Retaxfall

Festbetrag bei Sprechstundenbedarf: Arzt trägt die Mehrkosten

Köln - 18.05.2022, 13:45 Uhr

Im Sprechstundenbedarf können manche Präparate verschrieben werden, die sonst nicht erstattungsfähig sind, zum Beispiel Iodsalbe. (s / Foto: PHILETDOM/AdobeStock)

Im Sprechstundenbedarf können manche Präparate verschrieben werden, die sonst nicht erstattungsfähig sind, zum Beispiel Iodsalbe. (s / Foto: PHILETDOM/AdobeStock)


Im Sprechstundenbedarf gelten andere Regeln als sonst. Das führt immer wieder zu Retaxierungen. Manche Vorgaben gelten aber auch ganz analog zu den „normalen“ Verordnungen für Patient:innen. Zum Beispiel die, dass auf wirtschaftliche Abgabe zu achten ist und dass eine Kasse für ein Arzneimittel im Regelfall nur den Festbetrag erstattet.

Der Sprechstundenbedarf ist eine Sache für sich. Er umfasst Artikel (z. B. Arzneimittel, Verbandsmittel und Hilfsmittel), die in der ambulanten Behandlung in der Praxis oder bei Notfällen beziehungsweise zur Sofortbehandlung benötigt werden und deren Kosten nicht zu den allgemeinen Praxiskosten gehören. Was aber genau im Rahmen des Sprechstundenbedarfs verordnungsfähig ist und somit zulasten der Kasse abgegeben und berechnet werden darf, wirft häufig Fragen auf. Nicht selten endet eine Sprechstundenbedarfsverordnung in einer Retaxierung.

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Vereinbarungen über die ärztliche Verordnung von Sprechstundenbedarf werden zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) der jeweiligen Bundesländer und den Krankenkassen getroffen. Diese werden im Gegensatz zu anderen Arzneimittellieferverträgen auf den Internetseiten der KVen veröffentlicht. In Anlagen zu diesen Vereinbarungen findet man Sachverzeichnisse, in denen die Artikel oder Artikelgruppen gelistet sind, die im Rahmen des Sprechstundenbedarfs verordnet werden können. 

Doch auch mithilfe dieser Unterlagen ist es manchmal schwierig, eine Retaxierung einer Sprechstundenbedarfsverordnung zu verstehen. So wie im folgenden Fall, der beim DeutschenApothekenPortal gelandet ist: Eine Apotheke hat eine Retaxierung der AOK Rheinland-Pfalz einer SSB-Verordnung über „4 OP Betaisodona Salbe 25 g N1 PZN 03930478“ erhalten, die sie nicht nachvollziehen kann. Der Arzt habe sogar das früher häufiger verwendete Ausrufezeichen gesetzt, um kenntlich zu machen, dass er vier Salbentuben, für jedes Behandlungszimmer eine, benötige, heißt es. Abgerechnet wurde viermal die verordnete PZN zum Gesamt-VK von 30,24 Euro. 

Als Retaxierungsgrund nannte die Kasse einen falschen Preis und kürzte die Bezahlung um 12,25 Euro.

Problem unwirtschaftliche Abgabe?

Ein Blick in die Anlage zur Vereinbarung über die ärztliche Verordnung von Sprechstundenbedarf zwischen der KV Rheinland-Pfalz und den Krankenkassen bestätigte, dass Antiseptika im Zusammenhang mit operativen Eingriffen, zur Wundversorgung oder für Notfälle zur direkten Anwendung für den Sprechstundenbedarf in Rheinland-Pfalz verordnet werden dürfen. Dort wird jedoch schon auf die große Preisspanne der Produkte hingewiesen.

Die Vermutung liegt also nahe, dass die Kasse nur eine wirtschaftlichere Abgabe erstattet. Dazu auch ein Ausschnitt aus der oben genannten Verordnung:


 3. Für Sprechstundenbedarf gilt das Wirtschaftlichkeitsgebot. Der Sprechstundenbedarf soll nur in solchen Mengen verordnet werden, die für die einzelne Praxis am wirtschaftlichsten sind und in angemessenem Verhältnis zu der Zahl der Behandlungsfälle sowie dem abgerechneten Leistungsspektrum bei den in Abschnitt II genannten Anspruchsberechtigten stehen. Sind von einem Mittel größere Mengen zu ersetzen, sind preisgünstige Groß-, Klinik- oder Bündelpackungen zu verordnen. Ferner ist der Arzt angehalten, bei der Verordnung von Sprechstundenbedarf einen günstigen Bezugsweg zu wählen und – soweit verfügbar – Generika zu verordnen.“

Vereinbarung über die ärztliche Verordnung von Sprechstundenbedarf


Es wird also deutlich, dass möglichst günstige Großpackungen und preisgünstige generische Mittel verschrieben werden sollten.

Vorsicht Festbetrag!

Ein genauer Blick in die Lauer-Taxe und die Preisgestaltung der abgegebenen Salbe verrät, warum die Kasse den Abgabepreis gekürzt hat. Es wurde nicht auf den Preis eines günstigen Generikums oder einer Großpackung retaxiert, sondern auf den maximalen Betrag, den die Krankenkassen für dieses Arzneimittel bezahlen – den Festbetrag –, gekürzt.

Für Betaisodona-Salbe besteht ein Festbetrag von 4,34 Euro. Die Kasse erstattet also nur viermal diesen Festbetrag (4 x 4,34 € = 17,36 Euro).

Der von der Kasse retaxierte Betrag in Höhe von 12,25 Euro ergibt sich aus der Differenz zwischen Festbetrag und abgerechnetem VK-Preis unter Einbeziehung der Apothekenrabatte:

30,24 Euro – 17,36 Euro – (1,51 Euro – 0,88 Euro) = 12,25 Euro

Somit erstattet die Kasse vier kleine Packungen der verordneten Betaisodona-Salbe zum Festbetrag.

Auch bei SSB-Verordnungen: Festbeträge beachten!

Auch bei Verordnungen von SSB sind Festbetragsregelungen zu beachten. Falls der Arzt dennoch ein Arzneimittel verordnet, dessen Apothekenverkaufspreis über dem Festbetrag liegt, bezahlt die Krankenkasse ausschließlich die Kosten für den Festbetrag.  


(2) Ist für eine Leistung ein Festbetrag festgesetzt, erfüllt die Krankenkasse ihre Leistungspflicht mit dem Festbetrag.“

§ 12 Abs. 2 SGB V


Die entstehenden Mehrkosten muss der Arzt in einem solchen Fall selbst übernehmen. Es sollte also nicht versäumt werden, dem Arzt auch bei einer SSB-Verordnung eine zusätzliche Rechnung über möglicherweise anfallende Festbetragszuzahlungen zu stellen.



Heike Warmers, Apothekerin, DeutschesApothekenPortal
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Klinikpackung kein Sprechstundenbedarf

von Sonja Kirchner am 22.05.2022 um 13:46 Uhr

"...zu ersetzen, sind Groß-, Klinik- oder Bündelpackungen zu verordnen..."

Klinikpackungen sind nicht über den Sprechstundenbedarf bestellbar.
Zumindest ist das in Bayern die Regelung.

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Kulanz

von Michael Reinhold am 19.05.2022 um 7:06 Uhr

Diese Sache, dass es den Ärzten gar nicht bewusst ist, dass Arzneimittel über dem Festbetrag im Sprechstundenbedarf nicht erstattet werden, könnte ursächlich sogar bei uns Apothekern zu suchen sein:
In vielen Apotheken ist es ja üblich, dass die Apotheke die Kosten über dem Festbetrag übernimmt - einfach, um den Arzt nicht zu verprellen oder zu verärgern.

Diese Kulanz kann uns bei teueren Arzneimitteln durchaus in der Zukunft auf die Füße fallen.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

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