Cansativa-Geschäftsführer im Interview

Medizinalcannabis in Apotheken: Die gleichen Fragen wie 2017

Berlin - 04.10.2022, 07:00 Uhr

Jakob Sons & Benedikt Sons, Gründer und Geschäftsführer Cansativa, (Foto: Harald Schnauder / Cansativa GmbH)

Jakob Sons & Benedikt Sons, Gründer und Geschäftsführer Cansativa, (Foto: Harald Schnauder / Cansativa GmbH)


2020 gewann der Medizinalcannabis-Großhändler Cansativa den Zuschlag des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), exklusiv in Deutschland angebautes Cannabis zu vertreiben. Jakob Sons führt gemeinsam mit seinem Bruder die Geschäfte des Unternehmens. Im Gespräch mit der DAZ berichtet er von seinen Erfahrungen, die er bei der Zusammenarbeit mit Apotheken sammeln konnte. 

DAZ: Herr Sons, seit den ersten Ernten vor über einem Jahr vertreiben Sie als exklusiver Partner des BfArM Medizinalcannabis aus deutschem Anbau. Wie hat das nicht-importierte Cannabis die Patientenversorgung beeinflusst? 

Jakob Sons: Der Start des Cannabisvertriebs aus deutscher Ernte hat zur Versorgungssicherheit beigetragen. Es hat die Akzeptanz der Akteure im Gesundheitswesen gesteigert, die Verordnungszahlen sind gestiegen. Damit stieg auch die Professionalität. Seitdem nehmen mehr Apotheken an der Patientenversorgung mit medizinischem Cannabis teil. Als exklusiver Distributor kamen wir mit vielen zusätzlichen Apotheken in Kontakt, mit denen wir zuvor nicht zusammengearbeitet hatten.

Welche Erfahrungen konnten Sie aus der Zusammenarbeit mit Apotheken sammeln?

Die Zusammenarbeit empfanden wir als kooperativ und transparent. Lösen Apotheken erstmals ein Cannabisrezept ein, kommen viele Fragen zum Umgang damit auf. Zum Beispiel: Welche Identitätsprüfung fordert meine zuständige Apotheken-Aufsichtsbehörde? Was ist erlaubt und wie muss ich die Blüten verarbeiten? Es sind die gleichen Fragen, mit denen sich Apotheken vor fünf Jahren an uns gewendet haben. Mittlerweile haben wir viele Infomaterialien ausgearbeitet und bieten Schulungen vor Ort an. Wir können hier zwar keine Vorgaben machen, aber Erfahrungswerte anderer Apotheken teilen.

Wie viele Apotheken nehmen derzeit an der Versorgung teil?

Zwei- bis dreitausend Apotheken erstellen regelmäßig Cannabisrezepturen und geben diese ab. Wir beobachten dabei, dass wenige Apotheken einen Großteil der Versorgung übernehmen. 50 bis 100 Apotheken in Deutschland lösen rund 80 Prozent aller Medizinalcannabis-Verordnungen ein.

Wie gehen Apotheken mit der teils aufwendigen Identitätsprüfung um?

Wir sehen einerseits Pharmazieräte, die eine optische und olfaktorische Prüfung von Cannabis als ausreichend erachten. Andere Aufsichtsbehörden fordern für jedes gelieferte Gebinde eine Ausgangsstoffprüfung mittels Dünnschichtchromatografie (DC). Bearbeiten Apotheken nur unregelmäßig Einzelverordnungen, für die eine aufwendige Analytik nötig ist, ist für sie die Cannabisversorgung unwirtschaftlich. Das trägt nicht gerade zur Versorgungssicherheit der Patienten bei.

Was raten Sie diesen Apotheken?

Sinnvoll wäre, wenn die Arzneimittelpreisverordnung zumindest eine kostendeckende Mindestvergütung für Einzelverordnungen vorsähe. Gleichzeitig wünschen wir uns, dass die Aufsichtsbehörden analytische Standards vereinheitlichen. Doch derzeit deutet nichts auf diesen Trend hin. Mittlerweile wurden als Ersatz der DC für bestimmte Blütenvarietäten neuere analytische Verfahren validiert – auf Basis von Infrarot-Spektroskopie, Farbreaktionen oder Immunassays. Die Aufsichtsbehörden sollten diese Innovation zulassen.

Wie gehen Apotheken damit um, die viele Cannabis-Verordnungen einlösen?

Apotheken, die viele Verordnungen mit Medizinalcannabis bearbeiten, setzen allein aus der Risikoperspektive oft auf eine genaue Identifikationsprüfung.

Cansativa arbeitet derzeit an einem digitalisierten Nachweis für Cannabispatienten, der in Apotheken ausgestellt werden soll. Patienten sollen damit den Besitz von Cannabis nachweisen können, um nicht strafrechtlich verfolgt zu werden. Wie ist der Stand dieses Projektes?

Beim Patientennachweis sind wir zurzeit in der Testphase. Wir wollen technisch erproben, wie die sensiblen Patientendaten am sichersten aufgehoben sind. Einen Schnellschuss wollen wir vermeiden und holen uns viel Feedback ein.

Anschließend geht es in den Rollout, beginnend mit zehn bis zwanzig Apotheken. Ich gehe aber nicht davon aus, dass wir den Nachweis in der Breite noch in diesem Jahr zur Verfügung stellen können. Aber schon jetzt merken wir: Die Bereitschaft der Cannabis-versorgenden Apotheken, den Nachweis auszustellen, ist höher als erwartet. 

Was wird aus dem Patientennachweis nach einer möglichen Cannabis-Legalisierung?

Sollte sich der Gesetzgeber zur Legalisierung entscheiden, könnte unser Patientennachweis auch für die Genussmittel-Abgabe relevant werden. Das System müsste anonymisiert und datenschonend sein. Daher könnte es auch als Nachweis für die Abgabe von Cannabis zu Genusszwecken infrage kommen.

Doch bei der Vorbereitung der Legalisierung durch die Bundesregierung sind erst noch dickere Bretter zu bohren: Zunächst muss der Gesetzgeber ausschließen, dass Deutschland mit der Legalisierung gegen EU- und Völkerrecht verstößt. Wir warten gespannt auf das Eckpunktepapier zur Legalisierung, dass die Regierung für Oktober angekündigt hat.

Auf dem Deutschen Apothekertag 2022 überging die Apothekerschaft einen Antrag, mit dem abgestimmt werden sollte, dass Cannabis zu Genusszwecken ausschließlich in der Apotheke abgegeben werden sollte. Wie stehen Sie zu dieser Frage?

Apotheken sollten auch für die Abgabe von Cannabis zu Genusszwecken infrage kommen, insofern sie möchten. Gerade zu Beginn der Legalisierung würde es lange Zeit dauern, eine Infrastruktur aufzubauen. Hier können insbesondere Apotheken in ländlichen Gebieten einen wichtigen Beitrag leisten. Doch als alleinige Abgabestelle finden wir Apotheken nicht geeignet. Die verpflichtende Abgabe des Genuss-Cannabis in Apotheken würde dem bisherigen Versorgungsauftrag widersprechen.

Vielen Dank für das Gespräch.


Apotheker Marius Penzel
redaktion@daz.online


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