Umsetzung und Herausforderungen

Wie verlief der Start der honorierten pharmazeutischen Dienstleistungen?

Stuttgart - 13.07.2022, 07:00 Uhr

Seit etwas mehr als einem Monat können Apotheken vergütete pharmazeutische Dienstleistungen erbringen. Die DAZ hat sich bei Kollegen umgehört. (s / Foto: Schelbert)

Seit etwas mehr als einem Monat können Apotheken vergütete pharmazeutische Dienstleistungen erbringen. Die DAZ hat sich bei Kollegen umgehört. (s / Foto: Schelbert)


Seit etwas mehr als einem Monat ist bekannt, für welche pharmazeutischen Dienstleistungen die Apotheken honoriert werden. Mit erweiterten Medikationsberatungen, ­Inhalativa-Schulungen sowie Blutdruckmessungen könnten die Betriebe praktisch direkt loslegen. Daran ändert auch die gestern bekannt gewordene Klage des GKV-Spitzenverbandes erstmal nichts. Was wurde bereits umgesetzt? Mit welchen Herausforderungen beschäftigen sich die Kolleginnen und Kollegen aktuell?

Für die Apotheken im Land ist das dritte Corona-Jahr alles andere als entspannt. Nach wie vor engagieren sich die Betriebe beim Testen und Impfen. Außerdem greifen die Omikron-Sub­typen um sich und führen zu höheren Infektions- sowie Erkrankungszahlen. Die Apotheken haben also viel zu tun und müssen selbst mit knappen Per­sonalressourcen jonglieren. Tatjana Buck aus dem baden-württembergischen Bad Saulgau betreibt zusammen mit ihrem Mann die Vital-Apotheke. Als sie im vergangenen Monat von den pharmazeutischen Dienstleistungen erfuhr, äußerte sie sich folgendermaßen gegenüber der DAZ: „Endlich! Sie sind da: Für alle Apotheken leistbare, honorierte, pharmazeutische Dienstleistungen!“ 

Tatjana Buck, Vital-Apotheke, Bad Saulgau

„Es fehlt an Aufklärung und Werbung in der Öffentlichkeit.“

 

 

Die Freude über die Einführung ist ungebrochen, doch für die Umsetzung der Tätigkeiten im Arbeitsalltag ergeben sich derzeit so einige Herausforderungen. „Wir strugglen gerade ein wenig“, erklärt Buck. Im ihrem Team existierten „absolut verdiente Urlauber“, daneben verzeichnet sie Krankheitsausfälle, außerdem führe die neue Testverordnung zu einer großen Umstellung der einzelnen Abläufe. „Aber: Ich habe zumindest eine Medikationsanalyse im Juni als pharmazeutische Dienstleistung durchgeführt und abgerechnet“, berichtet sie stolz. 

Customer Journey bei pharmazeutischen Dienstleistungen

Welche Rahmenbedingungen gilt es noch zu verbessern? Buck meint, dass sie die zentrale Antwort auf diese Frage kennt: „Es fehlt an Aufklärung und Werbung in der Öffentlichkeit.“ Die Kunden seien „völlig naiv“ im Hinblick auf die pharmazeutischen Dienstleistungen. Es fehlten schlichtweg unabhängige Informationen in Rundfunk und TV sowie entsprechende Artikel in Kunden- und Tageszeitschriften. Außerdem hält sie die Krankenkassen und ärztlichen Kollegen für sehr wichtig im zentralen und seriösen Werben für die honorierten pharmazeutischen Dienstleistungen. Sollten sich Menschen für eine der angebotenen Tätig­keiten in der Apotheke entscheiden, weist die Apothekerin noch auf einen weiteren Knackpunkt hin: „Gefühlt würde ich sagen, dass eine Un­sicherheit bezüglich der zu leistenden Unterschrift zwischen Apotheke und Patient besteht.“

Um diese offenen Fragen zumindest in der eigenen Apotheke, also mit dem ­eigenen Team und dem eigenen Kundenkreis zu klären, arbeiten die Bucks gerade an der Schaffung eigener „PharmDL-Prozesse“ und bilden die mögliche Customer Journey ab.

Dr. Hermann Vogel, Winthir Apotheke, München

„Es hat alles sehr gut geklappt und der Patient war sehr, sehr zufrieden!“

Der Schritt in das Zeitalter der pharmazeutischen Dienstleistungen vor knapp vier Wochen war auch für Dr. Hermann Vogel, Inhaber der Winthir Apotheke in München, längst überfällig gewesen. „Ich finde die jetzt beginnende Regelung sehr gut, weil sie zum einen unsere pharmazeutische Tätigkeit erstmals vergütet, zum anderen unser niederschwelliges, (für den Patienten) kostenfreies und jederzeit für jeden verfügbares Beratungsangebot weiter aufrecht erhält“, erklärte Vogel damals. 

Sein Favorit unter den fünf ­bekanntgewordenen, ersten Dienst­leistungen ist die standardisierte Einweisung in die korrekte Arzneimittelanwendung und Üben der Inhalationstechnik. Und diese verknüpft er mit dem positiven Ereignis, das er und sein Apothekenteam bisher hatten: „Unser Teammitglied Herr Schneider hat einen Kunden bezüglich Inhalator geschult. Es hat alles sehr gut geklappt und der Patient war sehr, sehr zufrieden!“ Laut Vogel hat die Abrechnung auch funktioniert. Die entsprechenden Anweisungen waren leicht zu finden. Insgesamt resümiert der Münchener Apothekeninhaber: „Ein guter Start, aber noch viel zu früh, um eine Pro­gnose abzugeben, ob dieses neue Tätigkeitsfeld für die Apotheke und die Patienten erfolgreich sein wird.“ 

Softwareanbieter sind bereit

Seit dem 1. Juli ist mit ADG nun auch das letzte der großen Softwarehäuser offiziell bereit fürs E-Rezept. Der zur Mannheimer Phoenix-Gruppe gehörende Anbieter hatte sich vorgenommen, die Software so auszurollen, dass bis zum 1. Juli alle Kunden auf dem Stand sind, dass sie E-Rezepte ver­arbeiten können. Weniger konkret äußerte sich ADG auf DAZ-Anfrage zur Umsetzung der pharmazeutischen Dienstleistungen in der Software: Da die genauen Abrechnungsformalitäten seitens der ABDATA nun vorliegen, könne die Anpassung in der Warenwirtschaft erfolgen. Die erforderlichen Funktionen würden in Kürze in den ADG-Systemen bereitstehen. Wie gewohnt lege die ADG auch bei dieser Umsetzung viel Wert auf eine einfache, intuitive Handhabung, damit die Vergütung der Leistung nicht durch einen unnötigen Arbeitsaufwand geschmälert werde, erklärt ein Sprecher.

Sylvia Trautmann, Inhaberin der Apotheke Buehlau in Dresden, nutzt die ADG-Software und wartet noch: „Wir haben jetzt im Juni noch keine Dienstleistungen angeboten bzw. abgerechnet, weil unser Warenwirtschaftssystem ADG das noch nicht ins Kassenprogramm implementiert hat“, erklärt sie gegenüber der DAZ, und ergänzt dazu: „Ab Juli geht es los!“

Sylvia Trautmann, Apotheke Buehlau, Dresden

„Gut Ding will Weile haben und muss gut vorbereitet sein.“

Auf der Homepage ihrer Landesapothekerkammer hat Trautmann noch keine entsprechenden Weiterbildungsangebote für die anspruchsvolleren Dienstleistungen finden können. Sie hofft, dass diese Weiterbildungen in ausreichendem Maße „staufrei“ für alle Interessierten angeboten werden können. „Aber gut Ding will Weile haben und muss gut vorbereitet sein.“

Gestaffeltes Angebot

„Nach nur wenig Vorbereitung werden wir unseren Gästen sehr kurzfristig alle fünf anbieten können.“ Das versicherte Dr. Christian Fehske, Inhaber der Rathaus-Apotheke im westfälischen Hagen, nur wenige Tage nach Bekanntwerden der honorierten, pharmazeutischen Dienstleistungen. Wie sieht nun die praktische Umsetzung in der Hagener Rathaus-Apotheke aus?

„Wir haben uns für ein gestaffeltes Angebot pharmazeutischer Dienstleistungen entschieden und wollen zunächst mit den Medikationsanalysen beginnen“, erklärt Fehske auf DAZ-Anfrage. Erstgespräche sowie Terminvereinbarungen habe es schon gegeben – allerdings bisher noch keinen „kompletten Vollzug“ und damit auch noch nichts, was Fehske und sein Team nun am Ende des zweiten Quartals abrechnen könnten.

Dr. Christian Fehske, Rathaus-Apotheke, Hagen

„Wenn wirklich ein politischer Wille vorhanden ist, dass Apotheken pharmazeutische Dienstleistungen erbringen sollen, dann muss man ihnen dafür auch die notwendige Luft zum Atmen geben.“

„Apotheken wird aktuell viel abverlangt“

„Das hat allerdings auch damit zu tun, dass wir weiterhin ein paar der ‚anderen‘ Dienstleistungen anbieten“, macht er deutlich. Dazu zählt er die COVID-19-Impfungen („Werden stärker nachgefragt.“) oder die Bürgertests („Aufwand an die Anpassung der neuen Testverordnung aktuell extrem.“). Fehske zieht ein vorläufiges Fazit: „Apotheken, die verschiedene Facetten von Dienstleistungen anbieten, wird aktuell viel abverlangt.“ Ein aussagekräftigeres Fazit zu den „echten“ Dienstleistungen wird er wohl erst zum Ende des kommenden Quartals ziehen. 

Fachkräftemangel in anderen Sektoren kompensieren

Als die größte Herausforderung und als das wichtigste Hindernis hält er das Aufbringen der notwendigen Zeit. Diese würde gleich an zahlreichen Stellen fehlen: „In erster Linie aus meiner Sicht in all den Bereichen, in denen wir Arbeits- und Lebenszeit hochqualifizierter Fachkräfte mit unsinniger Bürokratie verschwenden.“ Dazu zählt er „natürlich“ die Präqualifizierung, ein immer weiter ausufernder Umfang an zu dokumentierenden Pflichtschulungen und neuerdings die Anspruchsprüfungen bei Corona-Tests nach der neuen Testverordnung. „Außerdem kompensieren meine Mitarbeiter zunehmend den Fachkräftemangel in anderen Bereichen des Gesundheitswesens, der Pflege, in Arztpraxen etc., indem wir Fehler ausbügeln und Unterstützungen in Bereichen leisten, die eigentlich nicht unsere Aufgabe sein sollten.“ Hinzu komme der von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach angedrohte und inzwischen in Form eines Gesetzentwurfs formulierte Griff nach den noch vorhandenen, angeblichen Wirtschaftlichkeitsreserven der Apotheken. „Die 90 Euro für eine Medikationsanalyse klingen erst mal viel, und haben auch bei uns einige Hausärzte regelrecht provoziert – bis ich erläutert habe, wie hoch der zeitliche und personelle Aufwand durch Approbierte für eine ordnungsgemäße Erbringung sein wird“, sagt Fehske. Ob sich damit tatsächlich positive Deckungsbeiträge erzielen lassen, wird die Zeit erst zeigen müssen. „Auf den Punkt gebracht: Man kann nicht immer mehr von Apotheken erwarten, ihnen aber immer weniger dafür geben. Wenn wirklich ein politischer Wille vorhanden ist, dass Apotheken pharmazeutische Dienstleistungen erbringen sollen, dann muss man ihnen dafür auch die notwendige Luft zum Atmen geben.“

Das sei nicht das Feedback, das Fehske vier Wochen nach Bekanntwerden der pharmazeutischen Dienstleistungen gerne bekannt gegeben hätte. Am liebsten hätte er berichtet: „Die ersten zehn Medikationsanalysen haben wir schon erbracht, unsere Gäste finden es toll – den Approbierten macht die neue Herausforderung Spaß und wir fühlen uns mehr als Heilberufler denn je zuvor.“ Doch ganz so einfach sei es derzeit leider nicht.


Dr. Armin Edalat, Apotheker, Chefredakteur DAZ
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Bei uns liefs beschi...!

von Torben Schreiner am 13.07.2022 um 10:00 Uhr

Der "Start" läuft bei uns in der Apo beschissen, weil die Hausärzte , zu denen wir hier immer einen guten kollegialen und auch häufigen Austausch pflegen, schon bei Vorgesprächen klar kommunizierten, dass sie die pDL als absolute Frechheit empfinden, nichts davon unterstützen werden, es Ihnen die Arbeit ungemein erschweren wird und generell pDL und die viel zu hohe Vergütungen fischen in ärztlichen Tätigkeiten sei. Im Gegenzug werde man vehement das Dispensensierrecht einfordern.

Wenn die pDL´s nicht Hand in Hand mit den jeweiligen Hausärzten von statten gehen, sind diese einfach zum Scheitern verurteilt!
Die Verhältnisse zwischen Arzt- Apotheke, Arzt- Patient und Apotheke- Patient erleiden jetzt schon sichtbare Brüche und unter diesen Konstellationen sind Compiance-Problematiken vorprogrammiert!

Meine Bitte an die Entscheidungsträger:
Lasst den Kassenabschlag unten und verzichtet lieber auf die pDL. Das würde uns aktuell weniger treffen und unser Verhätnis zur Ärzteschaft kitten.

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