Aus Tabletten und Zäpfchen

Paracetamol und Ibuprofen für Kinder aus Fertigarzneimitteln herstellen

Stuttgart - 18.07.2022, 17:30 Uhr

Wenn keine Rezeptursubstanz verfügbar ist, kann man sich oft mit Fertigarzneimitteln helfen. (x / Foto: shidlovski/AdobeStock)

Wenn keine Rezeptursubstanz verfügbar ist, kann man sich oft mit Fertigarzneimitteln helfen. (x / Foto: shidlovski/AdobeStock)


Fiebersäfte und -zäpfchen für Kinder sind derzeit absolute Mangelware. Und auch die Rezeptursubstanzen sind schwer zu bekommen. Bleibt die Herstellung aus Fertigarzneimitteln, die sowohl bei Ibuprofen als auch bei Paracetamol möglich ist. 

Bei Lieferengpässen können oft Apotheken mit Rezepturen einspringen. Vorausgesetzt, sie kommen an die notwendigen Grundstoffe. Im Fall der Knappheit an Paracetamol und Ibuprofen in kindgerechten Darreichungsformen ergeben Rückfragen bei den Herstellerfirmen für pharmazeutische Ausgangssubstanzen folgendes Bild: Bei der Firma Fagron ist Paracetamol momentan erhältlich, auch die Firma Caelo ist bei dieser Substanz lieferfähig. Beim Wirkstoff Ibuprofen ist die Situation etwas schwieriger. Caelo hätte liefern können, der Bestand wird aber täglich weniger. Ähnlich schaut es bei Euro OTC Pharma aus, Ibuprofen ist bei knappen Bestand erhältlich. (Stand 14. Juli 2022) .

Mehr zum Thema

Lieferengpässe bei Paracetamol und Ibuprofen

Entspannt sich die Lage im Herbst?

Sollten die Reinsubstanzen nicht erhältlich sein, gibt es noch die Möglichkeit die Rezepturen aus Fertigarzneimittel herzustellen. So geht man dabei vor: 

Paracetamol-Suspension 40 mg/ml (aus Fertigarzneimittel)

Paracetamol-Tabletten 500 mg8 Stück
Grundlage für Suspensionen zum Einnehmen (NRF S.52.)zu 105,1 g

Zur Herstellung werden die Paracetamol-Tabletten zunächst in einer mit Pistill tarierten Fantaschale mit wenig Grundlage (siehe Kasten) gequollen und dann mit dem Pistill zu einer gleichmäßigen Paste angeteigt. Es ist nicht nötig, sie vorab zu mörsern. Der Ansatz wird dann in kleinen Anteilen mit weiterer Grundlage verrührt und zur Endmasse ergänzt. Die fertige Suspension muss gut aufschüttelbar sein, enthaltene Hilfsstoffe in den Tabletten wie mikrokristalline Cellulose, Maisstärke oder Carboxymethylstärke-Natrium unterstützen dies ohnehin. 

Die Zubereitung wird in eine ausreichend große Braunglasflasche gefüllt. Da 105,0 g fertige Suspension 100 ml entsprechen, ist als Primärpackmittel eine Braunglasflasche mit 200 ml geeignet. Die Aufbrauchfrist beträgt vier Wochen.

Grundlage für Suspensionen zum Einnehmen (NRF S.52.)

Die Stammzubereitung aus dem NRF ist speziell zur Herstellung von Arzneimitteln für Kinder konzipiert und enthält keine für pädiatrische Patienten kritischen Bestandteile.

Hydroxyethylcellulose 100000,5 g
Glucose-Monohydrat11,0 g
Kaliumsorbat0,14 g
Citronensäure0,07 g
Gereinigtes Wasserzu 100,0 g

Zur Erhöhung der Viskosität ist Hydroxyethylcellulose 10000 als Verdickungsmittel enthalten, Glucose-Monohydrat dient zur Geschmacksverbesserung. Ansonsten enthält die Grundlage für Suspensionen zum Einnehmen nur noch Kaliumsorbat zur Konservierung und Citronensäure zur Einstellung des pH-Werts. 

Die Herstellung kann in einem mit Glasstab tarierten Becherglas erfolgen. Darin werden zunächst der Quellstoff und Glucose-Monohydrat eingewogen, das getrennt abgewogene Kaliumsorbat ergänzt und die Feststoffe trocken gemischt. Anschließend kann das gereinigte Wasser zur Pulvermischung hinzugefügt, der Ansatz verrührt und zum Schluss die Citronensäure ebenfalls unter Rühren dazugegeben werden. Das abgedeckt Becherglas wird unter gelegentlichem Rühren etwa zwei Stunden lang stehen gelassen, mögliche Verdunstungsverluste werden mit gereinigtem Wasser ergänzt. Auch wenn die Quellung noch nicht vollständig abgeschlossen ist, kann die Zubereitung bereits zur Herstellung verwendet oder auf Vorrat in eine Braunglasflasche abgefüllt werden. Die Verwendbarkeitsfrist beträgt sechs Monate.

Auch Zäpfchen können hergestellt werden

Im Rezepturhinweis des DAC/NRF zu Paracetamol ist auch die rezepturmäßige Herstellung von Kinderzäpfchen aus höher dosierten Zäpfchen beschrieben, als Herstellungsverfahren bietet sich dabei die Dosierungsmethode nach Münzel an. In pädiatrischen Kliniken werden meist Zäpfchen mit jeweils 40 mg und 60 mg Paracetamol als Einzeldosis benötigt, in öffentlichen Apotheken werden eher Kindersuppositorien mit 125 mg und 250 mg Arzneistoff nachgefragt. 

Aus den zur Verfügung stehenden Fertigarzneimittel-Zäpfchen kann dabei nach der Regel des gemeinsamen Vielfachen die Anzahl an erhaltenen Kinderzäpfchen berechnet werden. So können aus fünf 500-mg-Zäpfchen rein rechnerisch 20 Stück 125-mg-Zäpfchen ausgegossen werden. Bei der rezepturmäßigen Herstellung von Zäpfchen treten beim Ausgießen der geschmolzenen Grundlage unweigerlich Verluste durch Rückstände an der Schale oder am Pistill auf, bei allen Suppositorien-Rezepturen muss daher mit einem Produktionszuschlage gearbeitet werden. Beim Herstellungsverfahren nach Münzel wird dieser Überschuss nicht prozentual festgelegt, sondern als Stückzahl weiterer Suppositorien. 

Zunächst werden also die Erwachsenenzäpfchen aufgeschmolzen und die aufgeschmolzene Masse in 20 Bohrungen einer Kinderform verteilt. Für Kinder bis zu einem Alter von vier Jahren werden normalerweise 1-g-Zäpfchen hergestellt. Die teilweise oder gar nicht gefüllten Bohrungen können dann mit reinem Hartfett ausgegossen werden, empfohlen wird dabei der Hartfetttyp Witepsol H 15. Die überstehende Gießschwarte kann abgestreift und verworfen werden. 

In einem ersten Schritt ist damit die benötigte Menge an Suppositoriengrundlage bestimmt, allerdings ist der Wirkstoff natürlich noch nicht gleichmäßig verteilt. Deshalb werden die erkalteten Zäpfchen aus der Form genommen, erneut aufgeschmolzen, durchgerührt und wieder ausgegossen. Die optimale Temperatur beim Ausgießen aus der Gießschale beträgt bei Zäpfchen auf Basis von Hartfett etwa 33 bis 34°C. Wie bei allen Suspensionszäpfchen kommt es auch bei der Herstellung der Paracetamol-Zäpfchen zu einer teilweisen Entmischung des Ansatzes, trotz Rühren lässt sich eine fehlerhafte Dosierung in den letzten Anteilen der Wirkstoff-Hartfett-Schmelze nicht vermeiden. Deshalb werden die letzten erhaltenen Zäpfchen verworfen.

Ibuprofen-Suspension aus Tabletten

Ist Ibuprofen als Rezepturgrundstoff nicht erhältlich, können Suspensionen mit Ibuprofen ebenfalls aus Fertigarzneimittel-Tabletten hergestellt werden. Die entsprechenden Tabletten werden dazu in einer Fantaschale mit Pistill mit wenig Grundlage (NRF S.52.) gequollen und dann mit dem Pistill zu einer gleichmäßigen Paste verrührt. Die restliche Grundlage wird in Anteilen ergänzt. Auf die Zugabe von hochdispersem Siliciumdioxid, welche bei Herstellung aus Reinsubstanz empfohlen wird, kann dabei verzichtet werden. Die enthaltenden Hilfsstoffe in den Tabletten unterstützen die Aufschüttelbarkeit der Suspension.

100 ml Ibuprofen-Suspension 40 mg/ml

Ibuprofen-Tabletten 400 mg10 Stück
Grundlage für Suspensionen zum Einnehmen (NRF S.52.)zu 105,0 g

Dr. Annina Bergner, Apothekerin, Autorin PTAheute.de
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


4 Kommentare

PCM-Saft

von KM am 30.07.2022 um 19:07 Uhr

Ich habe die PCM-Suspension mal taxiert.
Ca. 20€ mit Syrspend, davon 3,50€ als Arbeitspreis, allein das ist krank für den Aufwand.
Wenn Syrspend ausgeht, dann mit selbstgebastelter DAC-Grundlage. Dieser Extraaufwand wird nicht extra vergütet.
Und wer garantiert uns überhaupt, daß die Krankenkassen die Rezepturen überhaupt bezahlen? Nach 1 Jahr kommt pünktlich die Retaxwelle, weil Rezeptur, selbst Defektur so viel teurer ist als Industrieware.

Wir bemühen uns ehrlich um die Versorgung der Kinder mit Fiebersäften. Es gibt Alternativen, Zäpfchen, Tabletten. Schmeckt nicht nach Erdbeer, sollte im Notfall egal sein.

Aber irgendwann ist Schluß mit unserem Helfer-Syndrom.
Keine Firma wirtschaftet sich bewußt ins Minus. Die ziehen die Reißleine und stellen die Produktion ein.
Und wir sollen jetzt rausreißen? Nein.
Ich möchte am Monatsende meinen Lohn auf dem Konto, vom Applaus und Schulterklopfen zahlt sich meine Wohnungsmiete auch nicht.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Fiebersäfte

von Jutta Magsamen am 20.07.2022 um 16:59 Uhr

Wir haben uns Ausgestattet für unsere Kleinen Patienten, hier geht's nicht um Umsätze, eher der Menschheit zu beweisen wie wichtig und besonders wir sind, diese Fiebersäfte gibt's nicht im Netz

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Rezeptur Säfte.

von Roland Mückschel am 19.07.2022 um 12:33 Uhr

Haben wir nicht. Wissen nicht wann wieder Ware kommt.
Ja, der Krieg in der Ukraine.

Wesentlich besser als eure Scheiss-Rezeptur.
Die wird nicht bezahlt und verdeckt fatalerweise die
ganze derzeitige Misere.

Es wäre besser gewesen sich in der Pandemie um Zusatzaufgaben nicht zu kümmern. Keine Zeit , keine Personalressourcen wegen Finanzierungsdefizit.
Jetzt bekommt ihr die Rabatterhöhung und das Finanzamt
ist auch schon ganz gierig.
Permanentes Nachgeben gegenüber führt zu nichts.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: wie wahr

von Stefan Haydn am 19.07.2022 um 13:07 Uhr

Leider haben Sie Recht.

Eigentlich wäre sogar eine Welle an Personalausfällen mit zeitweiligen Schließungen von Apotheken wünschenswert, um Bevölkerung und Politik zu zeigen, ohne Apotheken geht es nicht und so geht es nicht weiter.

Es hilft nur noch Verweigerungshaltung.

Die Intensiv- und Normalstationen straucheln ja auch wegen der Personalausfälle.

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.