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Kommentierende Analyse
Apothekenhonorar: Rechen(nach)hilfe für das BMG
Bundesgesundheitsminister Lauterbach hat beim Deutschen Apothekertag erklärt, nach Berechnungen seines Ministeriums müssten die Apotheken die geplante Einbuße beim Apothekenabschlag durch höhere Umsätze mit teureren Arzneimittel kompensieren können. DAZ-Wirtschaftsexperte Thomas Müller-Bohn hat in einer kommentierenden Analyse nachgerechnet und vier Gründe gefunden, warum das nicht funktionieren kann.
Ein zentraler Inhalt des Grußworts von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und der anschließenden Fragerunde beim Deutschen Apothekertag war der Plan, den Apothekenabschlag für zwei Jahre von 1,77 Euro auf 2 Euro brutto zu erhöhen. Lauterbach begründete dies insbesondere damit, dass er die Einsparungen auf viele Schultern verteilen wolle. Später ergänzte er, nach Berechnungen aus seinem Ministerium müssten die Apotheken die Einbuße verkraften können, weil sie durch höhere Arzneimittelumsätze kompensiert würde. Lauterbach erklärte nicht, wie das Ministerium darauf kommt. Doch hier soll nachgerechnet werden, ob das plausibel ist.
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Erhöhter Abschlag würde Apotheken fast so belasten wie der Wegfall des Notdienstfonds
Gemäß einer früheren Rechnung – ausgehend von eher niedrig geschätzten 617 Millionen GKV-Rx-Arzneimitteln pro Jahr – würde der erhöhte Apothekenabschlag eine Durchschnittsapotheke jährlich mit einer Rohertragseinbuße von 6.400 Euro belasten. Um dies über den dreiprozentigen Zuschlag auf Rx-Arzneimittel zu kompensieren, müsste der Umsatz mit Rx-Arzneimitteln um etwa 213.000 Euro pro Durchschnittsapotheke steigen. Gemäß Apothekenwirtschaftsbericht setzte im Jahr 2021 eine Durchschnittsapotheke 3,079 Millionen Euro um, davon 80,4 Prozent mit Rx-Arzneimitteln, also 2,475 Millionen Euro. Demnach müsste dieser Umsatz um 8,6 Prozent wachsen, damit die Apotheken die Einbuße beim Apothekenabschlag kompensieren.
Doch wenn das wirklich der Plan des Ministeriums sein sollte, liegen darin vier Fehlschlüsse.
Erstens: Mehr und teurere Arzneimittel wären ein viel größeres Problem
Damit diese (angebliche) Kompensation eintritt, müsste der Rx-Arzneimittelumsatz um 8,6 Prozent steigen. Demnach müsste das Ministerium also milliardenschwere Mehrausgaben der GKV durch teurere Arzneimittel erwarten, obwohl 17 Milliarden Euro eingespart werden sollen. Bei Arzneimittelausgaben von 35,65 Milliarden Euro (für 2021, gemäß Apothekenwirtschaftsbericht, vor Rabattabzug) ginge es um gut 3 Milliarden Euro mehr. Darüber sollte sich der Minister dann mehr Gedanken machen als über die Apotheken.
Zweitens: Setzt das Ministerium auf Umverteilung durch Apothekenschließungen?
Das obige Argument würde sich relativieren, wenn viele Apotheken schließen und sich die erwartete Umsatzsteigerung bei den verbleibenden Apotheken aus der Umverteilung ergibt. Das widerspricht aber der Idee Lauterbachs, dass die Apotheken die Belastung verkraften. Das sollte als Erklärung also wegfallen.
Drittens: Die prozentuale Komponente wird als Inflationsausgleich gebraucht
Der hier relevante dreiprozentige Zuschlag ist der einzige Teil der Honorierung der Apotheken durch die GKV, der mit höheren Preisen steigt. Nur hier gibt es einen gewissen Inflationsausgleich. Der wird jetzt dringend benötigt, um die vielen Kostensteigerungen ansatzweise aufzufangen, und kann nicht zur Kompensation zusätzlicher Einbußen verwendet werden. Die Belastungen durch die Inflation sind ohnehin das größere und strukturelle Problem der Apotheken. Der erhöhte Kassenabschlag würde das aber noch verschlimmern.
Viertens: Teurere Packungen verursachen auch mehr Kosten
Bei der ganzen bisherigen Betrachtung wird unterstellt, dass zusätzlichen Einnahmen durch teurere Rx-Arzneimittel keine zusätzlichen Kosten gegenüberstehen. Doch das ist falsch. Höhere Umsätze führen zu höheren Beiträgen und Prämien. Hochpreiser erhöhen das Bruch- und Retax-Risiko. Sie lösen aufwendige Prüfungen und Schutzmaßnahmen beim Handling aus. Das alles kostet Geld und das steht dann nicht mehr zur Kompensation neuer Einbußen zur Verfügung. Hier liegt ein ähnlicher Irrtum vor wie im Jahr 2012 bei der unzureichend bemessenen Anpassung des Festzuschlags. Damals wurde der zusätzliche Rohertrag durch zusätzliche Packungen als Entlastung gegengerechnet. Damals wurde ignoriert, dass zusätzliche Packungen mehr Arbeit und damit mehr Kosten verursachen. Im Jahr 2022 wird nun offenbar ignoriert, dass der Umgang mit teureren Hochpreisern auch zusätzliche Kosten verursacht.
Falls das Bundesgesundheitsministerium so gerechnet haben sollte, geht das nicht auf. Doch der Minister hat beim Apothekertag angekündigt, es solle nochmal nachgerechnet werden. Das sollte zu neuen Erkenntnissen führen!
4 Kommentare
Apothekenhonorar Rechenhilfe
von Sylvia Trautmann am 16.09.2022 um 4:15 Uhr
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Durchschnittsapotheke
von Prof. Dr. med. Schmidt Harald H.H.W. am 15.09.2022 um 20:41 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Durchschnittsapotheke
von Anita Peter am 16.09.2022 um 6:26 Uhr
Neue Erkenntnisse
von Roland Mückschel am 15.09.2022 um 19:01 Uhr
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