BfArM, GKV und ABDA

Fehlende Fiebersäfte: Rezeptur im Einzelfall möglich

Berlin - 29.07.2022, 17:45 Uhr

Fiebersaft verordnet, aber nicht verfügbar? Im Einzelfall kann die Apotheke nun eine Rezeptur herstellen. (Foto: Schelbert)

Fiebersaft verordnet, aber nicht verfügbar? Im Einzelfall kann die Apotheke nun eine Rezeptur herstellen. (Foto: Schelbert)


Die Engpässe bei Fiebersäften für Kinder halten Apotheken weiter auf Trab. Nun haben sich BfArM, GKV-Spitzenverband und ABDA darauf verständigt, dass Apotheken im Einzelfall auf Rezepturen ausweichen können – bei längerer Nichtverfügbarkeit auch im Defekturmaßstab.

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat angesichts der zurzeit eingeschränkten Verfügbarkeit von Fiebersäften für Kinder mit den Wirkstoffen Paracetamol und Ibuprofen „umfangreiche Recherchen und Prüfungen durchgeführt“. Das teilt das Institut heute auf seiner Webseite mit. Diese seien zu dem Ergebnis gekommen, dass neben dem Rückzug eines Marktteilnehmers auch auf eine Verteilproblematik ursächlich für den Engpass sind. Einen „Lieferabriss“ habe es zu keinem Zeitpunkt gegeben, so das BfArM. Und die im Direktvertrieb oder über den vollversorgenden Großhandel abgegebenen Warenmengen repräsentierten in Summe den bisherigen durchschnittlichen Bedarf.

Allerdings: In 2022 sei der Bedarf an den betroffenen Arzneimitteln überproportional angestiegen. „Die Ursachen hierfür konnten bislang nicht befriedigend ermittelt werden“, so das BfArM.

Es wird also auch weiterhin Lieferschwierigkeiten geben. Wie diesen zu begegnen ist, darüber hat sie das BfArM nun mit dem GKV-Spitzenverband und der ABDA abgestimmt. Demnach kann als Kompensationsmaßnahme auf die Fertigung von individuellen Rezepturarzneimitteln auf ärztliche Verschreibung hin in Apotheken zurückgegriffen werden. Diese Maßnahme soll jedoch ausschließlich im Einzelfall zur Anwendung kommen. Nämlich dann, wenn der Krankheitszustand des Kindes eine Behandlung Paracetamol oder Ibuprofen wirklich erfordert.

Laut BfArM wurden folgende Voraussetzungen vereinbart:

  • Der Fiebersaft wurde vom behandelndem Arzt / von der behandelnden Ärztin verschrieben.
  • Die Nichtbeschaffbarkeit des verordneten Fertigarzneimittels ist in der Apotheke zu dokumentieren. Hierfür wird die Dokumentation in den Warenwirtschaftssystemen als ausreichend erachtet.
  • Bei Nichtverfügbarkeit des verordneten Arzneimittels erfolgt die Rücksprache zu medikamentösen Alternativen mit dem behandelnden Arzt/ der behandelnden Ärztin.
  • Im Falle, dass die Gabe von Paracetamol- oder Ibuprofen-haltigen Fiebersäften medizinisch erforderlich ist, ist ein neues Rezept über eine Rezeptur auszustellen.
  • Die Taxierung der Rezeptur erfolgt nach Arzneimittelpreisverordnung.
  • Die Regelungen der Hilfstaxe (Vertrag über die Preisbildung für Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen (§§ 4 und 5 der AMPreisV) gelten.
  • Das BfArM ermittelt regelmäßig die Lieferfähigkeit der Unternehmen und stellt die Informationen zur Verfügung.
  • Sofern eine längere Nichtverfügbarkeit durch das BfArM nachgewiesen ist, kann die Herstellung in der Apotheke im Defekturmaßstab auch ohne Nachweis vorheriger regelmäßiger ärztlicher Verordnungen erfolgen.
  • Der GKV-Spitzenverband wird die Krankenkassen informieren und dringend empfehlen, dass in dem Zeitraum des Lieferengpasses die Rezepturen den Apotheken von den Krankenkassen erstattet werden.

Abschließend merkt das BfArM an, „dass die Maßnahmen ausschließlich nach Erfüllung der Kriterien und im individuellen Bedarfsfall zum Tragen kommen“.


Deutsche Apotheker Zeitung
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


3 Kommentare

PCM-Saft

von KM am 30.07.2022 um 19:29 Uhr

Ich habe die PCM-Suspension mal taxiert. (Infopharm, Awinta)

Ca. 20€ mit Syrspend aromafrei, davon 3,50€ als Arbeitspreis, allein das ist krank für den Aufwand.

Wenn Syrspend ausgeht, dann mit selbstgebastelter
DAC-Grundlage. Dieser Extraaufwand wird nicht extra vergütet.

Und wer garantiert uns überhaupt, daß die Krankenkassen die Rezepturen überhaupt bezahlen? Nach 1 Jahr kommt pünktlich die Retaxwelle, weil Rezeptur, selbst Defektur so viel teurer ist als Industrieware.
Eine "dringende Empfehlung zur Erstattung der Rezepturen" ist keine Garantie, sondern nur "es wäre schön, wenn ihr als Krankenkassen das bezahlt, aber zwingen können wir euch nicht."

Wir bemühen uns ehrlich um die Versorgung der Kinder mit Fiebersäften. Es gibt Alternativen, Zäpfchen, Tabletten. Schmeckt nicht nach Erdbeer, sollte im Notfall egal sein.

Aber irgendwann ist Schluß mit unserem Helfer-Syndrom.
Keine Firma wirtschaftet sich bewußt ins Minus. Die ziehen die Reißleine und stellen die Produktion ein.
Und wir sollen das jetzt rausreißen? Nein.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Den Kassen dringend die Erstattung empfehlen?

von Carola Schmidt am 30.07.2022 um 18:35 Uhr

Wer bitte wird denn eine Rezeptur im Wert von etwa knapp 30€ auf Kassenrezept abrechnen wollen, wenn die Erstattung durch die KK nur „dringend empfohlen“, aber nicht garantiert ist?? Oder dann vielleicht am Ende auch noch gekürzt wird, weil man ja das Ganze schließlich defekturmässig hätte herstellen sollen.
Wie dumm ist denn eine solche Regelung?

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Au weh

von Karl Friedrich Müller am 30.07.2022 um 13:19 Uhr

Noch alle Latten am Zaun?
Im Einzelfall = die Herstellung lohnt sich überhaupt nicht. Zu viel wird weggeworfen. Lohnt sich schon wegen der Bürokratie, Arbeitszeit und Aufwand nicht.
Und: nichts geht wohl ohne eine ellenlange Liste der Voraussetzungen.
So wird Hilfe VERHINDERT
Wir sind nicht dazu da, die Fehler der Politik und Krankenkassen auszubügeln auf Kosten unserer Gesundheit und Einkommens.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.