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Einzelimporte nach § 73 Abs. 3 AMG – Was sie von „normalen“ Importen unterscheidet

Köln - 08.12.2022, 07:00 Uhr

Ob einzelimportierte Arzneimittel erstattet werden oder nicht, lässt sich nicht pauschal sagen. Für Primärkassen sollte stets der aktuelle Arzneimittelliefervertrag der jeweiligen Krankenkasse berücksichtigt werden. (Foto: Schelbert / DAZ)

Ob einzelimportierte Arzneimittel erstattet werden oder nicht, lässt sich nicht pauschal sagen. Für Primärkassen sollte stets der aktuelle Arzneimittelliefervertrag der jeweiligen Krankenkasse berücksichtigt werden. (Foto: Schelbert / DAZ)


Jeden Tag wird in deutschen Apotheken eine Vielzahl von Importarzneimitteln abgegeben. Üblicherweise handelt es sich dabei um Parallelimporte oder Reimporte, die über den Großhandel bezogen werden. Es kann jedoch vorkommen, dass auf dem deutschen Markt keine entsprechenden Arzneimittel verfügbar sind. In solchen Fällen kann es erlaubt sein, Arzneimittel einzeln aus anderen Ländern einzuführen. Welche Regeln zu befolgen sind, erläutert dieses FAQ.

Im Regelfall dürfen Arzneimittel, die der Pflicht zur Zulassung oder Genehmigung nach § 21a AMG oder zur Registrierung unterliegen, in Deutschland nur auf den Marktgebracht werden, wenn sie hierzulande zugelassen, nach § 21a genehmigt, registriert oder von der Zulassung oder der Registrierung freigestellt sind. Unter bestimmten Umständen können jedoch auch andere, zum Beispiel in Deutschland nicht zugelassene Arzneimittel, in der Apotheke abgegeben werden. Im Rahmen des sogenannten Einzelimports. Was dabei zu beachten ist, lesen Sie im Folgenden. 

Welche Anforderungen muss ein Arzneimittel erfüllen, um nach Deutschland im Rahmen eines Einzelimports eingeführt werden zu dürfen? 

Die Einfuhr von Importarzneimitteln ist in § 73 Abs. 3 des Arzneimittelgesetzes geregelt. Dort heißt es:
„(3) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 dürfen Fertigarzneimittel, die nicht zum Verkehr im Geltungsbereich dieses Gesetzes zugelassen, registriert oder von der Zulassung oder Registrierung freigestellt sind, in den Geltungsbereich dieses Gesetzes verbracht werden, wenn

  1. sie von Apotheken auf vorliegende Bestellung einzelner Personen in geringer Menge bestellt und von diesen Apotheken im Rahmen der bestehenden Apothekenbetriebserlaubnis abgegeben werden,
  2. sie in dem Staat rechtmäßig in Verkehr gebracht werden dürfen, aus dem sie in den Geltungsbereich dieses Gesetzes verbracht werden, und
  3. für sie hinsichtlich des Wirkstoffs identische und hinsichtlich der Wirkstärke vergleichbare Arzneimittel für das betreffende Anwendungsgebiet im Geltungsbereich des Gesetzes nicht zur Verfügung stehen.“

Dabei müssen alle drei Punkte für eine ordnungsgemäße Einfuhr des Arzneimittels erfüllt sein. Es darf sich demnach nur um Einzelfallbestellungen, keine Bevorratung, handeln. Darüber hinaus muss das Arzneimittel theoretisch in Deutschland zulassungsfähig sein – bedenkliche Arzneistoffe dürfen beispielsweise NICHT eingeführt werden. Auch darf es keine deutschen Alternativen zu dem Präparat geben. Das kann dann der Fall sein, wenn es das entsprechende Arzneimittel gar nicht am deutschen Markt gibt, oder ein derart schwerwiegender Engpass entstanden ist, dass das Bundesgesundheitsministerium die Erlaubnis zur Einfuhr erteilt. 

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Ist für jeden Einzelimport nach § 73 Abs. 3 AMG ein Rezept notwendig? 

Grundsätzlich bedarf es nicht bei jeder Einzelimportbestellung einer ärztlichen Verschreibung. Wenn es sich um eine Einfuhr aus einem EU-Land oder dem erweiterten europäischen Währungsraum (EWR, z. B. Liechtenstein, Norwegen) handelt und das Arzneimittel nach deutschem Recht nicht der Verschreibungspflicht unterläge, darf das Arzneimittel auch ohne Rezept bestellt werden. Sollte es sich um ein Arzneimittel aus dem EU/EWR-Raum handeln, das der Verschreibungspflicht unterliegt, ist eine ärztliche Verordnung notwendig. Für Arzneimittel, die weder aus der EU noch aus dem EWR stammen, ist immer eine ärztliche Verordnung vonnöten. 

Was muss bei einem Einzelimport dokumentiert werden? 

Bei einem Einzelimport sind folgende Angaben zu dokumentieren: 

  1. die Bezeichnung des Arzneimittels,
  2. der Name oder die Firma des Herstellers sowie dessen Anschrift,
  3. die Chargennummer, Dosierung und Darreichungsform des Arzneimittels,
  4. Name oder Firma und Anschrift des Lieferanten,
  5. Name und Anschrift der Person, für die das Arzneimittel bestimmt ist,
  6. falls zutreffend: Name und Anschrift des verordnenden Arztes,
  7. das Datum der Bestellung und Abgabe des Arzneimittels und
  8. das Namenszeichen des Apothekers, der das Arzneimittel abgegeben hat bzw. die Abgabe des Arzneimittels überwacht hat.

Wie lange muss die Dokumentation zur Abgabe eines Einzelimports aufbewahrt werden? 

Die Dokumentation ist mindestens bis ein Jahr nach Ablauf des Verfalldatums aufzubewahren, jedoch mindestens fünf Jahre. Hier empfiehlt es sich, eine eventuelle ärztliche Verordnung bei der Dokumentation anzuheften, da hier gesammelt viele nützliche Informationen festgehalten sind. 

Muss eine Apotheke ein importiertes Arzneimittel noch einmal gesondert prüfen? 

Gemäß Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) sind Apotheken verpflichtet, importierte Arzneimittel qualitativ zu prüfen, wenn diese Prüfung nicht bereits im Herstellungsland erfolgt ist. 

Wie berechnet sich der Preis eines einzelimportierten Arzneimittels? 

Die Abrechnung von einzelimportierten Arzneimitteln richtet sich nach § 22 des Rahmenvertrags. Hier ist der tagesaktuelle Abgabepreis zu berechnen und anzugeben. Die Berechnung erfolgt gemäß Arzneimittelpreisverordnung wie folgt: 

Apothekeneinkaufspreis

 + Apothekenzuschlag (3 % +8,35 €)

 + eventuell anfallenden Notdienstzuschlag

= Nettoapothekenverkaufspreis

 + Mehrwertsteuer 19 %

= Bruttoapothekenverkaufspreis

Generell sollte berücksichtigt werden, dass bei der Bestellung eines Einzelimports auch Portokosten anfallen können. Diese können, je nach Krankenkassenliefervertrag, eventuell auch dem Kostenträger in Rechnung gestellt werden. 

Erstattet die gesetzliche Krankenversicherung Einzelimporte?

Ob einzelimportierte Arzneimittel erstattet werden oder nicht, lässt sich nicht pauschal sagen. Für Primärkassen sollte dabei stets der aktuelle Arzneimittelliefervertrag der jeweiligen Krankenkasse beachtet werden. Für Ersatzkassen ist die Erstattung im Arzneiversorgungsvertrag geregelt. Demnach muss bei Ersatzkassen stets eine Genehmigung für das Arzneimittel eingeholt werden, damit eine Erstattungsfähigkeit gegeben ist. Wird keine Genehmigung erteilt, muss der Patient das Arzneimittel selbst bezahlen. 

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Wo können Einzelimporte bestellt werden?

Anbieter, die sich auf den Einzelimport von Arzneimittel spezialisiert haben, können über den Verband der Einzelimporteure Internationaler Arzneimittel unter https://veia-verband.de/ abgerufen werden. 

Dürfen sich Krankenhausapotheken mit Einzelimporten bevorraten? 

Ja, mit dem Inkrafttreten des Apotheken-Versorgungsstärkungsgesetzes wurde es Krankenhausapotheken, aber nur diesen, erlaubt, sich mit Einzelimportierten Arzneimitteln zu bevorraten.

Korrektur: In der ursprünglichen Version wurde die Schweiz dem EWR zugerechnet. Das stimmt nicht. wir bitten den Fehler zu entschuldigen.


Thomas Noll, PTA, DAZ-Autor
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

gehört Schweiz zu EWR?

von Lena Loiterstein am 08.12.2022 um 22:34 Uhr

Ich habe gelernt, dass zu EWR 27 EU-Länder plus Island, Norwegen und Liechtenstein gehören. Die Türkei noch dazu.
UK und Schweiz sind zurzeit Drittstaaten oder liege ich falsch? LG

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: gehört Schweiz zu EWR

von DAZ-Redaktion am 09.12.2022 um 14:32 Uhr

Vielen Dank für den Hinweis. Da haben Sie völlig recht. Die Schweiz gehört nicht dazu. Wir haben den Fehler korrigiert.

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