„Südschienen-Konferenz“

Süd-Länder tun sich gegen Arzneimittel-Lieferengpässe zusammen

Berlin - 11.09.2023, 17:55 Uhr

Gemeinsam gegen Engpässe. Hubert Aiwanger, Kai Klose, Klaus Holetschek und Manne Lucha (v. l.) halten weitere Maßnahmen für nötig. (Foto: StMGP)

Gemeinsam gegen Engpässe. Hubert Aiwanger, Kai Klose, Klaus Holetschek und Manne Lucha (v. l.) halten weitere Maßnahmen für nötig. (Foto: StMGP)


Das ALBVVG ist für sie zwar ein wichtiger, aber nur ein erster Schritt: Die Länder Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Hessen setzen sich jetzt gemeinsam für größere Anstrengungen ein, um die Versorgung mit Arzneimitteln und Medizinprodukten sicherzustellen. Unter anderem müsse es für Apotheken „flexible, pragmatische und praxisnahe Verfahren“ geben, um auf jeweilige regionale Gegebenheiten reagieren zu können.

Bayern hat sich schon im vergangenen Jahr besonders hervorgetan, als es darum ging, für die Arzneimittel-Engpass-Krise möglichst rasch pragmatische Lösungen zu finden. Im November 2022 rief der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) eine Task-Force Arzneimittelversorgung ins Leben. Mit am Tisch waren damals auch Vertreter aus der Apothekerschaft. Bei einem Treffen kurz vor Weihnachten stellte man unter anderem die Weichen für erleichterte Rezepturen und Defekturen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ließ mit dem Entwurf für sein Arzneimittellieferengpass- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) etwas länger auf sich warten. Mittlerweile ist das Engpassgesetz in Kraft getreten, doch es ist klar, dass es neuerliche Engpässe nicht kurzfristig abwenden und die bereits bestehenden nicht verschwinden lassen kann.

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Jetzt macht Bayern erneut mobil. Diesmal hat man sich mit Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Hessen in einer „Konferenz der Südschiene“ zusammengetan. Beim heutigen Treffen waren zudem Vertreter von Pro Generika, dem Verband forschender Arzneimittelhersteller sowie vom Bundesverband Medizintechnologie beteiligt. Es mündete in zwei gemeinsame Erklärungen und Beschlüsse zu den Themenfeldern Arzneimittel und Medizinprodukte.

Weitere Maßnahmen erforderlich

In der Erklärung der Gesundheits- und Wirtschaftsminister der Süd-Länder zur Arzneimittelversorgung wird ein entschlossenerer Kampf gegen zunehmende Arzneimittel-Engpässe in Deutschland gefordert. „Es ist absehbar, dass sich die Versorgungssituation ohne zusätzliche Maßnahmen weiter verschlechtern wird“, heißt es in dem Papier, das am Montag in München vorgestellt wurde. Zwar seien mit dem ALBVVG erste Schritte gemacht worden. „Es sind jedoch weitere Maßnahmen erforderlich, um die Versorgung mit Arzneimitteln langfristig sicherzustellen, Lieferketten robuster zu machen und Abhängigkeiten zu reduzieren sowie den Pharmastandort Deutschland attraktiver zu machen.“ Die Ländervertreter:innen fordern den Bund auf, die angekündigte Unterstützung von Forschung und Produktion zeitnah umzusetzen.

Weniger Abhängigkeit von Drittstaaten

Unter anderem sollten die Abhängigkeiten von Drittstaaten bei der Arzneimittelherstellung reduziert und die heimische pharmazeutische Produktion gestärkt werden, auch mit wirtschaftspolitischen Maßnahmen. Gleichzeitig sollten demnach der Forschungs- und Entwicklungsstandort Deutschland gestärkt und die Rahmenbedingungen für die klinische Forschung verbessert werden.

Die Süd-Länder erinnern zudem nochmals an einen Beschluss der Gesundheitsministerkonferenz, die am 5./6. Juli 2023 stattgefunden hatte. Darin wurde das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) unter anderem aufgefordert, mit den Ländern einen umfassenden und konstruktiven Dialog aufzunehmen, um eine Trendwende herbeizuführen. „Dies betrifft sowohl die systematische Stärkung der Lieferkettenresilienz in der Arzneimittelherstellung als auch regulatorische Erleichterungen für Apotheken und eine kritische Evaluierung der Maßnahmen des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes“, heißt es auch in der aktuellen Erklärung.

Unter dem Eckpunkt mit dem Titel „Rechtliche Rahmenbedingungen der Arzneimittelversorgung überprüfen und flexibel gestalten“ finden sich auch jetzt wieder Aussagen, die Apotheken betreffen. Das Sozialgesetzbuch V und das Arzneimittelrecht enthielten kaum geeignete Instrumentarien, um Liefer- und Versorgungsengpässe kurzfristig bewältigen zu können, konstatieren die Minister:innen. Daraus schließen sie: „Wir brauchen flexible, pragmatische und praxisnahe Verfahren. Damit soll Apotheken die ausreichende und kurzfristige Versorgung erleichtert und den Ländern ermöglicht werden, flexibel auf regionale Gegebenheiten zu reagieren“.

Staatliche Aufträge an Lohnhersteller ermöglichen

Konkret schlagen die vier Süd-Länder auch vor, dass die Länder bei einem Versorgungsmangel selbst stärker eingreifen können, beispielsweise staatliche Aufträge an Lohnhersteller erteilen. Zudem wollen sie Anreize für Pharmaunternehmen setzen: durch das Verbot exklusiver Rabattverträge, länger laufende Rabattverträge und den Verzicht auf die Biologika-Substitution in der Apotheke.

„Die Länder der Südschiene sind im Streben nach einer Stärkung des Produktionsstandortes und damit auch gegen den Versorgungsmangel vereint“, betont Holetschek in einer gemeinsamen Pressemitteilung. Sein baden-württembergischer Kollege Manne Lucha (Grüne), der derzeit auch Vorsitzender der Gesundheitsministerkonferenz ist, erklärte: „Es gilt, Forschung und Entwicklung zu erleichtern, Innovationen und neue Technologien in der Arzneimittelproduktion zu fördern, Rabattverträge für Arzneimittel einzudämmen, auf Bundesebene den Dialog mit der Pharmabranche wieder aufzunehmen und Anreize für die Entwicklung und Zertifizierung von Medizinprodukten zu schaffen.“

Hessens Gesundheitsminister Kai Klose (Grüne) erläuterte: „Nicht jeder Lieferengpass führt zwangsläufig zu einem Versorgungsengpass, denn häufig sind alternative und gleichwertige Medikamente verfügbar.“ Offensichtlich sei aber, dass die bisher von der Bundesregierung ergriffenen Maßnahmen nicht ausreichten. „Das Fortbestehen von Engpässen bei essentiellen Arzneimitteln ist mit Blick auf eine gute Versorgung der Patient*innen gesundheitspolitisch nicht akzeptabel.“


Kirsten Sucker-Sket / dpa
redaktion@daz.online


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