DAZ Fresh-up

Retaxfalle Rezepturverordnungen – wie geht’s richtig?

Stuttgart - 26.10.2022, 07:00 Uhr

Damit die Apotheke belegen kann, dass die von der letzten Herstellung verbliebenen Anbrüche nicht mehr verwendbar waren, lohnt es sich, die Substanzanbrüche nicht grundsätzlich sofort zu verwerfen. (Foto: Schelbert / DAZ)

Damit die Apotheke belegen kann, dass die von der letzten Herstellung verbliebenen Anbrüche nicht mehr verwendbar waren, lohnt es sich, die Substanzanbrüche nicht grundsätzlich sofort zu verwerfen. (Foto: Schelbert / DAZ)


Bei einer Umfrage des DeutschenApothekenPortals (DAP) zu den Rezeptarten, die in Apotheken besonders häufig retaxiert werden, waren Rezepturverordnungen ganz vorne dabei. Die Herstellung und Taxierung erfordern Zeit und ein gutes Rezepturwissen, der verpflichtende Hash-Code hat schon die ein oder andere Apotheke an den Rand des Wahnsinns gebracht. Erfahren Sie im neuen DAZ-Fresh-up, warum das nicht sein muss, und wie Sie eine Retaxierung vermeiden können. 

Es kann nicht für jede Person und jede Situation das richtige Medikament in der passenden Darreichungsform auf dem Markt geben. Rezepturverordnungen können daher eine entscheidende Versorgungslücke schließen und eine wichtige Rolle für die umfassende Patientenversorgung spielen. Doch nicht in jeder Apotheke sind Rezepturverordnungen beliebt.

Wann kann eine Rezeptur zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) abgerechnet werden? 

Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel – und damit auch Rezepturen ohne verschreibungspflichtige Bestandteile – sind zwar generell von der Regelversorgung ausgeschlossen, Kinder bis zum vollendeten 12. Lebensjahr und Jugendliche mit Entwicklungsstörungen bis zum vollendeten 18. Lebensjahr unterliegen jedoch einer Ausnahme: Für sie sind Rezepturen auch ohne verschreibungspflichtige Bestandteile erstattungsfähig. Das ist in § 34 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) festgeschrieben. 

Für Erwachsene ab dem 18. Geburtstag sind Rezepturen ohne Rx-Bestandteile nicht zulasten der GKV verordnungsfähig. Ausnahmen gibt es bei Wirkstoffen, die bei Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten und in der OTC-Übersicht (Anlage I der Arzneimittel-Richtlinie) gelistet sind. 

Welche nichtverschreibungspflichtigen Rezepturbestandteile können für Erwachsene zulasten der GKV abgerechnet werden? 

Ob und unter welchen Bedingungen eine Substanz verschreibungspflichtig ist, finden Sie in der Anlage I der Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV). Enthält die Rezeptur nur nichtverschreibungspflichtige Bestandteile, so ist die Abgabe zulasten der GKV auch für Erwachsene möglich, wenn sie einen Bestandteil aus der Anlage I der Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL) des G-BA enthält. Erstattungsfähige nicht verschreibungspflichtige Rezepturbestandteile nach Anlage I AM-RL sind zum Beispiel:

  • topische Anästhetika und/oder Antiseptika nur zur Selbstbehandlung schwerwiegender generalisierter blasenbildender Hauterkrankungen (z. B. Epidermolysis bullosa (hereditaria), der sogenannten „Schmetterlingshaut“, oder der Autoimmundermatose Pemphigus),
  • Antihistaminika nur zur Behandlung schwerer, rezidivierender Urtikarien, nur bei schwerwiegendem, anhaltendem Pruritus,
  • Antimykotika nur zur Behandlung von Pilzinfektionen im Mund- und Rachenraum,
  • harnstoffhaltige Dermatika (mind. 5 %) nur bei gesicherter Diagnose bei Ichthyosen, wenn keine therapeutischen Alternativen für den jeweiligen Patienten indiziert sind,
  • Iod-Verbindungen nur zur Behandlung von Ulzera und Dekubitalgeschwüren,
  • Nystatin nur zur Behandlung von Mykosen bei immunsupprimierten Patient:innen,
  • salicylhaltige Zubereitungen (mind. 2 %) in der Dermatotherapie als Teil der Behandlung der Psoriasis und hyperkeratotischer Ekzeme,
  • synthetischer Speichel nur zur Behandlung krankheitsbedingter Mundtrockenheit bei onkologischen oder Autoimmunerkrankungen.

Muss für die Erstattung von nichtverschreibungspflichtigen Rezepturen eine Diagnose angegeben werden? 

Nein, es muss keine Diagnose auf dem Rezept angegeben werden. Es gilt allerdings eine erweiterte Prüfpflicht. Hat die Ärztin / der Arzt eine Diagnose vermerkt, so muss die Apotheke anhand der Anlage I der AM-RL prüfen, ob diese zu den verordnungsfähigen Ausnahmen gehört. Die Prüfpflicht entfällt jedoch, wenn keine Diagnose angegeben ist.

Wie muss bei Rezepturverordnungen die Dosierung angegeben werden? 

Laut § 2 Abs. 1 Nummer 4a AMVV gehört die Angabe einer Gebrauchsanweisung zu einer ordnungsgemäß ausgestellten Rezepturverordnung. Außerdem müssen Rezepturgefäße nach § 14 ApBetrO auch mit der Art der Anwendung und der Gebrauchsanweisung (z. B. „2 x täglich dünn auf die betroffenen Hautstellen auftragen“) gekennzeichnet werden. Daher kann eine Dosierungsangabe wie „Dj“ oder „laut ärztlicher Anweisung“ für Rezepturen nicht ausreichend sein. Die Apotheke benötigt die Gebrauchsanweisung zudem zur Beurteilung der Plausibilität der Rezeptur.

Darf eine fehlende Gebrauchsanweisung auf Rezepturverordnungen von der Apotheke ergänzt werden? 

Nach ärztlicher Rücksprache darf die Gebrauchsanweisung auf dem Rezept ergänzt werden. Die Apothekerin / der Apotheker sollte das Ergebnis der Rücksprache auf dem Rezept dokumentieren und mit Datum und Unterschrift bestätigen.

Muss bei Rezepturen für den Sprechstundenbedarf auch eine Gebrauchsanweisung angegeben sein? 

In § 2 AMVV heißt es:

„(1) die Verschreibung muss enthalten:

[…]

4a. bei einem Arzneimittel, das in der Apotheke hergestellt werden soll, die Zusammensetzung nach Art und Menge oder die Bezeichnung des Fertigarzneimittels, von dem eine Teilmenge abgegeben werden soll, sowie eine Gebrauchsanweisung; einer Gebrauchsanweisung bedarf es nicht, wenn das Arzneimittel unmittelbar an die verschreibende Person abgegeben wird;“

Im Falle einer Rezepturverordnung für den Sprechstundenbedarf muss also keine Gebrauchsanweisung angegeben sein.

Dürfen Kosmetika als Salbengrundlage für verschreibungspflichtige Rezepturen zulasten der GKV eingesetzt werden? 

Rezepturgrundlagen müssen apothekenpflichtig sein oder Arzneimittelqualität aufweisen. Nach § 11 ApBetrO muss die Apotheke dafür sowohl die Identität als auch die Reinheit der Ausgangsstoffe überprüfen. Die Reinheitsprüfung kann entfallen, wenn der Hersteller oder Lieferant die Komplettprüfung durch ein Prüfzertifikat bestätigt. Nicht apothekenpflichtige Grundlagen dürfen daher nur verwendet werden, wenn der Hersteller ein solches Prüfzertifikat nach § 6 Abs. 3 und § 11 ApBetrO sowie eine Methode zur Identitätsprüfung vorstellen kann. Viele Firmen stellen dies mittlerweile jedoch online oder auf telefonische Nachfrage zur Verfügung.

Was ist bei der Taxierung von Rezepturen aus Fertigarzneimitteln zu beachten? Dürfen Anbrüche mit abgerechnet werden? 

In Rezepturen werden häufig auch Fertigarzneimittel verarbeitet. Entspricht die abgegebene Menge nicht der Menge einer Originalgröße, entstehen Anbrüche. Theoretisch (laut § 5 Abs. 2 Satz 2 AMPreisV) dürfen diese voll berechnet werden:

„Auszugehen ist von den Apothekeneinkaufspreisen der für die Zubereitung erforderlichen Mengen an Stoffen und Fertigarzneimitteln. Maßgebend ist 

1. bei Stoffen der Einkaufspreis der üblichen Abpackung,

2. bei Fertigarzneimitteln der Einkaufspreis nach § 3 Abs. 2 der erforderlichen Packungsgröße, höchstens jedoch der Apothekeneinkaufspreis, der für Fertigarzneimittel bei Abgabe in öffentlichen Apotheken gilt.

Wird eine Rezeptur jedoch häufiger in einer Apotheke hergestellt und an Patienten, die bei der gleichen Krankenkasse versichert sind, abgegeben, argumentieren Krankenkassen zunehmend, dass die Anbrüche nicht verworfen werden müssen und für die nächste Rezeptur verbraucht werden können. Die Retaxationen häufen sich daher zu späteren Zeitpunkten, wenn der Patient die gleiche Rezeptur mehrfach verordnet bekommt und die Apotheke nicht belegen kann, dass die von der letzten Herstellung verbliebenen Anbrüche nicht mehr verwendbar waren. 

Es lohnt sich daher, die Substanzanbrüche nicht grundsätzlich sofort zu verwerfen, Rezeptkopien der Erst- und Folgeverordnungen aufzubewahren, das Datum des Anbruchs zu dokumentieren und Unterlagen zu Haltbarkeit und Aufbrauchfrist bereitzuhalten.

Wie viele Rezepturen dürfen auf einem Rezept verordnet werden? 

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) rät den Ärzt:innen, nur eine Rezeptur pro Rezeptblatt zu verordnen. Dies ist in den „Erläuterungen zur Vereinbarung über Vordrucke für die vertragsärztliche Versorgung“ (S. 55) festgehalten. Darin heißt es: „Bei der Verordnung von Rezepturen darf grundsätzlich nur die Vorderseite des Vordrucks benutzt werden. Pro Rezeptur ist hierbei ein Verordnungsblatt zu verwenden. Diese Vorgabe richtet sich jedoch nur an die Ärzt:innen. Die Apotheke hat diesbezüglich keine Prüfpflicht und darf Verordnungen mit mehreren Rezepturen oder einer Kombination aus Fertigarzneimitteln und Rezeptur grundsätzlich beliefern – seit Einführung des Hash-Codes wird dabei jedoch die Software nicht mehr mitspielen. Bei mehr als einer Rezeptur pro Verordnungsblatt sind Probleme mit der Hash-Code-Bedruckung zu erwarten, denn allein der lange Zahlencode einer Rezeptur füllt das Verordnungsblatt schon aus. Es wird also definitiv zu Problemen mit der Abrechnung kommen. Da Ärzt:innen sowieso von der KBV empfohlen wird, pro Rezept nur eine Rezeptur zu verordnen, kann man sie bei Bedarf noch einmal darauf hinweisen.

Was ist der Hash-Code? Was sind Z-Daten? 

Rezepte mit Rezepturverordnungen müssen seit dem 1. Januar 2022 mit einem Hash-Code bedruckt werden. Bis zum 30. Juni 2022 galt noch eine Übergangfrist, auf den Hash-Code durfte verzichtet werden, wenn die Bedruckung aus technischen Gründen nicht möglich war.

Beim Hash-Code handelt es sich um eine 40-stellige Zahlenfolge, die auf die zweite und dritte Taxzeile des Rezeptes gedruckt wird. Dieser Code verknüpft die Daten des Papierrezeptes mit zusätzlichen Daten (Z-Daten), die elektronisch an die Krankenkasse übermittelt werden. 

Der Hash-Code (auch Hash-Wert) setzt sich zusammen aus:

  • PZN (10-stellig): Stellen 1–10
  • Faktor (3-stellig): Stellen 11–13
  • Taxe (7-stellig): Stellen 14–20
  • PZN (10-stellig): Stellen 21–30
  • Faktor (3-stellig): Stellen 31–33
  • Taxe (7-stellig): Stellen 34–40

In die 1. Taxzeile wird die Sonder-PZN und die Gesamt-Taxe gedruckt. Der Hash-Wert wird in die 2. und 3. Taxzeile der Rezepte gedruckt.

Die konkrete Bedeutung der einzelnen Z-Segmente ist in der Technischen Anlage 3 zur Vereinbarung zur Datenübermittlung nach § 300 SGB V (TA 3) festgeschrieben. 

Für jede Verordnung (Rezepturen nach Anlage 10 zur Hilfstaxe und weitere Rezepturen nach §§ 4 und 5 Abs. 3 AMPreisV) ist dabei anzugeben:

  • Kennzeichen des Herstellenden (i. d. R. Institutionskennzeichen der Apotheke)
  • Herstellungsdatum und Zeitpunkt der Herstellung (Der Zeitstempel ist aus dem Abgabedatum und dem Zeitpunkt „00:00“ zu bilden.)
  • Zähler (In diesem Feld ist eine „1“ anzugeben.)
  • PZN (der tatsächlich eingesetzten Fertigarzneimittel, verwendeten Stoffe und Gefäße)*
  • Faktorenkennzeichen (Hier ist der Wert „11“ einzutragen.)
  • Faktor (als Promilleanteil; Bsp.: eine ganze Packung eines Stoffes = Promillewert „1000“)
  • Preiskennzeichen (nach Schlüssel der TA3 Abschnitt 8.2.26)
  • Preis (Betrag ohne USt., der sich i. d. R. aus dem Faktor und Preiskennzeichen ergibt)
  • Datum und Uhrzeit (aus dem Abgabedatum und tatsächlicher Uhrzeit der Abgabe)

* Laut GKV-Spitzenverband werden bei der Abrechnung von Rezepturen häufig die PZN nach Anlage 1 bzw. 2 der Hilfstaxe anstatt der tatsächlichen PZN der genutzten Packung bzw. des Gefäßes in den Z-Daten geliefert. Entsprechend den Regelungen in Abschnitt 4.14 der Technischen Anlage 1 (TA 1) sind im ZDP-02-Segment der Z-Daten die PZN zunächst in folgender Priorität zu liefern:

  • Tatsächliche PZN des Stoffes, Gefäßes, Fertigarzneimittels 
  • PZN nach Anlage 1 bzw. 2 der Hilfstaxe bei Stoffen bzw. Gefäßen, zutreffendes Sonderkennzeichen bei Fertigarzneimitteln (falls 1. nicht vorhanden) 
  • Sonderkennzeichen für Stoff, Gefäß oder Fertigarzneimittel ohne PZN (falls 2. nicht vorhanden)

Müssen die Einzelbestandteile der Rezeptur trotz Hash-Code auf das Rezept gedruckt werden?

Nach § 9 der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) mussten bislang trotz des Hash-Codes noch die Einzelbeträge des Apothekenabgabepreises auf das Rezept zusätzlich aufgedruckt werden. 

§ 9 AMPreisV:

„Auf der Verschreibung sind von den Apotheken einzeln anzugeben

[…]

2. bei Arzneimitteln, die in Apotheken hergestellt werden, außerdem die Einzelbeträge des Apothekenabgabepreises […]“

Zum 1. Juli 2022 ist jedoch eine Änderung in § 22 des Rahmenvertrags in Kraft getreten. In dem neu eingefügten Satz 3 heißt es, dass bei Papierrezepten auf die Angaben nach § 9 AMPreisV Nummer 2 verzichtet werden kann, wenn die Angaben im elektronischen Zusatzdatensatz geliefert und durch den aufgedruckten Hash-Code eindeutig zugeordnet werden können. 

Welche Gefäße dürfen bei Rezepturen zulasten der GKV abgerechnet werden? 

Gefäße, die nicht in der Hilfstaxe gelistet sind (z. B. Zubehörteile wie Mischscheiben), sollten Sie nicht auf Verordnungen zulasten der GKV abrechnen, wenn Sie eine Retaxierung sicher vermeiden wollen. Handelt es sich um Rezepturen, die für den Sprechstundenbedarf verordnet wurden, dürfen in der Regel gar keine Gefäße taxiert werden. Regionale Lieferverträge können hier jedoch Ausnahmeregelungen vorsehen. Dieses sollte vor der Abrechnung überprüft werden.


Apothekerin Dr. Verena Kirsch, DAZ-Autorin
redaktion@daz.online


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