Eintrag auf der BfArM-Liste

Warum Paracetamol-Saft nicht versorgungsrelevant ist

Stuttgart - 26.07.2022, 15:15 Uhr

Paracetamol für Kinder ist aktuell nicht zu bekommen, als versorgungsrelevant gelten die Präparate aber nicht. (s / Foto: Schelbert)

Paracetamol für Kinder ist aktuell nicht zu bekommen, als versorgungsrelevant gelten die Präparate aber nicht. (s / Foto: Schelbert)


Das BfArM bietet seit einigen Jahren eine Übersicht zu aktuellen Lieferengpässen auf seiner Webseite. Gemeldet werden die Engpässe von den Herstellern, die sich zur Meldung von Lieferengpässen für versorgungsrelevante Arzneimittel verpflichtet haben. Doch Paracetamol-Saft, der derzeit nicht zu bekommen ist, findet sich nicht auf der Liste, weil er nicht als versorgungsrelevant gilt. Wir haben nachgefragt, warum das so ist und ob der Engpass nicht trotzdem gemeldet werden kann.

Paracetamol in kindgerechter Darreichungsform ist derzeit absolute Mangelware. Zwar gibt es mit Ibuprofen als Saft und Zäpfchen eine mögliche Alternative, aber infolge des Engpasses bei Paracetamol für Kinder ist auch Ibuprofen mittlerweile mehr als knapp. Zudem ist für viele Kinderärzte und Eltern Paracetamol das Mittel der Wahl.

Auf der Engpassliste des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) findet sich Paracetamol-Saft von Ratiopharm, das einzige im Markt verbliebende generische Präparat, allerdings nicht. Warum eigentlich nicht? Schließlich gibt es eine Selbstverpflichtung der Pharmaunternehmen zur Meldung von Lieferengpässen für versorgungsrelevante Arzneimittel. Doch Letzteres ist genau der Knackpunkt. Obwohl Paracetamol auf der Liste der unentbehrlichen Arzneimittel für Kinder der Weltgesundheitsorganisation steht, erfüllt der Saft nicht die Kriterien eines versorgungsrelevanten Arzneimittels im Sinne der Selbstverpflichtung. OTC-Produkte fielen grundsätzlich nicht in diese Kategorie, erläutert Ratiopharm auf Nachfrage der DAZ. Und nur diese würden laut der Internetseite des BfArM in die Liste aufgenommen, heißt es seitens des Herstellers. Dasselbe gilt natürlich auch für die Zäpfchen. 

OTC nicht versorgungsrelevant ...

Ersteres bestätigt das BfArM: Der Beirat zu Liefer- und Versorgungsengpässen habe zur Definition der versorgungsrelevanten Wirkstoffe unter anderem beschlossen, dass OTC-Arzneimittel grundsätzlich nicht als versorgungsrelevant gelten.

I. Definition/Kriterien versorgungsrelevante Wirkstoffe (§ 52b Abs. 3c AMG)

Der Beirat beschließt einstimmig bei Abwesenheit der Vertretung der Interessen der Patientinnen und Patienten, der Deutsche Krankenhausgesellschaft e.V. und der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V., den Empfehlungen der Unterarbeitsgruppe des Beirates zuzustimmen.

Diese sind im Einzelnen:

  1. Die Kriterien für versorgungsrelevante Wirkstoffe und die daraus entwickelte Liste an Wirkstoffen bleiben im Wesentlichen unverändert.
  2. Das Arzneimittel wird in inhaltlich aktuellen Leitlinien der Fachgesellschaften empfohlen bzw. es entspricht dem aktuellen Therapiestandard.
  3. Bei Nicht-Verfügbarkeit verschlechtert sich die Prognose der betroffenen Patientinnen und Patienten.
  4. Die zu behandelnde Krankheit ist lebensbedrohlich oder irreversibel progredient oder bei fehlender Behandlung würde der Patient schwer geschädigt. Dies gilt sowohl für Akutsituationen (Notfall), chronische Situationen oder Situationen mit einem möglichen tödlichen Verlauf, in denen das Arzneimittel den Verlauf positiv beeinflusst.
  5. Das Arzneimittel unterliegt der Verschreibungspflicht.
  6. Der Wirkstoff ist für die Gesamtbevölkerung relevant.
  7. grundsätzlich nicht als versorgungsrelevant gelten:
  • OTC-Arzneimittel
  • Arzneimittel mit einem Orphan-Status
  • neue Stoffe

... aber Melden trotzdem erlaubt 

Allerdings, so das BfArM weiter, könne neben den Kriterien für die Selbstverpflichtung von Unternehmen generell jeder Lieferengpass über das Portal an das BfArM gemeldet werden, also auch bei Paracetamol-Präparaten für Kinder. Dass Firmen durchaus „nicht versorgungsrelevante“ Arzneimittel melden, zeigt das Beispiel Ibuflam Kindersaft, der sich auf der BfArM-Liste findet.


Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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1 Kommentar

Selbstgebastelt

von Ratatosk am 26.07.2022 um 18:34 Uhr

Toll ! man kann die peinliche List Kleinhalten, indem man etwas einfach nicht draufsetzt. Schaut dann schöner aus und man muß keine Erklärung abgeben, wie so etwas in D passieren kann, mit all seinen tausenden Beamten im Bfarm. Verantwortlich ist aber in Behörden schon lange keiner mehr.
kleiner Tipp, mal in der Schweiz 10Packungen Ibn oder Paracetmol bestellen, dort geht das problemlos.

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