Aktuelles Beispiel aus der Praxis

Wie Lieferengpässe Patienten gefährden

Stuttgart - 05.09.2023, 16:30 Uhr

Bei flüssigen Arzneimitteln – wie Antibiotika für Kinder – ist die Dosierhilfe essenziell. (Foto: nd700 / AdobeStock)

Bei flüssigen Arzneimitteln – wie Antibiotika für Kinder – ist die Dosierhilfe essenziell. (Foto: nd700 / AdobeStock)


Lieferengpässe von Arzneimitteln sind nicht ausschließlich ein Ärgernis für Apotheker:innen und Ärzt:innen. Sie bedeuten nicht „nur“ mehr (unbezahlte) Arbeit, sondern sie gefährden auch die Therapie der Patient:innen. Das zeigt erneut ein aktuelles Beispiel aus der Praxis. 

Arzneimittel-Lieferengpässe bereiten längst nicht mehr nur Apotheker:innen Sorgen, sondern auch den Patient:innen. Jüngste Medienberichte haben dabei für den kommenden Winter sicherlich keine beruhigende Wirkung.

Ein Arzneimittel, über das aufgrund von Engpässen immer wieder berichtet wurde, war in der vergangenen Winter-Saison das Antibiotikum Amoxicillin. Um einem solchen Engpass für diesen Winter entgegenzuwirken, „kaufen wir jetzt bei dem indischen Hersteller Puren/Aurobindo Amoxicillin-Präparate, die für den amerikanischen Markt vorgesehen waren, mit allen Problemen, die damit verbunden sind“, erläuterte Ulrike Holzgrabe, Seniorprofessorin für pharmazeutische und medizinische Chemie, kürzlich gegenüber dem „Science Media Center“ (SMC) die aktuelle Engpasslage an einem konkreten Beispiel. „Zuerst gab es die Medikamente nur in Papiertüten, die von Kommissionier-Automaten nicht verarbeitet werden konnten. Außerdem gibt es wohl keine Dosierhilfen, etc.“, führte sie das praktische Problem weiter aus [1].

Mehr zum Thema

Dringlichkeitsliste für Kinderarzneimittel für Herbst/Winter

Phagro: Vorräte reichen keine zwei Wochen!

Was Einkaufsgemeinschaften, BfArM und die EMA sagen

Wie schlimm ist der Antibiotika-Engpass wirklich?

Details zu diesem Beispiel verrät nun eine aktuelle Information der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK). Demnach hat die AMK zahlreiche Meldungen aus Apotheken zu fehlenden Dosierhilfen und Markierungen zur Rekonstitution der vom US-amerikanischen Markt stammenden Antibiotika-Säfte erhalten: „Der AMK liegen seit dem 14. August 2023 vier Meldungen aus Apotheken zu Amoxicillin Aurobindo 250 mg/5 ml USA, Pulver zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen (PZN 18808659), sowie zwei Meldungen zu Amoxiclav Aurobindo 400 mg/57 mg USA, Pulver zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen (PZN 18808642), wegen fehlender Dosierhilfe und einer fehlenden Markierung an der Flasche vor.“ Insbesondere die Rekonstitution mit 72 ml bzw. 75 ml Trinkwasser sei für Anwender nicht ohne geeignete Skalierung umsetzbar. Zur Rekonstitution von Amoxiclav Aurobindo 250 mg/62,5 mg USA, (PZN 18808613) würden zudem wiederum 93 ml benötigt.

Apotheken sollen Dosierhilfen separat bestellen

Gegenüber der AMK soll Puren/Aurobindo zum Ausdruck gebracht haben, „bei zukünftigen Lieferungen zumindest das notwendige Dosierzubehör beilegen zu wollen“. Bis dahin bittet die Firma jedoch darum, die Suspension in der Apotheke zu rekonstituieren, sowie bei Bedarf eine geeignete Dosierhilfe abzugeben. Für kostenfreie Dosierhilfen könnten sich die Apotheken an die Firma wenden (info@puren-pharma.de).

Deutsche Gebrauchsinformation fasst englische nur zusammen

Außerdem sollen die beiliegenden Gebrauchsinformationen der genannten Antibiotikasäfte laut dem Bericht einer Apotheke nicht alle Informationen enthalten. Dazu erklärt die AMK zum Hintergrund: „Die Chargen der genannten Arzneimittel wurden seitens der Firma Puren gemäß US-amerikanischer Zulassung und Aufmachung auf den deutschen Markt gebracht. Den Produkten liegt eine Gebrauchsinformation in deutscher Sprache bei, jedoch in gekürzter Fassung.“

Holzgrabe zufolge sind die geschilderten praktischen Probleme in der Apotheke jedoch nicht mal das größte Problem: „Aber das Schlimmste ist eigentlich“, erläuterte sie gegenüber dem SMC, „dass wir Pressemitteilungen zufolge Aurobindo ein Vielfaches von dem zahlen, was ein Medikament aus europäischer Produktion kosten würde. Warum lenken wir dieses Geld nicht in den zügigen Ausbau der europäischen Produktion?“

Laut AMK erfolgte die Einfuhr der betroffenen Präparate auf Basis einer Ausnahmegenehmigung der zuständigen Landesbehörde, nachdem das BMG gemäß § 79 Absatz 5 Arzneimittelgesetz (AMG) den Versorgungsmangel für Antibiotika-haltige Säfte für Kinder festgestellt hatte [1,2].

Literatur 

[1] Rapid Reaction des Science Media Center Germany (SMC). Arzneimittelversorgung im Herbst und Winter. Mail vom 04.09.2023.

[2] Information der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) vom 05.09.2023. 36/23 Information der Institutionen und Behörden: AMK: Amoxicillin Aurobindo 250 mg/5 ml und Amoxiclav Aurobindo 400 mg/57 mg, Trockensaft (USA): fehlende Dosierhilfe und Markierung zur Rekonstitution, www.abda.de/fuer-apotheker/arzneimittelkommission/amk/


Deutsche Apotheker Zeitung / dm
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.