Versorgungsmangel bei Säften für Kinder

Weitere Länder lockern Einfuhrregeln für Antibiotika-Säfte

Berlin - 02.05.2023, 16:45 Uhr

Freuen kann sich, wer noch Antibiotika-Saft für Kinder hat. (Foto: IMAGO / photothek)

Freuen kann sich, wer noch Antibiotika-Saft für Kinder hat. (Foto: IMAGO / photothek)


Seit das Bundesministerium für Gesundheit am 25. April offiziell einen Versorgungsmangel mit antibiotikahaltigen Säften für Kinder bekannt gemacht hat, nutzen immer mehr Länder die hierdurch eröffneten Möglichkeiten. So hieß es am vergangenen Wochenende aus Bayern und Nordrhein-Westfalen, man werde den Import in Deutschland nicht zugelassener Arzneimittel befristet erlauben, am heutigen Montag zog Brandenburg nach.

Apotheker:innen kämpfen schon lange mit Lieferengpässen bei antibiotikahaltigen Säften für Kinder. Doch erst seit vergangener Woche ist dieser Engpass auch offiziell: Am 25. April hat das Bundesministerium für Gesundheit im Bundesanzeiger einen entsprechenden Versorgungsmangel bekannt gemacht. In der Bekanntmachung stellt es fest, dass für die fehlenden Antibiotika-Säfte für Kinder oftmals keine alternative gleichwertige Therapie zur Verfügung stehe. Daher haben die zuständigen Behörden der Länder nun die Möglichkeit, im Einzelfall ein Abweichen von den Vorgaben des Arzneimittelgesetzes zu gestatten (nach Maßgabe von § 79 Abs. 5 und 6 AMG). Als erstes Bundesland war Bremen aktiv geworden und hat schon gleich am 25. April eine Allgemeinverfügung erlassen. Sie ermöglicht Apotheken und Großhändlern den Bezug beziehungsweise die Abgabe importierter, für den deutschen Markt nicht zugelassener Antibiotikasäfte. 

Am vergangenen Wochenende zog zunächst Bayern nach. Klaus Holetschek, CSU-Gesundheitsminister des Freistaats, kündigte am vergangenen Samstag ebenfalls eine Allgemeinverfügung an: „So können die Pharmagroßhändler, Pharmafirmen und Apotheken unbürokratisch handeln“. 

Bayern schlägt aber auch noch einen weiteren Weg ein. Man habe die Krankenkassen zusätzlich gebeten, vorerst keine Zuschläge sowie Erstattungen zu verweigern und in der Folge nicht zu retaxieren, wenn Apotheker einen verschriebenen, aber nicht verfügbaren antibiotischen Saft durch ein selbst hergestelltes Arzneimittel ersetzen, heißt es in der Pressemitteilung des Ministeriums. Bei Nicht-Verfügbarkeit des Fertigarzneimittels sollte zudem eine solche Abgabe eines in der Apotheke hergestellten Antibiotikasafts auch ohne erneutes Ausstellen eines Rezeptes möglich sein. Ein ähnliches Vorgehen hatte man in Bayern bereits rund um die Weihnachtstage verabredet.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) schrieb mit Blick auf den bayerischen Vorstoß auf Twitter: „Genau für solche unbürokratischen Aktionen der Länder gegen Antibiotika-Lieferengpässe haben wir die Voraussetzungen jetzt geschaffen. Sie sollten genutzt werden.“ 

NRW: Ministerium verspricht ebenfalls Abhilfe 

Auch Nordrhein-Westfalen habe „alle notwendigen Schritte in die Wege geleitet, um hier schnell Abhilfe zu schaffen“, zitierte der WDR das Düsseldorfer Ministerium am vergangenen Sonntag. Allerdings erklärt eine Sprecherin des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS) auf Nachfrage der DAZ: „Eine Allgemeinverfügung, um den Import antibiotischer Säfte für Kinder zu gestatten, ist in Nordrhein-Westfalen nicht notwendig und seitens des MAGS auch nicht möglich“. Durch die aufgespaltene Zuständigkeit im Arzneimittelbereich in NRW (Apotheken und Einzelhandelsüberwachung: Kreise und kreisfreie Städte; Großhändler und pharmazeutische Unternehmer: Bezirksregierungen) müsste jede Behörde eine Allgemeinverfügung erlassen. Die nordrhein-westfälischen Behörden stünden jedoch in engem Austausch mit den Apotheken und Unternehmen vor Ort und würden kurzfristig Einzelgestattungen zugeschnitten auf die jeweiligen Erfordernisse erteilen. Die nordrhein-westfälischen Amtsapothekerinnen und Amtsapotheker seien hierzu für die Apotheken die ersten Ansprechpartner, so die Sprecherin. 

In NRW setzt man zudem wie auch in Bayern auf einsichtige Krankenkassen: Die öffentlichen Apotheken seien ein „Eckpfeiler der wohnortnahen Gesundheitsversorgung“, so die Ministeriumssprecherin. „Das MAGS setzt sich daher dafür ein, dass im Rahmen der Abrechnung die Erstattung von den Krankenkassen für die Apotheker hinsichtlich bereits abgegebener Arzneimittel nicht mehr aufgrund von Formfehlern in der Verschreibung verweigert oder über Gebühr gekürzt werden kann. Der Abzug bei der Erstattung des Arzneimittels darf nur so groß sein wie der tatsächliche Schaden für die Krankenkassen.“ 

Brandenburg erlässt ebenfalls Allgemeinverfügung

Mit Brandenburg zog am heutigen Dienstag das nächste Bundesland nach. Hier soll am 3. Mai eine entsprechende Allgemeinverfügung des Landesamtes für Arbeitsschutz, Verbraucherschutz und Gesundheit in Kraft treten. Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) mahnt aber in einer Pressemitteilung, dass die aktuelle Situation nicht zum Dauerzustand werden dürfe: „Bei der Arzneimittelversorgung brauchen wir stabile und verlässliche Lieferketten. Die Bundesregierung bereitet das sogenannte Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz derzeit vor, um die Versorgungssicherheit zu stärken. Das muss jetzt zügig umgesetzt werden. Die aktuelle Situation zeigt zudem deutlich, dass lebenswichtige Medikamente stärker in der EU produziert werden müssen.“

 

Anmerkung der Redaktion: Der Artikel wurde am 2. Mai um 17:15 Uhr um Aussagen einer Sprecherin des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales in NRW ergänzt


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


Deutsche Apotheker Zeitung / dm
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Die Rezeptur

von Kleiner Apotheker am 03.05.2023 um 17:40 Uhr

Hm, vor kurzem wurde uns noch vorgerechnet welchen Mehrumsatz wir duch die Desinfektionsmittel-Herstellung gemacht hatten. Und uns anschließend unseren Vergütung bei Rezeptpflichtigen Arzneimitteln gekürzt. Man kommt aus dem Staunen nicht raus...

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