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Interview mit SPD-Apothekenexperte Dirk Heidenblut (Teil 2)
„Müssen uns fragen, was es uns wert ist, überall Apotheken verfügbar zu haben“
Was dürfen die Apothekerinnen und Apotheker vom Jahr 2023 erwarten? In Teil 1 des DAZ-Interviews mit dem SPD-Berichterstatter für Apothekenthemen, Dirk Heidenblut, ging es um das geplante Lieferengpass-Gesetz und das Apothekenhonorar. Lesen Sie heute, was die Novelle des VOASG bringen könnte und welche Mittel gegen den Fachkräftemangel helfen sollen.
DAZ: Herr Heidenblut, im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP ist unter anderem ein zweites Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz vorgesehen. Was muss darin aus Ihrer Sicht auf jeden Fall auftauchen?
Heidenblut: Die Honorierung gehört zweifellos mit hinein (Anm. d. Red.: Lesen Sie dazu auch Teil 1 des Interviews). Auch bei den pharmazeutischen Dienstleistungen müssen wir schauen, was wir verändern können, damit mehr Apotheken sie anbieten. Zudem ist es mir ein Anliegen, nochmals über den Versandhandel zu sprechen und mögliche Ungleichgewichte im Vergleich mit den Präsenzapotheken zu beseitigen, etwa was die Möglichkeit betrifft, Rabatte anzubieten.
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Insgesamt muss es darum gehen, sicherzustellen, dass überall Apotheken auch weiterhin zeitnah zu Fuß oder mit dem ÖPNV zu erreichen sind. Ich beobachte, dass es in bestimmten Gebieten Ballungen gibt, sich andernorts aber gar keine Apotheke mehr findet. Darüber müssen wir auch mal mit den Apothekerverbänden sprechen und nach Lösungen suchen.
Denken Sie dabei an sowas wie die Bedarfsplanung bei den Ärzten oder in Richtung des Grünen-Antrags von 2019, in dem das Einrichten eines Sicherstellungsfonds vorgesehen ist?
Es wird schon eher dahin gehen, dass die Vergütung von bestimmten Faktoren abhängig gemacht wird, zum Beispiel der Lage und damit auch der Kundenfrequenz. Wir müssen uns fragen, was es uns wert ist, weiterhin überall Apotheken verfügbar zu haben und wie man den unterschiedlichen Anforderungen und Voraussetzungen Rechnung tragen kann. Auf welchen Mechanismus die Gespräche hinauslaufen werden, lässt sich jetzt noch nicht sagen. Aber in jedem Fall sollte dabei auch der Notdienst eine Rolle spielen. Es gibt Apotheken, die aufgrund ihrer Lage stark belastet sind und fast durchgängig Notdienst leisten. Das muss man bei einem noch näher zu bestimmenden Verteilungskonzept mitberücksichtigen. Ziel muss es sein, die Apotheke vor Ort zu erhalten – gerade dort, wo es besonders schwierig ist. Allerdings haben wir gerade noch sehr viele andere Baustellen im Gesundheitswesen, sodass ich nicht damit rechne, dass sich bei der Novelle des VOASG vor der zweiten Jahreshälfte etwas tut.
Kommen wir auf die eben schon angesprochenen pharmazeutischen Dienstleistungen zurück. Seit Juni 2022 dürfen Apotheken sie anbieten, bisher tun das aber nur vergleichsweise wenige. Welche Gründe sehen Sie dafür?
Da habe ich noch kein umfassendes Bild, woran es hakt. Es ist jedenfalls sehr schade, dass die Dienstleistungen noch nicht richtig in Fahrt kommen, denn wir brauchen davon eher mehr als weniger. Wahrscheinlich spielt der Fachkräftemangel eine Rolle, vielleicht auch räumliche Voraussetzungen oder die Struktur, wie die pharmazeutischen Dienstleistungen derzeit angelegt sind. Das müssen wir herausfinden und nach Wegen suchen, wie wir mehr Apotheken als bisher mit ins Boot holen können. Darin wie auch zum Beispiel im Impfen liegen viele Chancen für die Apotheken, ihre Funktion als niedrigschwellige Anlaufstelle bei gesundheitsbezogenen Anliegen zu unterstreichen. Es ist doch absurd, dass wir mit den Gesundheitskiosken eine kostspielige Struktur schaffen wollen, um Menschen den Zugang zu Gesundheitsangeboten zu erleichtern, und gleichzeitig die Apotheken nicht stärken.
Mit dem Fachkräftemangel sprechen Sie einen Punkt an, der den Apothekerinnen und Apothekern tatsächlich große Sorge bereitet. Welche Ideen haben Sie, um hier Abhilfe zu schaffen?
Ein Faktor ist sicher die Fachkräfte-Einwanderung. Auf diesem Gebiet sind die Apotheken nach meiner Erfahrung schon recht aktiv, ich kenne einige, die bereits zugezogene Kolleginnen und Kollegen beschäftigen. Doch das allein wird nicht reichen – wir werden mit den Ländern über die Zahl der Studienplätze reden müssen. Wir kommen nicht daran vorbei, mehr Apothekerinnen und Apotheker auszubilden und auch die Inhalte müssen sich verändern. Gerade wenn künftig die pharmazeutischen Dienstleistungen mehr Gewicht bekommen sollen, muss sich das im Studium widerspiegeln. Die Novellierung der Approbationsordnung obliegt dem BMG, darauf haben wir Abgeordnete kaum Einfluss. Aber da scheint es ja schon Vorschläge seitens der Fachverbände zu geben.
Auch die Entbürokratisierung des Gesundheitswesens ist ein Thema, dass sich der Gesetzgeber für dieses Jahr ins Aufgabenheft geschrieben hat. Nicht nur Nullretax, auch die Präqualifizierung muss weg, da ist sich der Berufsstand einig. Wie stehen die Chancen, dass dieser Wunsch in Erfüllung geht?
Ich habe einmal erlebt, wie so eine Präqualifizierung abläuft und habe einen ganz schlechten Eindruck davon. Da muss man tatsächlich überlegen, ob man den Aufwand bezahlen will oder doch lieber Hürden abbaut. Für mich ist die Antwort klar: Wir müssen dafür sorgen, dass dieser Aufwand entfällt. Die Präqualifizierung ist an vielen Stellen für Apothekerinnen und Apotheker einfach völlig überflüssig. Bei der Entbürokratisierung müssen wir jetzt endlich mal Ernst machen und genau hinschauen, an welchen Stellen wir das Gesundheitswesen entlasten können. Da gehört die Präqualifizierung für Apotheken unbedingt dazu.
Herr Heidenblut, vielen Dank für das Gespräch!
Dirk Heidenblut,
MdB & Verantwortlicher für Apothekenfragen im Gesundheitsausschuss,
Cosima Bauer, May und Bauer GbR, Rheinbreitbach,
Apotheker Prof. Reinhard Herzog, Tübingen,
Dr. Kai Christiansen, Apothekerkammer Schleswig-Holstein,
Dr. Hubert Ortner, Chefredakteur AWA — APOTHEKE & WIRTSCHAFT, Stuttgart
12 Kommentare
Wer hats .. verbockt?
von Stefan Haydn am 17.02.2023 um 19:33 Uhr
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Ich weiß auch nicht, wie wir weiterkommen sollen
von Karl Friedrich Müller am 16.02.2023 um 13:00 Uhr
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Wer Rabatte und die Zahl der Studienplätze erwähnt hat das Problem nicht verstanden
von Rainer W. am 16.02.2023 um 10:49 Uhr
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Vorsicht vor Fehlanreizen
von Linda F. am 16.02.2023 um 9:43 Uhr
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Rabatte, pDl, Fachkräfte
von Dorf-Apothekerin am 16.02.2023 um 9:29 Uhr
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AW: Rabatte, pDl, Fachkräfte
von PhIP am 16.02.2023 um 11:26 Uhr
Wertschätzung !?
von ratatosk am 16.02.2023 um 9:13 Uhr
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.
von Anita Peter am 16.02.2023 um 8:26 Uhr
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AW: Hervorragender Vorschlag!
von Holger am 16.02.2023 um 9:26 Uhr
AW: .
von AW am 16.02.2023 um 17:07 Uhr
AW: ..
von Anita Peter am 16.02.2023 um 18:26 Uhr
AW: Gefährlich
von Stefan Haydn am 17.02.2023 um 19:25 Uhr
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