Apothekenrechttag

Pläne zu Kassenabschlag und Mehrwertsteuer: Kein Dementi aus dem BMG

Stuttgart - 18.03.2022, 13:15 Uhr

Thiemo Steinrücken, Apotheker und Referatsleiter im Bundesgesundheitsministerium für den Bereich Apothekenwesen, wurde für seinen Vortrag aus Berlin zugeschaltet. (Foto: DAV/Hahn) 

Thiemo Steinrücken, Apotheker und Referatsleiter im Bundesgesundheitsministerium für den Bereich Apothekenwesen, wurde für seinen Vortrag aus Berlin zugeschaltet. (Foto: DAV/Hahn) 


Die INTERPHARM online geht in Runde zwei – mit dem ApothekenRechtTag. Naturgemäß geht es vor allem um aktuelle juristische Fragestellungen. Den Auftakt machte aber Thiemo Steinrücken, Apotheker und Referatsleiter im Bundesgesundheitsministerium für den Bereich Apothekenwesen, mit einem Überblick über die Pläne der Ampel für die Apotheken. Dass sich an dem durchgesickerten Entwurf des Gesetzes zur Stabilisierung der Kassenfinanzen, der eine Erhöhung des Kassenabschlags bei gleichzeitiger Absenkung der Mehrwertsteuer vorsieht, noch etwas zugunsten der Apothekerschaft ändern könnte, wollte er nicht zusagen.

Der Anfang diese Woche bekannt gewordene, wenn auch nicht abgestimmte Referentenentwurf aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) zur Finanzierung der Kassenfinanzen war für die Apothekerschaft ein Schlag ins Gesicht – so formulierte es auch  ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening im Live-Talk am vergangenen Mittwoch. Und so war es wenig verwunderlich, dass der Vortrag von Thiemo Steinrücken, Apotheker und Referatsleiter für den Bereich Apothekenwesen im BMG, der am heutigen Freitag den ApothekenRechtTag eröffnete, zu den Apothekenplänen der Ampel mit besonderer Spannung erwartet wurde.

Steinrücken lobte zunächst umfassend die Leistungen der Apotheken in der Pandemie. Es sei in Berlin angekommen, dass sie einen großen Beitrag geleistet haben. Steinrücken nannte neben Maskenverteilung und Impfstofflogistik auch die Herstellung der Desinfektionsmittel in der ersten Pandemiephase. „Es ist wertvoll, Apotheken zu haben, die solche Dinge herstellen können.“ Die Übernahme der vielen zusätzlichen Aufgaben, „ohne zu diskutieren“, habe der Apothekerschaft viel Respekt und Glaubwürdigkeit eingebracht. Das könne den Apothekern bei den anstehenden Veränderungen nutzen, sie hätten da eine gute Position. „Weil es funktioniert, wenn man den Apothekern Aufgaben kurzfristig überträgt, das ist nicht selbstverständlich“, so Steinrücken.

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In seinem Vortag zu den Plänen der Koalition erwähnte Steinrücken das Gesetz zu Stabilisierung der GKV-Finanzen zwar, ging aber inhaltlich nur auf die Sparmaßnahmen ein, die die Pharmaindustrie betreffen – die Ausgaben für patentgeschützte Arzneimittel seien in den letzten Jahren zu wenig reguliert worden, so Steinrücken. Mögliches Einsparpotenzial bei den Apotheken erwähnte er nicht. Zum fraglichen Referentenentwurf äußerte er sich nur insofern, als dieser nicht abgestimmt gewesen und somit nicht in einem Stadium gewesen sei, um in der Öffentlichkeit darüber zu diskutieren. Es werde beizeiten eine offizielle Version geben, zu der dann auch von den Verbänden Stellung genommen werden könne.

BMG liest DAZ

Auf die Frage, dass sich das ausführliche Lob in einem Spannungsfeld mit dem kursierenden Entwurf befinde und ob die Apotheken noch mit Verbesserungen rechnen könnten, blieb er dann vage. Man habe auch im BMG die Berechnungen des DAZ-Wirtschaftsexperten Dr. Thomas Müller-Bohn aufmerksam gelesen. Der Apotheker und Diplom-Kaufmann kommt bei seinen Ausführungen auf weit höhere Einbußen für die Apotheken als das BMG in seinem Entwurf, was vor allem dem kombinierten Effekt aus Erhöhung des Kassenabschlags und Absenkung der Mehrwertsteuer geschuldet ist, den das Ministerium bei seinen Berechnungen offenbar nicht berücksichtigt hatte. „Ich kann nicht versprechen, dass sich zugunsten der Apotheken etwas tut“, so Steinrücken, „wir müssen sehen, was sich ergibt“, so Steinrücken – ein Dementi klingt anders.

Ebenfalls vage blieb Steinrücke bei der Frage, inwiefern das Ministerium sich zu Plattformen äußern wird, bei denen Telemedizinanbieter mit Versandapotheken kooperieren und Patient:innen per Fragebogen verschreibungspflichtige Arzneimittel „bestellen“ können. Man beobachte diese Geschäftsmodelle, aber Rechtsetzung orientiere sich daran, was durchsetzbar ist. Bei den im Ausland ansässigen Betreibern sei das schwierig. „Deswegen ist eine kurzfristige Besserung nicht in Aussicht“, so Steinrückens wenig befriedigende Antwort.


Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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4 Kommentare

BMG liest DAZ

von Thomas Eper am 19.03.2022 um 12:41 Uhr

Na dann liest mal:
Täglich schließt eine Apotheke, weil wir in 18 (in Worten: achtzehn!) Jahren nur 3 % Honorarerhöhung hatten. Inflationsbereinigt ergibt das ca. 45% Honorarkürzung.

Das führt mittelfristig zu einer Gefährdung der Arzneimittelversorgung der Bevölkerung!
Eine weitere Kürzung führt kurzfristig zu einer Gefährdung der Arzneimittelversorgung der Bevölkerung und auf Grund der Rückgangs der Selbstmedikation (mehr Arztbesuche) zu einer Erhöhung der Ausgaben der Krankenkassen.
Kapiert?

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Schnell Aufgaben übernehmen-immer wieder

von Thomas Kerlag am 18.03.2022 um 18:51 Uhr

Wenn mein Sohn das nächste Mal auch eine 1 schreibt kriegt er auch eine schallende Ohrfeige

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Kassenabschlag

von Dr. Radman am 18.03.2022 um 13:27 Uhr

Ich habe recht behalten. Der Entwurf war nicht mit Herrn Lauterbach oder dem Kanzeleramt abgestimmt. cool bleiben!

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Kassenabschlag !?

von ratatosk am 21.03.2022 um 16:24 Uhr

Cool bleiben ?! warum denn ? aufgrund welcher positiver Erfahrungen denn ?? Oder soll hier nur noch weiter beruhigt werden, damit man diesen weiteren Sargnagel einschlagen kann ? Sowohl das Kanzleramt unter Merkel als auch Lauterbach sind klare Feinde der örtliche Apotheken, eine Abstimmung wird nur weitere Belastungen bringen. Es ist eben ein Fehler !! Aufgaben ohne zu Diskutieren, ohne dafür klare Zuschläge zu verhandeln , einfach zu erledigen. Der Staat und GKV nehmen dieses Freibier wie der letzte Penner mit und treten dann den Erbringern in den Hintern. Da dies regelmäßig passiert, sollte man dies auch mal lernen ohne naives Vertrauen in unseriöse Vertragspartner.

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