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Nach Apotheken-Bashing
„Dienstleistungen positiv sehen“ – Arzt schreibt an KV-Chefs
Die ärztlichen Standesvertretungen poltern gegen die neuen pharmazeutischen Dienstleistungen. Dass sie damit nicht für die geeinte Ärzteschaft sprechen, zeigt nun ein Brief eines Hamburger Arztes an die KV Hessen: Er pflege ein sehr gutes Verhältnis mit „seinen“ Apotheken und setze auf konstruktive Zusammenarbeit. Die KV hält er an, sich auf andere Dinge zu konzentrieren, etwa das Arzthonorar und den Einfluss kapitalgesteuerter Konzerne im Gesundheitswesen.
Die neuen pharmazeutischen Dienstleistungen und deren Vergütung erhitzen die Gemüter: Die Kassenärztlichen Vereinigungen in Hessen und Baden-Württemberg, der Hausärzteverband Hessen und andere ärztliche Interessenvertretungen lassen kein gutes Haar an den neuen Aufgaben für die Apotheken – vereinzelt argumentieren sie dabei mit falschen Informationen, wie die DAZ in einem Faktencheck zeigt.
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Zumindest aber scheuen sie sich nicht, den Apotheker:innen ihre Kompetenz in Bezug auf die Arzneimitteltherapiesicherheit abzusprechen. Der Allgemeinmediziner Reinhard Köller aus Hamburg will das nicht so stehen lassen: In einem ausführlichen Brief an die Spitze der KV Hessen – namentlich deren Vorstandschefs Frank Dastych und Eckhard Starke – sowie die DAZ-Redaktion legt er dar, weshalb die Kampagne der ärztlichen Standesvertreter aus seiner Sicht unangebracht ist.
Was die Apotheke alles leistet
„Ich pflege seit 2005 eine außerordentlich gute Zusammenarbeit mit Hamburger Apothekern, insbesondere mit einer Hamburger Apotheke in der Nähe meiner Praxis“, schreibt er. Es sei sehr hilfreich, als Arzt die Unterstützung von Pharmazeuten bezüglich Interaktionen von Pharmaka, Metabolisierungswegen, Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz, Bioverfügbarkeiten und Kompatibilitäten bei Infusionen in Anspruch nehmen zu können. „Aber auch ganz viele praktische Fragen von Sondengängigkeit oder Teilbarkeiten von Medikamenten usw. wären ohne den heißen Draht zum Apotheker aufwändiger oder gar nicht zu beantworten. Wie wertvoll sind auch die Rezepturen, die der Apotheker individuell zu einem Pharmakon ‚zusammenbaut‘ und uns von der Idee hin zu einem einsatzfähigen individuellen Präparat hilft.“
Bei komplexen Gesundheitsthemen setzt Köller auf das Vier-Augen-Prinzip. „Auch der Arzt kann mal etwas übersehen und der Apotheker bewahrt als zweite ‚Prüfinstanz‘ beispielsweise die Schwangere vor der Einnahme eines embryotoxischen Präparates. Oder er erinnert den Patienten daran, bei bestimmten Medikamenten bei seinem Arzt regelmäßig ein EKG oder Blutwerte prüfen zu lassen, um gefährliche Nebenwirkungen frühzeitig zu erkennen. Bei dem einen und anderen Patienten erhöht dies die Compliance.“
Köller: Gute Zusammenarbeit mit Apotheken ist elementar
Natürlich könne nur der klinisch ausgebildete Arzt mit seinem medizinischen Hintergrundwissen entscheiden, welche auch pharmakologische Therapie Symptome kontrolliert, Heilungsverläufe fördert oder hilft, Risiken zu minimieren, stellt der Allgemeinmediziner klar. Doch die pharmakologischen Kenntnisse „können auch bei engagierten Kollegen nur begrenzt sein. Hand aufs Herz: Wer nimmt sich die Zeit, sich von jedem rezeptierten Präparat als Arzt die Fachinformation gründlich ‚zu Gemüte zu führen‘ und digital stets verfügbar zu haben?“ Eine gute Zusammenarbeit mit dem Apotheker ist seiner Meinung nach elementar. „Zumal die Apotheke eine niederschwellige Anlaufstelle für kranke Menschen ist, sollte der Apotheker den behandelnden Arzt gut erreichen können und beiderseits sollte eine vertrauensvolle Zusammenarbeit gefördert werden.“
Zu den Äußerungen der ärztlichen Standesvertreter hat Köller eine klare Haltung. „Die aktuelle Apothekerschelte der KV Hessen und des Hausärzteverbandes ist meiner Wahrnehmung nach wirklich peinlich und die Aussaat von generellem Misstrauen ist eines Arztes unwürdig! Man bekommt den Eindruck, als bereichere sich ein Apotheker bei jeder Medikationsänderung durch PC gestützte Beratung und Ausdruck eines Infoblattes mit 90 Euro Honorar. Auf ein Jahr umgerechnet ist diese Beratung eines Patienten, der häufig seine Apotheke aufsucht und stets seine Hilfe und Unterstützung bei der Medikamenteneinnahme bekommt, wirklich keinen Gedanken eines Übermaßes wert.“
Perspektivwechsel nötig
Den KV-Vorständen empfiehlt er einen Perspektivwechsel. „Vielmehr sollte die Ärzteschaft diese Dienstleistung positiv sehen und an dem Beratungsergebnis interessiert sein“, meint Köller. Dieses könne ein Anlass sein, nachzufragen und eine konstruktive Zusammenarbeit mit dem Apotheker vor Ort zu suchen. „Ein engagierter Apotheker wird sich darüber freuen.“ Reine Discounter-Apotheken, wie der Arzt sie nennt, führten jedoch den Sinn einer beratenden Vor-Ort-Apotheke ad absurdum. „Von diesen sollten sich jene klar abgrenzen.“
Köller selbst hat offenbar gute Erfahrungen mit Apotheker:innen gesammelt. Sein Appell: „Wir brauchen um der Sache Willen und des Patienten Willen eine gute, engagierte und vertrauensvolle Zusammenarbeit unter uns Ärzten und mit anderen ‚Playern‘ im System. Ich profitiere sehr davon und meine Patienten schätzen es!“
Danke für allen Einsatz, den die Apotheker vor Ort leisten."
Von dieser guten Zusammenarbeit mit den Apotheker:innen sollten sich engagierte Ärztinnen und Ärzte nicht abbringen lassen, betont Köller. Und die Standesvertretungen hält er an, sich auf ihre Kernaufgaben zu konzentrieren. „Vielmehr sollte die Ärzteschaft dafür eintreten, dass die Softskills des Arztes, die qualitativ hochwertige Beratungsarbeit des Arztes am und mit dem Patienten, die interdisziplinäre Zusammenarbeit wieder adäquat honoriert werden. Und die Politik in die Pflicht nehmen, die renditeträchtige Abschöpfung von Kapital durch Investoren in einem solidarisch finanzierten Gesundheitswesen zu stoppen.“
5 Kommentare
Respekt!
von Thomas Eper am 09.07.2022 um 11:44 Uhr
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Zur Sache
von Reinhard Rodiger am 08.07.2022 um 23:02 Uhr
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Danke, Herr Köller
von Dorothee Kratz am 08.07.2022 um 20:05 Uhr
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Das ist des Pudels Kern
von Stefan Haydn am 08.07.2022 um 19:06 Uhr
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Danke
von c.lutsch am 08.07.2022 um 19:05 Uhr
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