Update: Dieser Artikel ist erstmalig am 21. August 2023 auf DAZ.online erschienen und wurde am 14. Februar 2024 aktualisiert.
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Ipsilateral oder kontralateral? (Update)
Welche Impfung in welchen Arm?
Zwei verschiedene Studien haben die Corona-Pandemie genutzt, um einer bislang wenig untersuchten Frage nachzugehen: Ist es besser, eine Auffrischimpfung nach einer Erstimpfung in den gleichen Arm (ipsilateral) oder in den anderen Arm (kontralateral) zu spritzen? Leider kommen die beiden Studien zu (scheinbar) widersprüchlichen Ergebnissen. Warum ist das so und wie wichtig ist die Frage „rechter oder linker Arm?“ generell beim Impfen?
Die meisten dürften diese Frage kennen: „Welcher ist ihr Impf-Arm?“ Gemeint ist dann in der Regel, ob man eventuelle lokale Impfreaktionen eher im linken oder rechten Arm spüren möchte – beziehungsweise, wo diese einen mehr beeinträchtigen würden. Praktisch ist unter diesem Aspekt, dass es Kombinationsimpfstoffe gibt – man bei Mehrfach-Impfungen also nicht beide Arme einer möglichen Impfreaktion aussetzen muss.
Doch: Wie sieht das bei Erst- und Auffrischimpfungen aus und hat die Frage nach dem Arm auch einen Einfluss auf die Wirksamkeit der Impfstoffe? Sollte man sich, wenn man einmal links geimpft wurde, immer wieder links impfen lassen? Oder könnte es gar von Vorteil sein, bewusst die Impf-Arme zu wechseln?
Was für die kontralaterale Impfung spricht
*Einer Mitteilung der „Oregon Health & Science University“ (OHSU) vom 6. Februar 2024 zufolge, soll ein Wechsel des Impf-Arms (kontralaterale Impfung) die Wirksamkeit von Zwei-Dosis-mRNA-Impfungen verbessern. Für diese Aussage stützt sich die OHSU auf eine Laborstudie, in der bei 947 Proband:innen, die zu Beginn der Corona-Pandemie zwei mRNA-Impfdosen gegen COVID-19 erhalten hatten, im Blut die Antikörperreaktion gemessen wurden. Drei Wochen nach der zweiten Impfung soll sich eine deutlich bessere Impfreaktion nach kontralateraler Impfung manifestiert haben, die sich auch nach 13 Monaten zeigen ließ.
Warum das so ist, lässt sich noch nicht sicher sagen, doch der Erstautor der Studie Marcel Curlin erklärt, dass der Vorteil einer kontralateralen Impfung darin bestehe, dass sich ein Immungedächtnis an zwei Stellen statt nur an einer ausbilde. Es soll ein größerer Pool an naiven B-Zellen entstehen. Klinische Empfehlungen ließen sich aus seiner Studie jedoch noch nicht ableiten, es bedürfe weiterer Untersuchungen [8,9].
Was für die ipsilaterale Impfung spricht
*Das zeigt sich auch daran, dass in einer Mitteilung der Universität des Saarlandes am 14. August 2023 genau die gegenteilige Empfehlung ausgesprochen wurde: Darin wurde die ipsilaterale Impfung (gleicher Impf-Arm bei Erst- und Auffrischimpfung) der kontralateralen Impfung gegenüber als vorteilhaft dargestellt. Die Mitteilung bezog sich auf eine Studie von Doktorandin Laura Ziegler, in der sie auf Daten von 303 Personen zurückgriff, die zu Beginn der Corona-Impfkampagne ihre Erst- und Zweitimpfungen mit dem Biontech-mRAN-Impfstoff erhalten hatten. Am auffälligsten sei dabei schließlich die Beobachtung gewesen, dass die Zahl der CD8-T-Zellen zwei Wochen nach der Impfung bei einseitig (ipsilateral) Geimpften deutlich höher war, als wenn kontralateral in beide Arme geimpft wurde. Daraus leitete Ziegler ab, dass „die ipsilaterale Impfung durchaus besseren Schutz generieren kann als die kontralaterale Impfung“.
Ziegler promoviert bei der Professorin für Transplantations- und Infektionsimmunologie Martina Sester. Diese wies in der Mitteilung zusätzlich darauf hin, dass sich bei ipsilateraler Impfung auch in der Antikörperreaktion ein Vorteil zeigen ließ: Deren Zahl erhöhte sich zwar nicht, sie konnten aber das Spike-Protein effektiver abfangen [1].
Publiziert wurde die Arbeit am 11. August 2023 im Journal „EBioMedicine“. Dort heißt es in der Diskussion, dass ein Grund für die stärkere Immunogenität bei ipsilateraler Impfung sein könnte, dass bei Erst- und Booster-Impfung derselbe axilläre abfließende Lymphknoten beteiligt ist. Ob sich die Ergebnisse der Studie auf alle Impfungen übertragen lassen, wird sich noch zeigen müssen [2]. Eine Studie an Mäusen mit einem Influenza-Proteinimpfstoff beispielsweise, die im Mai 2022 im Journal „Science Immunology“ veröffentlicht wurde, unterstützt die Ergebnisse und zeigt zudem, dass die ipsilaterale Impfung auch bei heterologen Impfungen sinnvoll zu sein scheint [3].
Wie lässt sich der Widerspruch erklären?
*Die Forscher:innen der OHSU erklären im Fazit ihrer Studie von 2024 die zur Studie von 2023 abweichenden Ergebnisse vor allem mit dem Zeitpunkt, an dem die Antikörperbestimmung stattfand. Während in der deutschen Studie die Antikörper nur nach zwei Wochen bestimmt wurden, war dies in der US-amerikanischen Studie mehrfach der Fall. Auch in der OHSU-Studie zeigte sich nach zwei Wochen noch kein Vorteil für die kontralaterale Impfung [9].
Ist es nun von Vorteil oder nicht, mehrfach in den gleichen Arm zu impfen? Während sich diese Frage bei Erst- und folgender Auffrischimpfung noch nicht abschließend beantworten lässt, gelten bei der simultanen Verabreichung verschiedener Impfstoffe bereits eindeutigere Empfehlungen.
Anderer Arm bei anderer Impfung
Ein Beispiel ist die gleichzeitige Verabreichung von COVID-19-Vakzinen mit anderen Impfstoffen: Seit September 2021 empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO ) die Koadministration von COVID-19-Impfstoffen und anderen Totimpfstoffen – insbesondere der Influenza-Impfstoffe. Initial hatte die STIKO – vorsorglich für die genaue Differenzierung der Impfreaktionen – einen Mindestabstand von 14 Tagen zwischen COVID-19- und anderen Impfungen empfohlen. In diesem Fall erklärt die STIKO im „Epidemiologischen Bulletin“ vom 30. September 2021: „Die Injektion soll in der Regel an unterschiedlichen Gliedmaßen erfolgen. Bei einer gleichzeitigen Anwendung ist zu beachten, dass Impfreaktionen häufiger als bei der getrennten Gabe auftreten können.“ Mehrere Pharmaunternehmen arbeiten jedoch mittlerweile an der Entwicklung von entsprechenden Kombinationsimpfstoffen, was verdeutlicht, dass eine COVID-19- und eine Influenza-Impfung theoretisch auch am selben Arm erfolgen können [4].
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Ganz allgemein erklärt die STIKO zu bereits am Markt befindlichen Kombinationsimpfstoffen: „Aufgrund der Wechselwirkungen der Antigene untereinander sind in kombinierten Totimpfstoffen teilweise vier Impfungen zur Grundimmunisierung notwendig, während dessen bei der Verwendung von bestimmten Einzelimpfstoffen möglicherweise drei Immunisierungen ausreichen können.“ [5]
Mindestabstand bei Impfung am selben Arm
Die International Pharmaceutical Federation (FIP) hat im Jahr 2022 eine Leitlinie für Pharmazeut:innen zur gleichzeitigen Verabreichung von Impfstoffen herausgegeben. Dieser ist zu entnehmen, dass Impfstoffe, die wahrscheinlich zu lokalen Impfreaktionen führen, in verschiedene Arme injiziert werden sollten. Besser in verschiedene Arme gespritzt werden sollten demnach Impfungen gegen COVID-19, Herpes zoster, Hepatitis A, Humane Papillomaviren, Pneumokommen- und Tetanus-Impfstoffe. Wird eine Koadministration am selben aber Arm gewünscht, ist das dennoch möglich – zwischen den Einstichstellen sollen dann mindestens 2,5 cm Abstand liegen [6].
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Zu den zeitlichen Abständen zwischen verschiedenen Impfungen erklärt die STIKO grundsätzlich, dass Lebendimpfstoffe simultan verabreicht werden können oder mit einem Mindestabstand von vier Wochen. Wird der Impfabstand unterschritten, kann dies die Wirksamkeit der Impfstoffe nämlich beeinträchtigen. Totimpfstoffe hingegen können simultan und auch ohne Einhalten eines Mindestabstands zu anderen Impfstoffen gegeben werden. Die STIKO gibt in diesem Fall lediglich den allgemeinen Hinweis, dass eine eventuelle akute Impfreaktion bis zur nächsten Impfung abgeklungen sein sollte.
*Dieser Text wurde am 14.02.2024 aktualisiert (dm).
Literatur
[1] Pressemitteilung der Universität des Saarlandes. Warum es besser sein kann, sich bei Mehrfach-Impfungen in denselben Arm pieksen zu lassen. 14.08.2023, www.uni-saarland.de/aktuell/impfung-arme-abwechselnd-corona-covid-26964.html
[2] Ziegler L, Klemis V, Schmidt T et al. Differences in SARS-CoV-2 Specific Humoral and Cellular Immune Responses after Contralateral and Ipsilateral COVID-19 Vaccination. EBioMedicine 2023; online first:104743, doi.org/10.1016/j.ebiom.2023.104743
[3] Science Media Center Germany. Research in context: Stärkere Immunantwort durch Impfung an gleicher Stelle. 06.05.2022, www.sciencemediacenter.de/alle-angebote/research-in-context/details/news/staerkere-immunantwort-durch-impfung-an-gleicher-stelle/
[4] Epidemiologisches Bulletin von 30. September 2021, www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2021/39/Art_03.html
[5] Robert Koch-Institut. Sollen Impfstoffe als Kombinationsimpfungen gegeben werden? Stand: 25.06.2020, www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Impfen/AllgFr_Impfschema/FAQ01.html
[6] International Pharmaceutical Federation (FIP). Guidance for pharmacists 2022: Optimising vaccination through coadministration of influenza and COVID-19 vaccines. www.fip.org/file/5227
[7] Robert Koch-Institut. Welche Abstände sind zwischen Impfungen einzuhalten? 25.06.2020, www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Impfen/AllgFr_Impfschema/FAQ04.html
[8] Mitteilung der „Oregon Health & Science University“ (OHSU). Switching arms improves effectiveness of two-dose vaccinations, OHSU study suggests. 6. Februar 2024, news.ohsu.edu/2024/02/06/switching-arms-improves-effectiveness-of-two-dose-vaccinations-ohsu-study-suggests
[9] Fazli S, Thomas A, Estrade A et al. Contralateral second dose improves antibody responses to a two-dose mRNA vaccination regimen. J Clin Invest. 2024, doi.org/10.1172/JCI176411
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