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Stimmen zum geplanten Apotheken-Streik
Christiansen: „Das Fass ist übergelaufen“
In vier Bundesländern sperren die Apotheken am kommenden Mittwochnachmittag zu – aus Protest gegen die geplanten und weitere drohende Honorarkürzungen. Im Saarland ist die Bereitschaft zur Teilnahme groß, sagt die Vereinsvorsitzende Susanne Koch im DAZ-Podcast. Ähnliches berichtet Kai Christiansen, Kammerchef aus Schleswig-Holstein, der Redaktion. Er überlässt nichts dem Zufall, sondern greift persönlich zum Telefon und wirbt um Unterstützung.
Auch wenn es wohl nicht mehr gelingen wird, die Erhöhung des Kassenabschlags noch zu verhindern, wollen die Apotheken im Saarland, in Brandenburg, Hamburg und Schleswig-Holstein ein Zeichen setzen und am kommenden Mittwochnachmittag (19. Oktober) die Betriebe zusperren. Im Saarland hat der Apothekerverein bereits am vergangenen Montag in einer Mail an seine Mitglieder klargemacht, worum es geht: Die geplanten Einsparungen seien nicht hinnehmbar – gerade mit Blick auf „die galoppierende Inflation, die extremen Steigerungen im Energiesektor sowie die drastisch gestiegenen Lohnkosten“. Nach zehn Jahren ohne Honorarerhöhung sei jetzt vielmehr eine substanzielle Erhöhung des Honorars erforderlich. Im DAZ-Podcast erklärt Susanne Koch, Vorsitzende des Saarländischen Apothekervereins: „Wir wollen streiken, um auch in Zukunft für unserer Patienten da sein zu können.“
Ihr ist dabei bewusst, dass der Zeitpunkt für die Protestaktion einigen zu spät angesetzt erscheint. Schließlich soll der Gesundheitsausschuss am 19. Oktober das Gesetzespaket zusammenschnüren, das der Bundestag am nächsten Tag verabschieden soll. Doch sie glaubt, dass den Apotheken noch mehr bevorsteht als das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz. Sie hält daher ein deutliches Signal für notwendig, dass „wir uns nicht weiter an der Nase rumführen lassen wollen“. Schließlich steigen die Kosten weiter, die Lieferengpässe lassen nicht nach, der Personalmangel ist allgegenwärtig – und nächstes Jahr ist eine Strukturreform angekündigt. „Ein Signal für die Zukunft zu setzen, wäre jetzt auf jeden Fall sinnvoll“, findet Koch.
Brandenburg geht von Unterstützung durch die Landesregierung aus
Auch in Brandenburg will man nochmals alles dafür tun, um Öffentlichkeit für die schwierige Situation der Apotheken zu erzeugen, wie der Verbandsvorsitzende Olaf Behrendt gegenüber der DAZ erklärt. Er sieht sich dabei durch die klare Haltung der Brandenburgischen Landesregierung bestärkt: Das Votum des Bundesrats, auf die Erhöhung des Apothekenabschlags zu verzichten, geht auf eine Initiative des von der Grünen-Politikerin Ursula Nonnemacher geführten Landesgesundheitsministeriums zurück.
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Wie steht eigentlich die Apothekengewerkschaft Adexa zu den Protestaktionen? Die Apothekenangestellten dürften schließlich auch ein vitales Interesse daran haben, dass ihre Betriebe nicht in existenzielle Gefahr geraten. Adexa-Bundesvorstand Andreas May begrüßt die Aktionen daher auch. Allerdings sei er „traurig, dass es nichts Großes und Koordiniertes ist“, sondern nur in einzelnen kleineren Regionen protestiert werde. Zudem findet er den Zeitpunkt – ein Tag vor Verabschiedung des Spargesetzes im Bundestag – zu spät. „Hätte man nicht auf dem Deutschen Apothekertag aktiv werden können?“ fragt May. Aus seiner Sicht wäre das eine gute Gelegenheit gewesen, die ABDA mit einer Aktion zu beauftragen, die früher stattfindet und mehr als einen Handzettel und zwei Plakate umfasst.
Christiansen will 2,5 Milliarden Euro mehr im Jahr für die Apotheken
Dass man mit der Aktion tatsächlich noch die Erhöhung des Kassenabschlags verhindern können wird, daran zweifelt auch Kai Christiansen, Präsident der Apothekerkammer Schleswig-Holstein. Dennoch gibt er sich im Gespräch mit der DAZ kämpferisch: Er habe vielmehr die angekündigten Strukturreformen im kommenden Jahr im Blick. „Da kann es nur mehr Geld geben für die Apotheken, aber keinesfalls weniger“, betont er.
Nach seiner Rechnung müssten die Offizinen, wenn ihr Wertschöpfungsanteil an den GKV-Ausgaben wie noch im Jahr 2005 bei 2,8 Prozent läge – aktuell sind es nur 1,9 Prozent –, etwa 2,5 Milliarden Euro mehr im Jahr bekommen als es derzeit der Fall ist. „Dieses Geld will ich haben“, sagt Christiansen selbstbewusst.
Verdient wäre es allemal, meint der Präsident: „Wie viele Aufgaben wir unentgeltlich erbringen, hat ja bereits die Freie Apothekerschaft zusammengetragen. Und es kommen immer mehr hinzu, ohne dass wir dafür bezahlt würden. Wir sind seit Jahren von der wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland abgekoppelt, die Kosten explodieren und einfach umschlagen können wir sie auch nicht. So kann das nicht weitergehen.“ Einen Verwendungszweck für die geforderten Milliarden hat Christiansen bereits ausgemacht. Profitieren sollen davon vor allem die Mitarbeitenden in den Apotheken. „Mit den zusätzlichen Finanzmitteln könnten wir unseren Angestellten endlich ähnliche Gehälter bieten, wie sie in der Industrie und bei den Krankenkassen üblich sind.“
Hohe Streikbereitschaft im Norden
Für den Kammerchef aus Schleswig-Holstein war schnell klar, dass er die Idee, ein Zeichen zu setzen und einen Nachmittag vom Schließungsrecht Gebrauch zu machen, unterstützen werde. Damit die Aktion zumindest in seiner Region ein Erfolg wird, griff er sogleich selbst zum Hörer und rief alle 43 Apotheken in seinem Kreis an mit der Bitte, sich zu beteiligen. Sein Engagement zeigt Wirkung: „Bis auf ein paar wenige Betriebe, bei denen ich urlaubsbedingt noch auf eine Rückmeldung warte, haben alle zugesagt“, berichtet er der Redaktion.
Woher die hohe Streikbereitschaft rührt, liegt für Christiansen auf der Hand: „Mit der Erhöhung des Kassenabschlags ist das Fass nun endgültig übergelaufen. Inzwischen sind viele Kolleginnen und Kollegen bereit, ernst zu machen und entsprechende Schließungen zu wiederholen, sollte dieser Warnschuss keine Wirkung zeigen.“ In den kommenden Tagen werde er alle Bundestagsabgeordneten aus Schleswig-Holstein sowie die örtlichen Publikumsmedien anschreiben, die Aktion ankündigen und für die Nöte der Apothekerschaft sensibilisieren.
„Es geht um unsere Existenz!“
Um den Druck weiter zu erhöhen, hat er eine Bitte an die Inhaberinnen und Inhaber: „Wir müssen jetzt zusammenstehen und für unsere Interessen kämpfen. Ich weiß, dass die Konkurrenzsituation in den großen Städten wie Kiel und Lübeck eine andere ist als hier auf dem Land. Doch das darf jetzt keine Rolle spielen – bitte machen auch Sie in den Ballungszentren mit! Es ist an der Zeit, dass wir als Berufsstand Einigkeit demonstrieren und gemeinsam ein Zeichen setzen. Es geht letztlich um unsere Existenz!“
9 Kommentare
Endlich Bewegung
von Eckstein am 13.10.2022 um 17:08 Uhr
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Aufruf zum Streik
von Pille62 am 13.10.2022 um 12:50 Uhr
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STREIK / ADEXA
von Uwe Hansmann am 13.10.2022 um 10:55 Uhr
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Apothekenstreik
von Andreas Bojng am 13.10.2022 um 9:51 Uhr
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immerhin.....
von apotheker63 am 13.10.2022 um 8:23 Uhr
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Mittwochnachmittags -Streik
von Ulrich Ströh am 12.10.2022 um 21:29 Uhr
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AW: Mittwochnachmittags -Streik
von Kai Christiansen am 12.10.2022 um 23:11 Uhr
Streik
von Conny am 12.10.2022 um 21:03 Uhr
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Toller Einsatz - Das kann nur der Auftakt sein!
von Linda F am 12.10.2022 um 18:57 Uhr
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