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Interview mit Kai Christiansen
„Ungeeignet und überflüssig“ – was sich bei der Präqualifizierung ändern muss
Im Februar 2022 hatte die Redaktion die DAZ-Leser:innen dazu aufgerufen, ihre absurdesten Geschichten zum Thema Präqualifizierung zum Besten zu geben. Gemeldet hat sich daraufhin auch Dr. Kai Christiansen, Präsident der Apothekerkammer Schleswig-Holstein. Im Gespräch mit der DAZ berichtet er von seinen persönlichen Erfahrungen mit der Präqualifizierung und erläutert, was sich aus seiner Sicht dringend ändern muss.
DAZ: Herr Christiansen, die Präqualifizierung zählt zweifellos zu den größten bürokratischen Ärgernissen in den Apotheken. Sie sind selbst Apothekeninhaber – welche Erfahrungen haben Sie persönlich damit gemacht?
Christiansen: Was mich ärgert, ist, dass jedes Mal wieder dieselben Unterlagen eingefordert werden, um Dinge zu belegen, von denen viele ohnehin selbstverständlich sind – die Betriebserlaubnis zum Beispiel. Ohne diese könnte ich doch gar keine Apotheke betreiben. Alle fünf Jahre muss ich nachweisen, dass der Beratungsraum noch an derselben Stelle ist wie zuvor und dass die Wände vom Boden bis zur Decke reichen. Das ist ein irrer Aufwand, den man keinem Mitarbeitenden zumuten kann. Also kümmere ich mich als Inhaber selbst darum, das gilt auch für viele Kolleginnen und Kollegen.
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Carla Meyerhoff-Grienberger vom GKV-Spitzenverband spricht im DAZ-Interview von „Einzelfällen mit negativen Erfahrungen“ im Zusammenhang mit der Präqualifizierung. Hat sie recht?
Nein, das sind definitiv keine Einzelfälle. Die negativen Erfahrungen und der damit verbundene Frust sind im Berufsstand weit verbreitet. Die Regelungen schießen an vielen Stellen deutlich über das Ziel hinaus und ergeben letztlich keinen Sinn mehr. Ein Beispiel, das Frau Meyerhoff-Grienberger selbst nennt, ist die Liege zum Anmessen von Kompressionsstrümpfen. Wir haben sie noch nie gebraucht. An dem Stuhl, den wir zum Anmessen nutzen, kann man eine Erweiterung ausfahren, auf der die Patientin oder der Patient das Bein ablegen kann, das funktioniert wunderbar. Aber um den Vorschriften gerecht zu werden, müssen wir trotzdem nachweisen, dass wir über eine Liege verfügen – das ist einfach übertrieben.
Wie sinnvoll ist die Präqualifizierung für Apotheken in der aktuellen Form? Dient sie tatsächlich noch der Qualitätssicherung?
Für die Apotheken ist die Präqualifizierung so, wie sie derzeit umgesetzt wird, schlichtweg ungeeignet und überflüssig. Unsere Betriebe sind derart strengen Regeln unterworfen, deren Einhaltung regelmäßig überprüft wird, dass die Anforderungen bei der Präqualifizierung keine Zugewinne bei der Qualität bringen. Es mag andere Leistungserbringer geben, bei denen man genauer hinschauen muss, aber für die Apotheken braucht es ein anderes System.
Was muss sich aus Ihrer Sicht konkret ändern?
Ein erster Schritt wäre es, dass nicht mehr alle fünf Jahre das volle Paket an Unterlagen eingereicht werden muss. Man könnte den Prozess einmal durchlaufen und dann regelmäßig per Unterschrift bestätigen, dass sich nichts verändert hat und alle seinerzeit gemachten Angaben noch gültig sind. Auch die Anregung von DAV-Vize Dr. Hans-Peter Hubmann unterstütze ich – er hat beim Wirtschaftsforum Ende April vorgeschlagen, Apotheken sollten sich nur dann präqualifizieren müssen, wenn sie Hilfsmittel handwerklich verändern wollen. Es ist auch denkbar, eine Beschwerdestelle für Patientinnen und Patienten einzurichten und Apotheken anlassbezogen zu überprüfen, wenn es Probleme gibt. Zudem muss sich am Selbstverständnis der Präqualifizierungsagenturen etwas ändern: Von der AfP etwa, die über einige Ecken zur ABDA gehört, erwarte ich deutlich mehr Service und Unterstützung für die Apotheken, als das bisher der Fall ist.
Den Kosten im Zusammenhang mit der Präqualifizierung stehen eher maue Erträge aus dem Hilfsmittelgeschäft gegenüber. Rechnet es sich für die Apotheken noch, die Hilfsmittelversorgung zu übernehmen?
In vielen Fällen eher nicht. Ich muss investieren und mir zum Beispiel Bohrmaschine und Liege anschaffen, in manchen Betrieben werden Umbauten nötig. Für einige Hilfsmittel bekomme ich im Gegenzug von der Krankenkasse den Einkaufspreis minus 10 Prozent erstattet – das kann sich nicht lohnen.
Es gibt Standesvertreter, die bereits öffentlich infrage stellen, ob die Hilfsmittelversorgung künftig noch wirtschaftlich tragbar ist für die Apotheken oder ob man sie nicht lieber zugunsten attraktiverer Aufgaben wie dem Impfen und den pharmazeutischen Dienstleistungen aufgeben sollte. Wie stehen Sie dazu?
Als Standesvertreter spreche ich für den Berufsstand und nicht für meine eigene Apotheke. Auch wenn ich darauf verzichten könnte, gibt es andere Kolleginnen und Kollegen, für die das nicht gilt. Gerade auf dem Land sind viele Apotheken noch Vollversorger. Wenn sie keine Hilfsmittel mehr abgeben würden, würde das für die Patientinnen und Patienten vielerorts bedeuten, dass sie weite Wege in Kauf nehmen müssten, um ihr Hilfsmittel zu bekommen. Das ist insbesondere auch bei uns in Schleswig-Holstein so. Viele Inhaberinnen und Inhaber haben mit Blick auf den Aufwand und den mangelnden wirtschaftlichen Nutzen aber tatsächlich bereits Konsequenzen gezogen: Ich kenne einige, die das Hilfsmittelgeschäft aufgegeben haben. Oft ist es die Präqualifizierung, die dabei den letzten Ausschlag gibt.
Was tut die Standesvertretung, zu der Sie als Kammerpräsident auch zählen, gegen den Bürokratie-Irrsinn?
Die Präqualifizierung fällt vor allem in den Aufgabenbereich des DAV, der für die Apothekerschaft die Verträge mit der GKV schließt. Zudem müssen wir um politische Unterstützung werben, das geht auch auf Landesebene. Kolleginnen und Kollegen, die die Chance haben, mit Politikerinnen und Politikern ins Gespräch zu kommen und ihnen vielleicht sogar die eigene Apotheke zu zeigen – vielen ist nicht klar, was hinter den HV-Tischen abläuft –, sollten das unbedingt tun und Handlungsbedarf deutlich machen. Wir haben gute Argumente, die wir breit streuen müssen.
Die Ampel-Partner haben sich im Koalitionsvertrag darauf geeinigt, das Gesundheitswesen ein Stück weit zu entbürokratisieren. Was wünschen Sie sich von der Politik?
Die Politik müsste sich wirklich trauen und bestimmte gesetzliche Regelungen einfach aussetzen, um zu schauen, was passiert. Das sage ich nicht nur mit Blick auf die Präqualifizierung, auch die Apothekenbetriebsordnung könnte man mal entrümpeln. Dass man uns ruhig ein bisschen Vertrauen schenken kann, ohne dass wir dieses gleich ausnutzen, haben wir in der Pandemie unter Beweis gestellt – ob Botendienst oder gelockerte Abgaberegeln, mit allen Freiheiten, die man uns gegeben hat, sind wir nachweislich sehr verantwortungsvoll umgegangen. Wir schielen bei solchen Gelegenheiten nicht darauf, wie wir noch den einen oder anderen Euro mehr verdienen können, sondern lösen Probleme für unsere Kundinnen und Kunden – wenn es sein muss, auch zulasten der eigenen Apotheke. Das muss endlich an den Schreibtischen der Kassen und der Politik ankommen.
Herr Christiansen, vielen Dank für das Gespräch.
2 Kommentare
Präqualifizierung
von Rudolf Strunkrudolf.strunk@gmx.de am 04.07.2022 um 10:45 Uhr
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Prä- und sonstige Qualifizierungen.
von Roland Mückschel am 04.07.2022 um 9:44 Uhr
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