Präqualifizierung extrem (Teil 6)

Die Irrungen und Wirrungen des Präqualifizierungs-Verfahrens

02.11.2022, 17:50 Uhr

(Foto: twinsterphoto / AdobeStock)

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Die Präqualifizierung (PQ) stellt mitunter seltsame Anforderungen an die Leistungserbringenden. Doch neben nicht barrierefrei zu erreichenden, jedoch barrierefrei zu gestaltenden Toiletten (Stichwort Wendeltreppe) und schalldicht anzulegenden Beratungsräumen wirkt auch der Prozess als solcher gelegentlich recht abstrus. Im sechsten und letzten Teil unserer Serie schauen wir daher anstatt auf seine Inhalte auch einmal auf den Ablauf des Verfahrens selbst.

Einen recht holprigen Start in die präqualifizierte Selbstständigkeit hatte eine Kollegin aus Berlin. Nach einer überaus aufwendigen, nervenzehrenden und langwierigen Übernahme der bestehenden Apotheken-PQ mit sehr kurzer Restlaufzeit wechselte die frisch gebackene Chefin der Berliner Cäcilien-Apotheke am Amtsgerichtsplatz hoffnungsvoll die Präqualifizierungsstelle. Die Schnelligkeit sowie Erreichbarkeit seien bei der neuen Stelle deutlich besser, die Anforderungen jedoch weiterhin äußerst kleinlich, sodass leider auch ihre frühe Re-Präqualifizierung alles andere als reibungslos lief. 

Als es dann doch irgendwie geschafft war, fiel ihr allerdings auf, dass sie den neuen Versorgungsbereich Trinknahrung bei ihrem Antrag vergessen hatte. Ein Kreuz sei alles, was gefehlt habe. Dieses holte die Apothekerin dann zwei Monate nach Erhalt der PQ per Änderungsantrag nach und hoffte auf einen reibungslosen und schnellen Ablauf. Schließlich handelte sich nur um eine geringfügige Ergänzung und all die umfangreichen Unterlagen hatte sie ja auch erst kürzlich an die neue PQ-Stelle geschickt. 

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Leider wurden ihre Hoffnungen schnell zunichtegemacht. Die PQ-Stelle forderte diverse der kurz zuvor eingereichten Unterlagen erneut an, unter anderem einen aktuellen Versicherungsnachweis der Apotheke. Nachdem die Apothekerin diesen wieder bei ihrer Versicherung eingeholt und bei der PQ-Stelle eingereicht hatte, sei von Letztgenannter bemängelt worden, dass im Versicherungsschein lediglich die Anschrift der Betriebsstätte stehe. Es müsse jedoch explizit der vollständige Name der Apotheke aufgeführt werden. Dies traf bei der Apothekerin auf Unverständnis, da ein gleichlautender Nachweis zwei Monate zuvor noch anstandslos akzeptiert wurde. 

Genaue Beschreibung des Botenfahrzeugs

Ebenfalls zuvor akzeptiert und nun plötzlich nicht mehr ausreichend für die Präqualifizierungsstelle sei die Beschreibung des Botenfahrzeugs gewesen. Es solle stattdessen ein Foto des Fahrzeugs eingereicht werden. Derartig unterschiedliche Forderungen und Einschätzungen seien für die Apothekerin ein Zeichen der Willkür. Von PQ-Stelle zu PQ-Stelle sowie auch von bearbeitender Person zu bearbeitender Person werde völlig unterschiedlich entschieden. Und das bei einem Verfahren, welches eine einheitliche Prüfung und damit auch eine gleichbleibende Qualität zum Ziel haben soll.[1] 

Nach einigen Telefonaten mit verschiedenen Sachbearbeitungen der PQ-Stelle habe diese jedoch schließlich eingelenkt. Man habe wohl übersehen, dass noch vor zwei Monaten alle Nachweise umfassend eingereicht wurden und, dass auch der Versicherungsschein ohne Apothekennamen akzeptiert wurde. Somit gab es für die Apothekerin letztlich doch noch eine Entwarnung sowie die gewünschte geänderte Präqualifizierung. Ende gut, alles gut. Zumindest bis zur nächsten PQ oder dem nächsten Audit.

Auch in Bayern gibt es Probleme

Auch eine bayerische Kollegin berichtet von diversen Problemen innerhalb des Verfahrens. Sie habe die PQ-Pflicht schon immer als lästig und überflüssig empfunden, seit Einführung der Audits fühle es sich jedoch wie der absolute bürokratische Irrsinn an. Pünktlich zu den Sommerferien 2019 sei sie erstmalig von einem Audit überrascht worden. Die 20 Tage Bearbeitungszeit seien unter diesen Umständen sportlich bemessen gewesen, sie und ihr Team konnten das Audit jedoch mit viel Schweiß und Mühe erfolgreich abschließen. 

Böse Überraschung

Kurz vor Ende ihrer laufenden PQ wollte die Apothekerin dann im Sommer 2021 die PQ-Stelle wechseln. Ebenso wie die Kollegin aus Berlin sei sie mit dem Service, unter anderem mit der Erreichbarkeit, nicht zufrieden gewesen. Als sie am Tag des Ablaufs ihrer PQ trotz vollständig eingereichter Unterlagen noch keine Rückmeldung der neuen Stelle hatte, habe die Apothekerin besorgt telefonischen Kontakt aufgenommen. Im Gegensatz zum alten Anbieter habe sie auch schnell jemanden erreichen können, allerdings folgte prompt das böse Erwachen: Die PQ-Stelle weigerte sich, die Präqualifizierung zu erteilen, da kein gültiger Mietvertrag existiere. Dies sei laut der Apothekerin bereits seit zwei Jahren der Fall gewesen und beruhe auf dem seitdem andauernden Kaufprozess der Immobilie. Bereits im Dezember des Vorjahres habe sie den Kaufvertrag unterzeichnet, doch der Grundbucheintrag habe wegen der COVID-19-Pandemie lange auf sich warten lassen. 

Sowohl ihre Steuerberaterin als auch der zuständige Pharmazierat verzichteten auf einen neuen Mietvertrag, da die Erklärungen und Nachweise über den laufenden Kauf des Hauses ihnen ausreichten. Lediglich die PQ-Stelle habe dies entschieden anders gesehen. Diese setzte der Apothekerin ein strenges Ultimatum. Wenn sie bis 12 Uhr desselben Tages keinen neuen Mietvertrag – inklusive aller notwendigen Unterschriften – vorlegen könne, erhalte sie keine Präqualifizierung. Glücklicherweise bestand zufällig eine persönliche Verbindung zur Vermieterin, sodass die Apothekerin diese sportliche Frist einhalten konnte und letztlich doch noch ihre PQ erhielt. Ebenso, wie ganze neun Tage später dann auch den Nachweis über ihre Grundbucheintragung als Eigentümerin des Gebäudes.

Die beiden dargestellten Fälle stehen stellvertretend für eine Vielzahl an Kolleginnen und Kollegen, die uns in den vergangenen Monaten über ihre Probleme mit dem PQ-Verfahren berichteten. Anders als in den hiesigen Beispielen traten auch viele der uns berichteten Problemfälle nicht erst durch den Wechsel der PQ-Stelle auf. Ein und dieselbe Präqualifizierungsstelle monierte zum Beispiel plötzlich ein Schreiben eines fachkundigen Architekten über den nicht verhältnismäßigen Aufwand für den Umbau der vorhandenen Toilette, obgleich sie dasselbe Schreiben zuvor bereits mehrfach für den Verzicht auf die behindertengerechte Toilette akzeptiert hatte. Weitere Apothekenleitungen berichteten außerdem davon, dass ihre Anträge als „unvollständig“ abgelehnt worden seien, ihnen jedoch nicht mitgeteilt worden sei, was denn genau fehle. Oftmals ließ sich dies jedoch dank beharrlicher Rückfragen seitens der Apotheken lösen.

Teuer und belastend

Allen uns berichteten Erlebnissen ist gemein, dass sie mit viel Ärger, Aufwand und häufig auch zusätzlichen Kosten verbunden waren, ohne dass sich dies merklich auf eine Verbesserung der Versorgungsqualität hätte auswirken können. Eher das Gegenteil sei laut Meinung einiger Betroffener der Fall, da das Verfahren mit all seinen Hürden und Macken äußerst viel Zeit raube.

Wie diese Beispiele zeigen, liegen die Herausforderungen bei der Präqualifizierung von Apotheken nicht allein in den teilweise schwer nachvollziehbaren gesetzlichen Anforderungen. Auch die Entscheidungswege und Beurteilungsgrundlagen fallen von Fall zu Fall – auch bei unveränderten Gegebenheiten derselben Apotheke – unterschiedlich aus. Dies führt dazu, dass vielfach scheinbar nicht die vorgelegten Nachweise und die Qualität der Versorgungseinrichtung über den Erfolg einer Präqualifizierung oder eines Audits entscheiden, sondern der Wille oder die subjektive Einschätzung der zuständigen Sachbearbeitung.

GKV-Spitzenverband hält sich für nicht zuständig

In Bezug auf die Frage, ob Maßnahmen zur Verbesserung des Verfahrens angestrebt werden, sieht sich der GKV-Spitzenverband scheinbar nicht zuständig. Laut dessen Pressestelle sei die „konkrete Ausgestaltung des Präqualifizierungsverfahrens […] von der DAkkS zu regeln, da die Verfahrensgestaltung der Präqualifizierungsverfahren mit dem Inkrafttreten des HHVG [Anm.: Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz] nun dem Zertifizierungs- und Akkreditierungssystem unterliegt“. Die Pressestelle der DAkkS (Deutsche Akkreditierungsstelle) bestätigt dies inhaltlich, schränkt jedoch für die eigene Zuständigkeit ein, dass sie selbst prüfe, „ob die Präqualifizierungsstellen die Anforderungen der DIN EN ISO/IEC 17065 einhalten und ob die Empfehlungen des GKV-SV bei der Prüfung durch die Präqualifizierungsstellen anforderungsgerecht berücksichtigt werden“. 

Die hier referenzierte Norm bezieht sich auf die allgemeinen Anforderungen an Prüfstellen hinsichtlich ihrer Kompetenz sowie ihrer Unparteilichkeit, jedoch nicht auf die konkret zu prüfenden Inhalte.[2] Diese werden durch die genannten Empfehlungen sowie den zugehörigen Kriterienkatalog des GKV-Spitzenverbands vorgegeben, jedoch lassen die Formulierungen eben oftmals einigen Interpretationsspielraum zu.[3,4] Was genau die DAkkS als anforderungsgerechte Berücksichtigung der GKV-Empfehlungen ansieht, führt die Pressestelle in ihrer Stellungnahme leider nicht weiter aus. Ebenso wenig auch, ob Maßnahmen zur Verbesserung oder Vereinheitlichung des Verfahrens seitens der DAkkS angestrebt werden, unter anderem auch hinsichtlich einer etwaigen Übergangsregelung bei einem (Apotheken-)Leitungswechsel. Hier verweist die Pressestelle lediglich auf die ihrerseits in der Coronavirus-Pandemie angestrengten Entlastungen, zu welchen sie bereits eine Handlungsanweisung veröffentlicht habe.

DAkkS: PQ-Stellen müssen bei Unklarheiten prüfen

Die Erlebnisse der Berliner Kollegin und vergleichbare Fälle sieht die DAkkS nicht als ein uneinheitliches Vorgehen der beteiligten Präqualifizierungsstellen an. Vielmehr müsse die jeweilige PQ-Stelle „Rückfragen stellen, um das Vorliegen der Anforderungen plausibel feststellen zu können“. Die Beseitigung von Unklarheiten, zum Beispiel in Bezug auf die Angaben innerhalb des Versicherungsnachweises, liege aufgrund des damit einhergehenden Haftungsrisikos auch im Interesse des Leistungserbringers. Weiterhin handele es sich bei einigen Sachverhalten, welche bei den Betroffenen als unterschiedliches Prüfverfahren aufgefasst werden könnten, um „Einzelfallprüfungen, in denen individuelle Gegebenheiten berücksichtigt werden müssen“.

Hinsichtlich des uns immer wieder geschilderten Interpretationsspielraums verweist die DAkkS außerdem auf die FAQ des GKV-Spitzenverbands, in welchen bereits einige Kriterien weiter definiert wurden.[5] Zusätzlich weist sie auf die Möglichkeit hin, eine freiwillige Betriebsbegehung durch die PQ-Stelle vornehmen zu lassen, damit diese sich „zur Klärung des Sachverhaltes ein Bild machen kann“. Außerdem bestehe bei konkreten Problemen mit der PQ-Stelle (z.B. ein ausuferndes Prüfverhalten) die Möglichkeit, die Beschwerdestelle der DAkkS zu kontaktieren.

Dass bei einem so komplexen Konstrukt wie der Präqualifizierung auch immer wieder mal Probleme oder Herausforderungen auftreten, ist sicherlich für die meisten Leistungserbringenden nachvollziehbar. Das Gefühl jedoch, mit diesen negativen Teilaspekten des Verfahrens allein gelassen – oder sogar mehr oder weniger bewusst durch diese unter Druck gesetzt – zu werden, lässt sich nicht ohne Weiteres wegdiskutieren. Ein Verfahren, das die Verbesserung der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung zum Ziel haben soll [6], sollte von den beteiligten Stellen auch sinnvoll umsetzbar sein. Wenn dies aus Sicht der Betroffenen nicht der Fall ist, braucht es einen konstruktiven Diskurs, um die Missstände möglichst auszuräumen. Wie so oft, ist auch hier der Gesetzgeber gefragt, damit gemeinschaftlich nach Lösungen gesucht werden kann, anstatt mit dem Finger aufeinander zu zeigen.


Literatur

[1] GKV-Spitzenverband (2022), Hinweise für Leistungserbringer, in: gkv-spitzenverband.de, 2022,  https://www.gkv-spitzenverband.de/krankenversicherung/hilfsmittel/praequalifizierung/hinweise_fuer_leistungserbringer/hinweise_fuer_leistungserbringer.jsp, letzter Zugriff am 31.10.2022.

[2] Friedrich N (2022), DIN EN ISO/IEC 17065:2013-01, in: beuth.de, 2022,

https://www.beuth.de/de/norm/din-en-iso-iec-17065/153760501, letzter Zugriff am 13.10.2022.

[3] GKV-Spitzenverband (2021), Empfehlungen des GKV-Spitzenverbands gemäß § 126 Absatz 1 Satz 3 SGB V für eine einheitliche Anwendung der Anforderungen zur ausreichenden, zweckmäßigen und funktionsgerechten Herstellung, Abgabe und Anpassung von Hilfsmitteln, in: gkv-spitzenverband.de, 30.08.2021, https://www.gkv-spitzenverband.de/media/dokumente/krankenversicherung_1/hilfsmittel/praequalifizierung/eignungskriterien/ek_ab_01_januar_2022/HiMi_Empfehlungen_nach__126_SGB_V_30.08.2021_bf.pdf, letzter Zugriff am 10.08.2022.

[4] GKV-Spitzenverband (2021), Kriterienkatalog Empfehlungen gemäß § 126 Absatz 1 Satz 3 SGB V, in: gkv-spitzenverband.de, 30.08.2021, https://gkv-spitzenverband.de/media/dokumente/krankenversicherung_1/hilfsmittel/praequalifizierung/eignungskriterien/ek_ab_01_januar_2022/HiMi_Kriterienkatalog_30.08.2021.pdf, letzter Zugriff am 24.07.2022.

[5] GKV-Spitzenverband (2022), Häufig gestellte Fragen Empfehlungen nach § 126 Abs. 1 Satz 3 SGB V, in: gkv-spitzenverband.de, Februar 2022, https://gkv-spitzenverband.de/krankenversicherung/hilfsmittel/praequalifizierung/eignungskriterien/eignungskriterien.jsp, letzter Zugriff am 20.08.2022.

[6] Deutscher Bundestag (2017), Vorgang – Gesetzgebung. Gesetz zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung (Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz – HHVG), in: dip.bundestag.de, https://dip.bundestag.de/vorgang/gesetz-zur-st%C3%A4rkung-der-heil-und-hilfsmittelversorgung-heil-und-hilfsmittelversorgungsgesetz/76480, letzter Zugriff am 31.10.2022.


Jessica Geller, Autorin, DAZ.online
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Präqualifikation

von Michael Reich am 02.11.2022 um 20:37 Uhr

PräQUALifikation - daher kommt’s!
Im Alphabet davor steht Quälgeist, danach Qualifikationskampf! Könnte auch mit „r“ geschrieben sein!

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