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DAT-Antrag
Diese fünf Retax-Einschränkungen streben Kammern und Verbände an
Den Apothekerverbänden ist es bisher nicht gelungen, die Kassen in Gesprächen zu einer rationalen Retaxations-Praxis zu bewegen. Jetzt soll der Gesetzgeber ran: In einem DAT-Antrag fordert ein Bündnis aus Kammern und Verbänden, Retaxationen wirksam zu beschränken. Fünf konkrete Handlungsfelder haben sie ausgemacht.
Retaxationen sind für Apotheker:innen nicht nur ärgerlich – sind Hochpreiser-Verordnungen betroffen, kann eine Beanstandung schnell für schlaflose Nächte sorgen. Dass die Kassen dabei keineswegs nur dann auf Null kürzen, wenn bei der Abgabe etwas Grundlegendes schiefgelaufen ist, zeigt die jüngste Retax-Welle bei fehlender Dosierangabe auf dem Rezept. Der Apothekerverband Westfalen-Lippe (AVWL) wehrt sich nach eigenen Angaben zumeist erfolgreich gegen das aus seiner Sicht unrechtmäßige Vorgehen der Kostenträger, wie die DAZ berichtete.
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Zusammen mit dem Thüringer Apothekerverband, dem Berliner Apotheker-Verein sowie den Kammern aus Westfalen-Lippe und dem Saarland will der AVWL Mitte September beim Deutschen Apothekertag 2022 einen Antrag einbringen, in dem die ABDA-Mitgliedsorganisationen sich gemeinsam für eine mediale Aufklärungskampagne zu diesem Thema einsetzen. „Es ist eine Kommunikations- und Öffentlichkeitsarbeit erforderlich, um eine angemessene mediale Aufarbeitung durchzuführen, über diese Missstände zu informieren und so den Druck auf Kassenseite zu erhöhen, unrechtmäßige Nullretaxationen zu beenden“, begründen sie ihren Vorstoß.
Zudem fordern sie den Gesetz- beziehungsweise Verordnungsgeber auf, die Regeln für Retaxationen nachzuschärfen. „Die Gesetzlichen Krankenkassen ‚missbrauchen‘ Verstöße von Apotheken gegen bestehende Rabattverträge bzw. gegen Abgabe- und/oder Abrechnungsregeln dazu, die Bezahlung von Rezepten zu verweigern, obwohl die jeweilige Apotheke ihrer gesetzlichen Leistungspflicht nachgekommen ist“, monieren die Antragstellenden. „Im Ergebnis versorgen die Apotheken die Versicherten auf eigene Kosten, obwohl der Gesetzlichen Krankenkasse durch den Verstoß gegen Abgabe- und/oder Abrechnungsfehler bzw. gegen Rabattverträge nur ein geringer oder sogar überhaupt kein wirtschaftlicher Nachteil entstanden ist.“ Fünf Punkte liegen ihnen dabei besonders am Herzen:
Die Hauptversammlung der deutschen Apothekerinnen und Apotheker fordert den Gesetzgeber/Verordnungsgeber auf, Regelungen dahingehend zu treffen, dass
1. Gesetzliche Krankenkassen im Rahmen von Verstößen gegen Rabattverträge (§ 130 a SGB V) aufgrund eines Abgabe- oder Abrechnungsfehlers der Apotheke, der zu keiner Beeinträchtigung der berechtigten Interessen des Versicherten geführt hat, nur in den Fällen und in der Höhe eine Rechnungskürzung aussprechen dürfen, in denen einer Krankenkasse ein nachzuweisender wirtschaftlicher Schaden entstanden ist. (…)“
Bei der Rezeptbelieferung ist die Apotheke angehalten, vorrangig ein Rabattarzneimittel abzugeben, erläutern Kammer und Verbände. „Verstöße gegen bestehende Rabattverträge führen nachweislich zu einem wirtschaftlichen Schaden der betroffenen Gesetzlichen Krankenkasse. Im Rahmen des Nachteilsausgleichs ist der Gesetzlichen Krankenkasse aber nur der tatsächlich entstandene Schaden zu ersetzen.“ Eine Null-Retaxation führe daher zu „einer unberechtigten Bereicherung“ der Krankenkasse.
Die Hauptversammlung der deutschen Apothekerinnen und Apotheker fordert den Gesetzgeber/Verordnungsgeber auf, Regelungen dahingehend zu treffen, dass
(…) 2. Patientinnen und Patienten im Rahmen des Entlassmanagements mit den notwendigen Arzneimitteln in ausreichender Menge versorgt werden können, indem dem/der Apotheker*in ein größerer Handlungsspielraum ohne Retaxgefahr eingeräumt wird. (…)“
Fehlerhaft, unvollständig oder gar nicht ausgestellte Entlassrezepte gefährden aus Sicht der Kammern und Verbände regelmäßig die Versorgung der Patientinnen und Patienten nach Entlassung aus dem Krankenhaus. „Kleinste formale Fehler führen zur Nullretaxation seitens der Krankenkassen und die Apotheken laufen Gefahr, die Kosten nicht erstattet zu bekommen“, betonen sie. Klärung mit der Klinik oder Kontaktaufnahme mit der Hausarztpraxis sei vor allem feiertags und am Wochenende nicht möglich, die Versorgung müsse aber unverzüglich erfolgen.
Für solche Fälle schlagen die Antragsteller vor, Apotheken sollten die kleinste im Handel verfügbare beziehungsweise die nächstgrößere Packung abgeben dürfen, wenn die Packungsgröße N1 nicht im Handel oder zu dem Zeitpunkt nicht lieferbar ist. Die Abgabe dringend benötigter Arzneimittel sollte darüber hinaus anhand des Entlassbriefs erlaubt sein. Zudem brauche es Heilungsmöglichkeiten rein formaler Fehler seitens der Apotheke, um Nullretaxationen durch die Krankenkassen zu vermeiden. Formale Fehler, etwa eine fehlende Arztnummer, sollen nicht beanstandet werden dürfen. Des Weiteren sollte die Möglichkeit geschaffen werden, dass Krankenhausärztinnen und -ärzte auch größere Packungen als N1 verordnen dürfen, wenn die Packungsgröße N1 für den Bedarf von drei Tagen nicht ausreicht. „Erkennt die Apothekerin/der Apotheker anhand der Dosierungsangabe, dass die verordnete Menge nicht ausreicht, sollte er die benötigte Menge abgeben und abrechnen dürfen.“
Die Hauptversammlung der deutschen Apothekerinnen und Apotheker fordert den Gesetzgeber/Verordnungsgeber auf, Regelungen dahingehend zu treffen, dass
(…) 3. Krankenkassen bei Rabattvertragsänderungen eine „Friedenspflicht“ für einen Übergangszeitraum sicherstellen. (…)“
„Rabattvertragsänderungen haben oft zur Folge, dass das Warenlager einer Apotheke kurzfristig umstrukturiert werden muss und so gegebenenfalls die Lieferfähigkeit abnimmt“, erläutern die Antragsteller. Dadurch werde insbesondere die Versorgungssicherheit für den Fall gefährdet, dass die neuen Ausschreibungsgewinner nicht ad hoc lieferfähig sind. Ihr Wunsch: Die Rabattverträge sollten seitens der Krankenkassen derart ausgestaltet werden, dass sich alter und neuer Rabattvertrag um einen Monat überschneiden. „In diesem Fall könnten die bisherigen Rabattarzneimittel noch abgegeben werden, während man in der Apotheke das Warenlager parallel auf den/die neue/n Rabattarzneimittel umstellt. Alternativ wäre eine nachgelagerte einmonatige Friedenspflicht vorstellbar, die Apotheken von Beanstandungen freistellt.“
Die Hauptversammlung der deutschen Apothekerinnen und Apotheker fordert den Gesetzgeber/Verordnungsgeber auf, Regelungen dahingehend zu treffen, dass
(…) 4. Es den Krankenkassen untersagt ist, kommerziell tätige dienstleistende Unternehmen in Beanstandungsverfahren für Arzneimittelverordnungen auf der Basis einer Erfolgsbeteiligung einzubinden. (…)“
In der Beanstandungspraxis der einzelnen Krankenkassen seien erhebliche Unterschiede zu erkennen, konstatieren die Kammern und Verbände. „Unverkennbar ist u. a. die Tendenz, dass externe Dienstleister, die von Krankenkassen mit der Abrechnungsprüfung beauftragt wurden, häufiger und leichtfertiger Beanstandungen aussprechen als Krankenkassen, die ihre Abrechnungsprüfung im eigenen Hause durchführen. Bei einigen dieser externen Abrechnungsdienstleister ist eine ausgeprägte Kreativität bei der Prüfung auf zuvor allgemein nicht beachtete Sachverhalte festzustellen.“
Derartige, häufig ungerechtfertigte Taxbeanstandungen verursachten erheblichen Arbeitsaufwand, der angesichts des Fachkräftemangels aufseiten der Apotheken wie auch aufseiten der Krankenkassen nicht vertretbar sei. „Darüber hinaus ist im Bereich der für Krankenkassen tätigen Abrechnungsdienstleister in den vergangenen Jahren ein verstärktes Engagement von gewinnorientierten Privatunternehmern und Finanzinvestoren zu beobachten. Die Kürzung der Rechnungen von Apotheken für erbrachte Versorgungsleistungen hat sich offenbar zu einem lukrativen Geschäftsmodell entwickelt.“ Die Befugnis der Krankenkassen zur Retaxation habe allerdings ausschließlich der Kontrolle und Sicherstellung einer korrekten Abrechnung zu dienen. „Sie ist nicht als ergänzende Einnahmequelle zur Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung gedacht und darf nicht zum Gegenstand externer kommerzieller Interessen werden.“
Die Hauptversammlung der deutschen Apothekerinnen und Apotheker fordert den Gesetzgeber/Verordnungsgeber auf, Regelungen dahingehend zu treffen, dass
(…) 5. Apotheken die Möglichkeit eingeräumt wird, Abgabe- und/oder Abrechnungsfehler im Rahmen eines der Retaxation nachgelagerten Einspruchsverfahrens zu heilen. (…)“
Auch Abgabe- und/oder Abrechnungsfehler der Apotheken führen den Ausführungen zufolge immer wieder zu Null-Retaxationen durch die Kostenträger. Abgabe- und/oder Abrechnungsvorschriften erfüllten zwar einen legitimen Zweck, schreiben die Antragsteller. „Dieser legitime Zweck muss betroffenen Apotheken aber die Möglichkeit einräumen, im Rahmen von Retaxationen nachgelagerten Einspruchsverfahren diese Abgabe- und/oder Abrechnungsfehler heilen zu können, um einen Zahlungsanspruch gegenüber der gesetzlichen Krankenkasse auszulösen.“
Trotz zahlreicher Versuche und Bemühungen sei es in den zurückliegenden Jahren in Gesprächen zwischen den Krankenkassen und den Apothekerverbänden nicht flächendeckend gelungen, die Retaxationspraxis sach- und interessengerecht zu begrenzen. „Nun ist der Gesetzgeber berufen, eine angemessene Regelung verbindlich vorzugeben, um so grob unbillige Ergebnisse zu unterbinden.“
1 Kommentar
Zechprellerei
von Thomas B am 29.07.2022 um 8:19 Uhr
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