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BAK-Symposium
Medikationsanalyse soll pharmazeutische Dienstleistung werden
Die Medikationsanalyse wird offenbar eine der pharmazeutischen Dienstleistungen sein, die Apotheken künftig erbringen sollen. Das wurde heute bei einem Symposium der BAK deutlich. Ob auch das Medikationsmanagement, das im Fokus des ABDA-Prestigeprojekts ARMIN steht, dabei sein wird, ist mehr als fraglich – dabei pochte insbesondere der Patientenbeauftrage der Bundesregierung, Stefan Schwartze, darauf, dass gerade der Austausch zwischen Arzt und Apotheker nötig sei, um echten Nutzen aus den Erkenntnissen der Medikationsanalyse zu ziehen.
Eigentlich sollten die pharmazeutischen Dienstleistungen zu Beginn dieses Jahres an den Start gehen. Diese Frist, die der Gesetzgeber im Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz (VOASG) vorgegeben hatte, war jedoch nicht zu halten: Zu unterschiedlich waren die Vorstellungen von Kassen und Apothekern, welche Dienstleistungen die Betriebe genau erbringen sollen und wie das Honorar dafür aussehen soll. Im Mai treffen sich GKV-Spitzenverband und Deutscher Apothekerverband nun schon zum dritten Mal vor der Schiedsstelle, die diese Fragen zu klären hat – offenbar stehen die Chancen gut, dann endlich eine Einigung zu erzielen.
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Auf eine Leistung scheint man sich allerdings schon festgelegt zu haben: Wie ABDA-Pressesprecher Reiner Kern am heutigen Mittwoch bei einem Symposium der Bundesapothekerkammer sagte, sei es „weitgehend Konsens“, dass es unter anderem auf die Medikationsanalyse hinauslaufen werde, die in einen konsolidierten Medikationsplan münden soll. Damit wolle man das „Problemfeld Polymedikation“ angehen.
Zunächst präsentierte Nina Griese-Mammen, Abteilungsleiterin Wissenschaftliche Evaluation im ABDA-Geschäftsbereich Arzneimittel, einen Überblick über die Ist-Situation. Ihren Ausführungen nach wenden aktuell etwa 7,6 Millionen Bundesbürger:innen ab einem Alter von 65 Jahren täglich fünf oder mehr verordnete Arzneistoffe an – sie sind die Zielgruppe für das neue Angebot. Denn das Risiko für Wechselwirkungen steige naturgemäß mit der Zahl der anzuwendenden Medikamente, wobei der regelmäßige Gebrauch von fünf Wirkstoffen eine kritische Schwelle darstelle.
Viele Krankenhauseinweisungen wegen Polymedikation
Die Folgen der Polymedikation können gravierend sein: Laut Griese-Mammen sind etwa 5 Prozent der Krankenhauseinweisungen auf Arzneimittelinteraktionen und -nebenwirkungen zurückzuführen. Bei älteren Menschen sind es demnach sogar 10 bis 30 Prozent, wobei zwei Drittel davon vermeidbar wären. Hier will man Abhilfe schaffen: Die Medikationsanalyse zielt darauf ab, Arzneimittelrisiken zu verringern, die Effektivität der medikamentösen Therapie zu erhöhen und somit die Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) zu verbessern.
Vorgesehen ist zunächst eine sogenannte Brown-Bag-Analyse, bei der die Patientin oder der Patient alle Medikamente, die er einnimmt, in einer Tüte mitbringt – egal ob verschreibungspflichtig oder rezeptfrei erhältlich (vgl. BAK-Leitlinie Medikationsanalyse). Es folgt eine pharmazeutische AMTS-Prüfung sowie ein Abgleich mit dem Medikationsplan. Finden die Apotheker:innen ein Problem, suchen sie nach Lösungen, gegebenenfalls auch in Rücksprache mit der behandelnden Ärztin oder dem behandelnden Arzt.
Medikationspläne sind meist veraltet oder unvollständig
Letztlich bekommt die Patientin oder der Patient einen aktuellen und vollständigen Medikationsplan ausgehändigt. Auf einen solchen haben Versicherte bereits seit dem Jahr 2016 Anspruch – bisher spielt dieses Instrument im Versorgungsalltag jedoch kaum eine Rolle. Nur wenige Anspruchsberechtigte besitzen einen solchen Plan – und wer einen hat, für den ist er wohl kaum eine Hilfe. In einer bisher unveröffentlichten Studie zum Bundeseinheitlichen Medikationsplan, an der neben der ABDA auch der Sächsische Apothekerverband sowie die Abteilung für Klinische Pharmazie der Universität Leipzig beteiligt waren, zeigten sich deutliche Diskrepanzen zwischen den Angaben im Plan und der tatsächlichen Einnahme der Arzneimittel durch die Patientinnen und Patienten (n=288). Den Ergebnissen zufolge war kein einziger Plan aktuell und vollständig. In 30 Prozent der Fälle fanden sich falsche Dosierangaben, in 10 Prozent der Fälle fehlten diese ganz. In 42 Prozent der Pläne fehlten Arzneimittel, in 24 Prozent waren Medikamente aufgeführt, die bereits abgesetzt worden waren.
Hier wollen DAV und GKV also ansetzen und die Situation für die Patientinnen und Patienten verbessern. Höchste Zeit, meint der Präsident des Sozialverbands Deutschland, Adolf Bauer. Er sieht mit Blick auf die vorgelegten Zahlen „erhebliche Versäumnisse“ vonseiten der Ärzteschaft. Es sei ihre Pflicht, bei Medikamentenverordnungen deren Verträglichkeit zu überprüfen – doch offenbar kämen sie dieser nicht in ausreichendem Maße nach. „Hier muss die Politik handeln“, sagte Bauer.
Bauer: Viele Menschen werden diese Leistung in Anspruch nehmen
Es müsse nun darum gehen, Stürze und Todesfälle zu verhindern, die auf Wechsel- und Nebenwirkungen von Arzneimitteln zurückzuführen sind. Dafür sei die Medikationsanalyse ein gutes Mittel. „Ich gehe davon aus, dass viele Menschen diese Leistung in Anspruch nehmen werden, wenn sie von dieser Möglichkeit wissen.“ Unter dem Strich erwartet Bauer, dass sich dadurch sogar Geld einsparen lasse, wenn tatsächlich Krankenhauseinweisungen verhindert werden könnten.
Dem stimmte auch der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Stefan Schwartze (SPD), zu. „Ich gebe den Euro lieber für Beratung als für Behandlung aus“, sagte er. Sollten die Kassen den Start der pharmazeutischen Dienstleistungen weiter verschleppen, werde die Politik den Druck auf die Kostenträger erhöhen – auch wenn er das lieber vermeiden würde. „Wir haben diese Aufgabe bewusst an diejenigen übertragen, die sich damit auskennen", sagte er. „Es wäre nicht gut, wenn wir das politisch entscheiden müssten.“
„Fehlmedikation beheben, spart Kosten“
Angesprochen auf die Finanzierung der pharmazeutischen Dienstleistungen, die derzeit mit 150 Millionen Euro netto jährlich eher spärlich ausfällt, wollte Schwartze keine Details nennen. Er stellte jedoch vorsichtig infrage, ob die im Koalitionsvertrag angelegten „Effizienzgewinne innerhalb des Finanzierungssystems“, mit denen den Ampel-Plänen zufolge der Honorartopf für die Dienstleistungen aufgestockt werden soll, (nur) aus dem Apothekensektor kommen sollen. „Fehlmedikation beheben, spart Kosten“, betonte er in diesem Zusammenhang.
Schwartze: Arzt und Apotheker müssen sich austauschen
Gleichzeitig legte Schwartze den Finger in eine Wunde, die beim BAK-Symposium offenbar wurde: Das Ergebnis der Medikationsanalyse „darf nicht beim Patienten bleiben, es muss den Arzt erreichen“, forderte er. Es brauche den Austausch zwischen Apotheker:in und Ärztin oder Arzt. Sonst generiere man bei der Beratung in der Apotheke womöglich wichtige Erkenntnisse, die dann aber nicht weitervermittelt werden. Diesen Part dürfe man nicht den Patientinnen und Patienten aufbürden.
Das Konzept der interdisziplinären Betreuung der Versicherten ist Teil des Medikationsmanagements, das zum Beispiel im ABDA-Prestigeprojekt ARMIN (Arzneimittelinitiative in Sachsen und Thüringen) auf die Medikationsanalyse aufsattelt. Die ABDA definiert das Medikationsmanagement in einem Grundsatzpapier, das aus dem Jahr 2014 stammt, aber noch immer aktuell ist, wie folgt:
Ein Medikationsmanagement baut auf einer Medikationsanalyse auf, an die sich eine kontinuierliche Betreuung des Patienten durch ein multidisziplinäres Team anschließt. Mit der kontinuierlichen Betreuung werden vereinbarte Maßnahmen zu detektierten arzneimittelbezogenen Problemen und deren Ergebnis nachverfolgt sowie gegebenenfalls angepasst. Neu auftretende, manifeste und potentielle arzneimittelbezogene Probleme werden erkannt, gelöst oder vermieden. Ziele sind die fortlaufende und nachhaltige Erhöhung der Effektivität der Arzneimitteltherapie sowie die fortlaufende und nachhaltige Minimierung von Arzneimittelrisiken.“
Im ARMIN-Projekt etwa nutzen Apotheker:innen eine spezielle Plattform, über die sie sich zur Medikation mit den Ärztinnen und Ärzten austauschen können. Griese-Mammen bestätigt: „Diese Plattform ist ganz wesentlich, um schnell und unkompliziert aufeinander eingehen zu können.“ Übrigens: Bei ARMIN erhalten die Apotheken für die Startintervention, die grob der Medikationsanalyse entspricht, nach DAZ-Information aktuell 114,70 Euro. Eine Dynamisierung der Vergütung erfolgt jährlich auf Basis der Grundlohnsumme. Auf welches Honorar sich die Schiedsstelle für die Medikationsanalyse festlegen wird, bleibt abzuwarten.
Ob auch das Medikationsmanagement Teil des Dienstleistungspakets sein wird, ist noch unklar – nach dem Tenor des Symposiums zu urteilen, ist das allerdings nicht zu erwarten. Auch Claudia Korf, Geschäftsführerin Ökonomie bei der ABDA, sprach bei der Präsentation des Apotheken-Wirtschaftsberichts vergangene Woche davon, dass man das Medikationsmanagement „in Ergänzung zu den pharmazeutischen Dienstleistungen“ auf den Weg bringen wolle. Demnach will man wohl zunächst mit der Medikationsanalyse als pharmazeutische Dienstleistung starten und zu einem späteren Zeitpunkt das Medikationsmanagement etablieren.
4 Kommentare
Interessant
von Tubulus am 05.05.2022 um 18:16 Uhr
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Realitätsverlust
von Thomas Eper am 05.05.2022 um 10:37 Uhr
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Vergütung?
von Karl Friedrich Müller am 04.05.2022 um 19:02 Uhr
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AW: Vergütung
von Bernd Schneider am 04.05.2022 um 23:34 Uhr
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