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Präqualifizierung extrem (Teil 1)
Game of Thrones für Hartgesottene – die behindertengerechte Toilette
Wie Bürokratie die Versorgung verschlechtert
Über mittlerweile zwei Apotheken, allerdings keine einzige behindertengerechte Toilette, verfügt Matthias Bröker, Apothekenleiter im 11.000-Seelen-Ort Ostbevern. Vor fünf Jahren übernahm er die rund 250 m von seiner Ambrosius-Apotheke entfernt gelegene Marien-Apotheke als Filiale. Der Einbau einer behindertengerechten Kundentoilette in der neuen Filiale sei wirtschaftlich für den Betrieb nicht tragbar.
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Und so dürfen er und sein Team trotz ähnlicher sanitärer Ausstattung beider Apotheken nur in der Hauptapotheke Bandagen und verwandte Hilfsmittel zulasten der GKV abgeben, denn dort genießt Bröker Bestandsschutz. Daher muss die Filial-Kundschaft nun vertröstet und spazieren geschickt werden. Dies am besten aber mit guter Planung: Die nächstgelegene behindertengerechte Toilette befindet sich nämlich im Rathaus, 200 m in die entgegengesetzte Richtung.
Kaum noch Hilfsmittelversorger in Ostbevern
Auch Bröker hält Barrierefreiheit für ein wichtiges Thema. Diese erreiche man jedoch nicht durch Beharren auf standardisierten Regelungen. Er wünsche sich Augenmaß und mehr Unterstützung bei der Umsetzung wirklich sinnvoller Lösungen, die zu tatsächlichen Verbesserungen in der Versorgung führen. In seinem Fall habe sich durch die Vorgaben des GKV-Spitzenverbands die Situation sogar verschlechtert. Durch die Filialisierung fiel die Marien-Apotheke als Versorger weg und das einzige Sanitätshaus in Ostbevern passe mittlerweile auch keine Bandagen mehr an. So bleibe den Menschen nur der Weg in seine Hauptapotheke oder in das Sanitätshaus im nächsten Ort. Die ohnehin schon schwierige Versorgungslage in ländlichen Gebieten werde durch die derzeitige Überregulation also weiterhin erschwert, so Bröker.
Fazit
Drei Beispiele von vielen, die deutliche Schwachstellen des Verfahrens offenbaren. Trotz aller Kritik seitens der Apothekerschaft scheinen der Gesetzgeber sowie der GKV-Spitzenverband an dieser vereinheitlichten Vorgehensweise festhalten zu wollen. Doch wem nützt dies überhaupt? Als wichtige Bezugspersonen im Gesundheitssektor liegen den Apothekerinnen und Apothekern die Belange ihrer Kundschaft – wie zum Beispiel die gesellschaftliche Teilhabe und die Unverletzlichkeit ihrer Menschenwürde – am Herzen. Statt komplexe Herausforderungen mittels allgemeinverbindlicher Regelungen nach Schema F zwangslösen zu wollen, sollte man vielleicht besser über wirkliche Anreize zur sinnvollen und nachhaltigen Mitgestaltung nachdenken.
Literatur:
[1] GKV-Spitzenverband (2021), Kriterienkatalog, in: gkv-spitzenverband.de, 30.08.2021, https://www.gkv-spitzenverband.de/media/dokumente/krankenversicherung_1/hilfsmittel/praequalifizierung/eignungskriterien/ek_ab_01_januar_2022/HiMi_Kriterienkatalog_30.08.2021.pdf, letzter Zugriff am 29. März 2022.
[2] GKV-Spitzenverband (2021), Empfehlungen des GKV-Spitzenverbands gemäß § 126 Absatz 1 Satz 3 SGB V für eine einheitliche Anwendung der Anforderungen zur ausreichenden, zweckmäßigen und funktionsgerechten Herstellung, Abgabe und Anpassung von Hilfsmitteln, in: gkv-spitzenverband.de, 30.08.2021, https://www.gkv-spitzenverband.de/media/dokumente/krankenversicherung_1/hilfsmittel/praequalifizierung/eignungskriterien/ek_ab_01_januar_2022/HiMi_Empfehlungen_nach__126_SGB_V_30.08.2021_bf.pdf, letzter Zugriff am 1. April 2022.
1 Kommentar
Bis zum bitteren Ende
von ratatosk am 05.04.2022 um 8:56 Uhr
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