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Ab September
Estradiol bei vaginaler Atrophie – in Großbritannien erstmals ohne Rezept
OTC-Switches – also der Wechsel von einem rezeptpflichtigen zu einem lediglich apothekenpflichtigen Arzneimittel – sind nicht nur in Deutschland immer wieder ein Thema. So ist zum Beispiel die „Pille danach“ seit 2015 ohne Rezept erhältlich. Orale hormonelle Kontrazeptiva sind hingegen in Deutschland weiterhin ohne Ausnahme rezeptpflichtig, gleiches gilt für Hormonpräparate in der Menopause. In Großbritannien ändert sich das gerade. Ist das eine gute Idee?
Anfang Juni machte das Unternehmen „HRA Pharma“ auf die aus seiner Sicht erfolgreiche Einführung der Minipille ohne Rezept in Großbritannien aufmerksam – Großbritannien könne als Präzedenzfall für andere Staaten dienen, hieß es. Das Für und Wider einer oralen Gestagen-only-Kontrazeption ohne Rezept (in Deutschland) hat die DAZ bereits erläutert.
Doch bevor in Deutschland überhaupt (öffentlich) über einen solchen Switch diskutiert wird, gibt es in Großbritannien hinsichtlich Hormontherapien für Frauen einen weiteren Vorstoß. Dieses Mal geht es nicht um orale hormonelle Schwangerschaftsverhütung, sondern die vaginale Hormonersatztherapie in der Menopause: Auf dem Internetauftritt der britischen Gesundheitsbehörde MHRA ist am 20. Juli ein Vorschlag veröffentlicht worden, Vaginaltabletten mit 10 µg Estradiol in Apotheken ohne Rezept erhältlich zu machen.
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Konkret geht es um ein Produkt mit dem Markennamen „Gina“. Tatsächlich findet sich in der deutschen Lauer-Taxe nur ein vergleichbares Produkt in der 10-µg-Dosierung: Vagirux wurde erst im August 2021 in die Liste aufgenommen, ist verschreibungspflichtig und zugelassen zur „Behandlung von vaginaler Atrophie, die durch Estrogenmangel bei postmenopausalen Frauen bedingt ist“. Auch „Gina“ ist zur Behandlung der vaginalen Atrophie aufgrund von Estrogenmangel indiziert – allerdings speziell bei postmenopausalen Frauen ab 50 Jahren, die seit mindestens einem Jahr keine Periode mehr hatten.
In der im Jahr 2020 veröffentlichten und noch bis 2024 gültigen deutschen Leitlinie zur Peri- und Postmenopause ist in einer enthaltenen Produktübersicht jedoch gar kein Estradiol-Präparat in der 10-µg-Dosierung aufgeführt. Generell bevorzugt die Leitlinie außerdem vaginale Präparate mit Östriol: „Wenn Östrogene vaginal angewendet werden, sind Östriol-haltige Präparate zu bevorzugen. Bei der vaginal-topischen Anwendung von Östradiol werden mit der Creme pro Gramm 0,1 mg zugeführt, die zu relevanten systemisch wirksamen Östradiol-Spiegeln führen können. Diese hohen Dosierungen sind zu vermeiden“, heißt es. Zudem steht dort im Kapitel zur urogenitalen Atrophie, dass sich in einer Studie kein signifikanter Unterschied zwischen einer
- vaginalen Estradioltablette in der 10-µg-Dosierung plus Placebo-Gel und
- vaginaler Placebotablette plus speziellem Vaginalgleitmittel sowie
- vaginaler Placebotablette plus Placebo-Gel
gezeigt habe. Jede Form der Behandlung soll somit vulvovaginale Beschwerden wie Juckreiz, Schmerzen, Trockenheit, Irritation oder Schmerzen bei der Penetration gelindert haben.
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Grundsätzlich gilt die Empfehlung, Frauen Befeuchtungs-, Gleitmittel alleine oder zusammen mit vaginaler Estrogen-Therapie anzubieten. „Frauen sollen ihrer Vorliebe entsprechend behandelt werden“, heißt es. Doch wenn eine 10-µg-Dosierung gegenüber einer wirkstofffreien Befeuchtung gar keinen Vorteil bringt, braucht es so ein Präparat dann überhaupt (rezeptfrei) in der Apotheke?
Wie die MHRA auf ihrer Homepage erklärt, werde die Diagnose der vaginalen Atrophie derzeit allein anhand der Symptome gestellt und erfordere bei den meisten Frauen keine körperliche Untersuchung. Die häufigsten Symptome seien Trockenheit, Wundsein, Juckreiz, Brennen und Schmerzen bei Geschlechtsverkehr und könnten auch in der Apotheke erhoben werden. Es sei auch in Großbritannien das erste Mal, dass über den OTC-Switch einer Hormonersatz-Therapie diskutiert werde. Den Antrag gestellt, hat die Firma Novo Nordisk. Sie stellt als Abgabehilfe auch eine Checkliste (mit Kontraindikationen) für Apotheker:innen zur Verfügung.
All das genügt der MHRA offenbar für einen OTC-Switch, denn in einer Pressemitteilung hat sie angekündigt, dass „Gina“ ab September in Großbritannien ohne Rezept erhältlich sein soll. Wahrscheinlich muss man die Entscheidung auch vor dem Hintergrund der seit zwei Jahren bestehenden Lieferschwierigkeiten von Hormonersatzpräparaten in Großbritannien – und einer in diesem Zusammenhang öffentlich und emotional geführten Debatte über den erschwerten Zugang – betrachten.
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