ALBVVG Regierungsentwurf

Neuer Pflichttext: Apotheke als Institution statt Apotheker als Heilberuf

Stuttgart - 05.04.2023, 17:50 Uhr

Patient:innen sollen bei Risiken und Nebenwirkungen „in der Apotheke“ fragen. (Foto: IMAGO / imagebroker)

Patient:innen sollen bei Risiken und Nebenwirkungen „in der Apotheke“ fragen. (Foto: IMAGO / imagebroker)


Neben zahlreichen Regelungen rund um die Lieferengpässe soll mit dem Engpassgesetz, das am heutigen Mittwoch vom Kabinett beschlossen wurde, der im Heilmittelwerbegesetz vorgeschriebene Pflichttext genderkonform gestaltet werden. Wie im Referentenentwurf wird die Apotheke aber nur als Institution benannt. Diesbezügliche Änderungswünsche der ABDA wurden also ignoriert.

Der Pflichttext, den das Heilmittelwerbegesetz für Arzneimittelwerbung vorschreibt, soll genderkonform werden – aktuell heißt es dort bekanntermaßen „fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker“. Das wird aber unter anderem von der ABDA als nicht mehr zeitgemäß erachtet. Schließlich arbeiten im Gesundheitswesen überwiegend Frauen. In den Apotheken liegt der Frauenanteil über alle Berufsgruppen hinweg bei fast 90 Prozent des Apothekenpersonals, bei den Approbierten sind mehr als 70 Prozent weiblich. Und auch die Bundesregierung sieht hier Handlungsbedarf und hat die Änderung des Pflichttexts mit in das „Gesetz zur Bekämpfung von Lieferengpässen bei patentfreien Arzneimitteln und zur Verbesserung der Versorgung mit Kinderarzneimitteln“ (ALBVV) gepackt.

Die nun vom Kabinett beschlossene Version des Pflichttexts entspricht aber wohl nicht den Vorstellungen der ABDA. Sie ist im Vergleich zum Referentenentwurf im Wesentlichen unverändert: Die Wörter „und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker“ sollen durch die Wörter „und fragen Sie Ihre Ärztin, Ihren Arzt oder in Ihrer Apotheke“ ersetzt werden.

Diesen Vorschlag hatte die ABDA in ihrer Stellungnahme heftig kritisiert. Dadurch, dass nur die Apotheke als Institution genannt werde, würden die Apotheker:innen als Berufsstand gegenüber der Ärzteschaft herabgewürdigt und auf keinen Fall als Heilberuf gleichgestellt, findet die Standesvertretung. Es sei nicht erforderlich, dass zu Risiken und Nebenwirkungen eine beliebige Person in der Apotheke angesprochen werde. Entscheidend sei vielmehr, dass ein Apotheker oder eine Apothekerin kontaktiert werde. Dabei verweist sie auf die apothekenrechtlichen Vorgaben, denen zufolge die Abgabeberatung zu Arzneimitteln grundsätzlich Apothekern oder Apothekerinnen der Apotheke zugeweisen sei und nur nach ausdrücklicher Festlegung durch den Apothekenleiter auch von anderen Angehörigen des pharmazeutischen Personals erbracht werden dürfe (vgl. § 20 Absatz 1 Satz 2 ApBetrO).

ABDA für ärztlichen oder apothekerlichen Rat 

Alternativ schlug die ABDA folgende Formulierung vor: „Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und holen Sie ärztlichen oder apothekerlichen Rat ein.“ 

Gehört wurde sie offensichtlich – allerdings hat dies nur Auswirkungen auf die Begründung für den neuen Pflichttext. Im Referentenentwurf hieß es noch recht schmal, dass der Pflichttext seit Jahren wegen der Verwendung des generischen Maskulinums Gegenstand von Diskussionen sei. Durch die Änderung solle daher „gleichstellungspolitischen Aspekten Rechnung getragen werden“. Nun geht die Erklärung weiter: „Patientinnen und Patienten dürften in der Regel einen festen Bezug zu einer behandelnden Ärztin oder einem behandelnden Arzt haben. Dies soll durch die neue Formulierung zum Ausdruck gebracht werden. Der Erwerb der Arzneimittel knüpft in der Regel nicht an eine bestimmte Person an. Gemäß § 20 der Apothekenbetriebsordnung sind Patientinnen und Patienten in der Apotheke über Arzneimittel zu informieren und zu beraten.“

Ob diese neue Begründung die ABDA zufriedenstellt, bleibt abzuwarten. 

Auch andere, für die Apotheken zentrale Vorschriften sind gegenüber dem zuletzt bekannt gewordenen Entwurf unverändert. So soll zwar ein neuer Absatz in § 129 Sozialgesetzbuch V eingefügt werden, mit dem die erweiterten Austauschregeln im Fall der Nichtverfügbarkeit eines Arzneimittels verstetigt werden. Ein Retax-Ausschluss, wie er in der SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung und auch in der neuen Übergangsregelung im Sozialgesetzbuch V noch zu finden ist, ist aber nicht mehr nicht vorgesehen. Auch ist ein Aut-simile-Austausch mit Arztrücksprache nicht mehr möglich. Und es bleibt auch beim Honorar von 50 Cent für die Apotheken für das Engpassmanagement.


Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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4 Kommentare

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Sprache wird überbewertet

von Dr. House am 06.04.2023 um 12:59 Uhr

Ich bin ja eher der Ansicht Sprache sollte man nicht als ideologisches Instrument nutzen. Das wurde in der Gechichte zur Genüge mit verheerenden Folgen getan.
Wenn ich jetzt lesen muss, wieviel hinter der Formulierung "rumbegründet" werden muss, kommt mir angesichts der großen praktischen Probleme im Land das Grübeln. Von mir aus kann auch Apotheke durch Saftladen ersetzt werden. Die Leute lassen sich nicht in der Apotheke beraten, weil der Pflichttext in der Werbung kommt. Sie lassen sich beraten, weil wir durch praktikables Handeln und menschliche Fürsorge jahrzehnte lang unserem Versorgunsauftrag nachgekommen sind. Ich brauch jetzt gar nicht weiter auf die Genderschiene eingehen, aber das folgt alles demselben Muster. Irgendwelche Theoretiker in ihrer Bubble geben uns alle ihre Traumwelt vor - zunehmend verpflichtend. Denken und Sprache des Großteils der normalen Menschen entfremdet sich zusehens von der Gehirnakrobatik einiger weniger Bullshitjobber mit pathologischem Geltungsbedürfnis.

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Eine absolute Unverschämtheit!

von Julius Theker am 05.04.2023 um 23:56 Uhr

Wie die Ärzte wohl reagiert hätten wenn es "..ihre Praxis oder ihre Apothekerschaft" geworden wäre...
Absolute Herabstufung und Erniedrigung seitens des BMG

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Es reicht!

von Christiane Patzelt am 05.04.2023 um 21:46 Uhr

Ständig in die Fresse? Leute - findet ihr das notwendig?

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