ALBVVG im Bundestag

Apotheken blitzen bei Grünen-Politikerin ab

Berlin - 24.05.2023, 21:00 Uhr

Im Deutschen Bundestag wurde heute das erste Mal das ALBVVG beraten. (Foto: IMAGO / Political-Moments)

Im Deutschen Bundestag wurde heute das erste Mal das ALBVVG beraten. (Foto: IMAGO / Political-Moments)


Als „sehr wichtiges Gesetz“, das schon lange überfällig ist, bezeichnete heute Gesundheitsminister Karl Lauterbach das Engpassgesetz (ALBVVG). Bei der ersten Beratung im Bundestag unterstrichen Abgeordnete von FDP und SPD, dass noch Nachbesserungsbedarf bestehe – auch und gerade mit Blick auf die Apotheken. Paula Piechotta von den Grünen machte hingegen keinen Hehl daraus, dass sie es den Apotheken nicht zu „gemütlich“ machen will.

Das Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) stand am Mittwochabend zur ersten Beratung auf der Tagesordnung des Bundestags. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) warb eingangs für seinen Aufschlag. Er räumte ein, dass man zu lange gewartet habe, um eine Lösung für das schon lange bekannte Problem der Lieferengpässe herbeizuführen und betonte erneut, dass die „Ökonomie-Schraube überdreht“ sei.

Der jetzige Zustand sei nicht akzeptabel. Der Minister führt dies im Wesentlichen auf drei Gründe zurück: Zum einen sei die Nachfrage nach bestimmten Arzneimitteln stark gestiegen, weil es nach der Pandemie zu vielen nachgeholten Infektionskrankheiten gekommen sei – zugleich sei in der Pandemie weniger produziert worden. Auch Lieferketten seien in der Pandemie verloren gegangen. Und nicht zuletzt sei im Generikabereich in Deutschland ein „Billigmarkt“ entstanden, mit der Folge, dass hier Arzneimittel im Fall eines Engpasses zuerst nicht mehr verfügbar seien.

Produktion zurück holen, bessere Früherkennung und längere Lagerhaltung

Nun wolle man in drei Stufen dagegen vorgehen. Am wichtigsten sei das langfristige Ziel, einen Teil der Produktion zurück nach Europa zu holen – beginnend bei Antibiotika, wo es bei Ausschreibungen künftig auch ein europäisches Los geben muss. Wenn dies eingespielt sei, so Lauterbach, werde man das System rollierend auf andere Arzneimittel ausdehnen, etwa Onkologika. Zudem soll die Früherkennung von Engpässen durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte verbessert werden – mit neuen Meldepflichten für die Hersteller. Überdies soll eine längere Lagerhaltung Abhilfe schaffen. Sofortmaßnahmen gebe es bei Kinderarzneimitteln, wo Rabattverträge und Festbeträge ausgesetzt würden.

Und wo sind die Apotheker:innen?

Mit keinem Wort sprach Lauterbach die Apotheken an, die eine wichtige Rolle bei der Bewältigung der Engpässe spielen. Das hielt ihm auch umgehend der CDU-Bundestagsabgeordnete Georg Kippels vor. Die Apotheker seien die Kämpfer zwischen Herstellern und Patienten, die mit „geradezu heroischem“ Einsatz die Versorgung sicherstellten. Ihnen werden dafür nun 50 Cent zugestanden. Der Oppositionspolitiker empfahl einen Blick in die Empfehlungen des Bundesrats zum ALBVVG-Entwurf. Die Länder hatten bekanntlich betont, dass dieser Betrag die Kosten nicht decke, sondern fakten- und evidenzbasiert anzuheben sei, um den Aufwand der Apotheken realistisch zu kompensieren. Das sollte sich die Ampel zu Herzen zu nehmen, so Kippels.

Der Dämpfer aus der Ampel folgte in Gestalt von Paula Piechotta, die in der Grünen-Bundestagsfraktion für Apothekenthemen, aber auch für den Haushalt zuständig ist. Sie räumte zunächst ein, dass das ALBVVG nicht PR-tauglich sei und auch nicht das Unmögliche verspreche. Es sei ebenso spröde und komplex wie der Sachverhalt selbst. Für Piechotta geht es darum, Lösungen zu finden, die wenig regulieren und die GKV-Finanzen nicht überbeanspruchen. In den jetzt anstehenden parlamentarischen Beratungen werde es wichtig sein, komplexe Folgewirkungen und etwaige Mitnahmeeffekte zu bedenken. Mehr Geld auszuschütten, ohne dass die Versorgung besser wird, ist für sie keine Option. „Wie schaffen wir es, dass wir es uns nicht mit neuen Vergütungspauschalen in den Lieferengpässen einrichten und häuslich gemütlich machen?“, fragte sie. Und sie machte klar: Im Zentrum der Beratung werde nicht der Akteur stehen, „der am lautesten schreit und auch nicht der Akteur, der die großformatigsten Briefe an alle Abgeordneten schreibt“, sondern der Patient.

Lindemann und Heidenblut wollen mehr

Eine Lanze für die Apotheken brach hingegen der FDP-Abgeordnete Lars Lindemann. Er forderte, denjenigen, von denen man Lösungen erwarte, „mehr Beinfreiheit“ einzuräumen. Die Apotheker hätten großartiges geleistet. Dass die in der Pandemie eingeführten Erleichterungen bei der Arzneimittelabgabe verstetigt werden sollen, kann er nur unterstützen. Seine Fraktion will aber noch mehr – Stichwort Retaxationen. Die dürfe es beim Austausch wegen eines Engpasses nicht mehr geben. Und auch Nullretax wolle man „nicht mehr sehen“.

Dies machte auch Dirk Heidenblut von der SPD deutlich. Er sieht in genau diesen Punkten ebenfalls noch Nachbesserungsbedarf am ALBVVG. Die Apotheker hätten am Ende der Lieferkette „hervorragendes geleistet“, betonte er. 

Zuspruch für die Apotheken kam auch von Kathrin Vogler von der Linksfraktion. Die 50 Cent pro ausgetauschtem Medikament deckten den Aufwand nicht ab. „Immerhin zeigt die Bundesregierung guten Willen“, so Vogler, „nur von gutem Willen kann keine Apothekerin ihre Beschäftigten bezahlen“. Die Linksfraktion hat ihre Vorstellungen von sinnvollen Maßnahmen gegen die Engpässe überdies in einem eigenen Antrag ins Parlament eingebracht.  

Man darf also gespannt sein, wie die Beratungen weiterlaufen und wie die Ampelfraktionen auf einen Nenner kommen. Die öffentliche Anhörung zum Gesetzentwurf ist mittlerweile für den 12. Juni geplant – und nicht mehr für den 14. Juni, dem Protesttag der Apotheken.


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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7 Kommentare

System muss grundlegend geändert werden

von resignierter Apotheker am 26.05.2023 um 8:07 Uhr

Unser System ist leider so ausgerichtet, dass Politiker nicht an ihre leeren Versprechungen gebunden sind.

Stattdessen ist es doch einfacher sich von ausländischen Online-Versand-Apotheke zu bestechen lassen.
Was dann in 5-10 Jahre später mit Deutschland ist, interessiert keinen.
Die Politiker haben in der Zeit genug Bestechungsgelder eingesagt und bekommen anschließend noch eine dicke Pension.

Es reicht aus den Schein aufrecht zu halten man versuche etwas zu ändern.

Wenn wir in 10 Jahren aufgrund von weiteren zig tausenden Apothekenschließungen weniger Arbeitsplätze haben und somit auch weniger Steuereinnahmen, da viele auch einfach gezwungen sind bei ausländischen Versandapotheken zu bestellen, werden diese ihr Monopol ausnutzen und ihrer Preise erhöhen und den Service reduzieren. Wahrscheinlich ist die Versorgung dann so schlecht wie man es von anderen online Händlern gewohnt ist. Nicht ausgebildete Mindestlohn Angestellte im Callcenter ohne Motivation, welche nach langer Wartezeit in der Warteschleife keine Hilfe sind.

Wenn die zur Rose Ag dann ein Monopol hat, kann man machen was man will.
Ich wette in 10 Jahren wird es so sein und dann kann man nur hoffen, dass sich einige dran erinnern wie gut der Service früher in den Apotheken war.

Das Gesundheitssystem wird einfach zusammenbrechen und dann wird es sehr schwer den Karren aus dem Dreck zu ziehen.
Wie man jetzt auch bei den Lieferengpässen sieht.

Es gibt Entscheidungen, die ich als Laie in der Politik einfach nicht verstehe. Anstatt wie andere europäischen Länder den Versandhandel für Arzneimittel zu verbieten, ist es bei uns aus EU rechtlichen Gründen nicht möglich. (Warum geht es in anderen Ländern).

Welche Anreiz haben Politiker unsere Situation zu verbessern? Eine Wiederwahl? In der Amtszeit genug Geld nebenher zu scheffeln und anschließend Ruhestand mit guter Pension klingt doch super wenn einem das Land egal ist.


Ich verstehe wirklich nichts von Politik, aber ich weiß es geht immer ums Geld. Ich mache das beste daraus und kaufe kräftig Shop Apotheke Aktien

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nicht "gemütlich" machen

von Thomas B am 25.05.2023 um 15:41 Uhr

Frau Piechotta sollte sich mal die Mühe machen und selbst nachschauen, was da überhaupt Sache ist.....
Die Apotheker kommen aus ihrer Komfortzone heraus und fangen an zu protestieren, gerade weil es schon lange nicht mehr "gemütlich" ist!
Ich lade sie gerne zu uns zum Hospitieren ein, damit sie sich vor Ort mit "echten" Informationen versorgen kann und nicht nur auf kranke Kassennarrative angewiesen ist.
Falls Fr Piechotta dafür aber kein Interesse zeigen sollte ist sie in meinen Augen ihr aktuelles Gehalt nicht wert. Das sollte rückwirkend zum 15.2.23 auf unser Niveau - das von 2003 - abgesenkt werden.

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DAV

von Dr. Radman am 25.05.2023 um 15:02 Uhr

Liebe DAV, bitte Frau Piechotta niemals zu eine Podiumsdiskussion einladen. Die Dame hat nur Verachtung für die Apothekerschaft übrig. Bitte bewahren Sie unsere Würde, wenn sie Gäste für eine Podiumsdiskussion einladen. Fr. Piechotta ist raus.

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Augen auf!

von Stefan Haydn am 25.05.2023 um 14:34 Uhr

Frau Piechotta wird sich noch wünschen, Sie wäre auf die Apotheken eingegangen, wenn ihr Sitz im Bundestag wegfällt.

Ich werde Sie und Konsorten nicht vergessen. Geld im Schlaf gibt es nicht für mich, dann auch nicht für solche "Quotenfrauen". Fachliche Eignung kann ihr den Posten ja nicht verschafft haben.

Trotz ihrer Behauptung interessiert sie sich Null für die Patienten. Die Steuerzahler sind nur dazu da ihr unverdientes Gehalt zu sichern. Bzw. anderen mit den Steuergeldern den Lebensunterhalt zu finanzieren.

So mancher Politiker dürfte noch ein sehr böses Erwachen erleben. Kundenkontakte habe ich jetzt schon genug täglich und die Augen der Patienten werden sehr groß, wenn sie erfahren wie sie von Bundesfinanz, Wirtschafts- und Gesundheitsminister mit Hilfe des Bundestages betrogen werden.

Es mag den Verantwortlichen nicht bewußt sein aber in der Bevölkerung gärt es gewaltig. Leider interessiert das die gutversorgten Totengräber der Demokratie wenig.

Jammert nicht, wenn die AFD 30 oder 50% Stimmenanteile erhält.

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Piechotta

von ratatosk am 25.05.2023 um 10:10 Uhr

Piechotta, hier trifft sich Inkompetenz mit Arroganz und Schäbigkeit.
Ist allerdings nicht die erste grüne, die das Problem hat.
Zu guten strukturellen Regelungen, reicht es zwar nicht, aber für völlig skurrile Äußerungen

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ALBVVG im Bundestag

von Dorf-Apothekerin am 25.05.2023 um 9:59 Uhr

Und wo war unsere geballte Standesvertretung, die laut werden wollte? Ein Flashmob ( oder Vergleichbares ) an entsprechender Stelle hätte ein Signal gesetzt. Und wieder eine Gelegenheit verstreichen lassen! Die warmen Worte der Länder nützen uns nichts!
Hoffentlich wird der 12.06. genutzt.

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von Anita Peter am 25.05.2023 um 9:54 Uhr

"und die GKV-Finanzen nicht überbeanspruchen"

Liebe Frau Piechotta, wann werden für die Transferleistungsempfänger von der Politik die tatsächlichen Kosten an die Kassen überweisen? Die Beitragszahler finanzieren mit ihren Beiträgen diesen Bereich mit. Wissen das ihre Wähler?

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