steutel, erklärte im Anschluss an das Treffen, das Gespräch sei „in konstruktiver Atmosphäre“ verlaufen. Man begrüße den Austausch mit dem Bundeskanzler und den Bundesministern außerordentlich, hieß es in einer Pressemitteilung vom Donnerstag. „Er unterstreicht die Relevanz der innovativen Pharmaindustrie für den Standort Deutschland.“

Gesprochen habe man „über Wege zur Zukunftssicherung des Pharma-Standorts Deutschland“. Genaueres wurde nicht bekannt. Es sei Vertraulichkeit vereinbart worden, so Steutel, wichtig sei ihm jedoch festzuhalten, „dass wir mit der Politik aber keinesfalls über die Politik sprechen“.

Lauterbach-Pressekonferenz am Freitag

An diesem Freitag will Lauterbach sein Medizinforschungsgesetz übrigens auf einer Pressekonferenz im Bundesgesundheitsministerium präsentieren. Besser gesagt, es wird nur ein „Strategiepapier“ dazu vorgestellt. Man darf gespannt sein, ob das der Industrie reichen wird.

Hinweis: Der Beitrag wurde am Donnerstagabend, 30.11.2023, um das Statement von Vfa-Präsident Steutel ergänzt.


Matthias Köhler, DAZ-Redakteur
redaktion@daz.online


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